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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Fischcrlebeii auf der Adra

in die Gold- oder in die Totenkammer zu werfen, wie man die beiden hintersten
Abteilungen des ganzen Netzaufbaus nennt, aus denen es für die eingedrungnen
Tiere kein Entrinnen mehr giebt. Wohl keinem Ankömmling aber sind die
drei mächtigen am Ufer von Preluka schief über das Meer hinausgeneigten
etwa fünfzehn Meter hohen Stangen entgangen, deren oberstes Ende eine Art
von Sitz trägt, zu dem man auf Sprossen emporsteigt. Das ist die "Wache,"
wie es die Leute nennen, und der Wächter, der oben sitzt, hat nach dem
Herannahen der mit soviel Spannung erwarteten Gäste zu spähen. Er wird
alle Stunden abgelöst und hat dies wohl anch notwendig, denn obwohl er
sitzt, ist es gewiß eine ganz absonderliche Anstrengung, sich auf dem Ende
einer Stange hoch über der dunkeln Flut in der Luft so lange Zeit zu halten
und nach jeder Kräuselung der Wasserfläche, die nicht vom Winde ausgehen
kann, auszulugen.

Endlich wird eine solche Kräuselung wahrgenommen. Nun giebt die
Wache das Zeichen, und am Strande macht sich eine Regsamkeit bemerkbar,
die an die einer Truppe erinnert, der man das Herannahen des Feindes
meldet. Nicht bloß die Fischer, die an deu Tauen beschäftigt sind, womit die
Netze eingeholt werden sollen, halten sich bereit, es kommen Leute von weit
und breit, es erscheint auch der Geistliche, der das Meer segnet, eine Hilfe¬
leistung, für die ihm, nebenbei gesagt, der erste gefangne Thun zufällt. Es
kommen Händler und Leute, die Wem ausschenken, Weiber und Knaben, die
sich anschicken, einen kleinen Teil der erwarteten Beute alsbald dem häuslichen
Herde zuzutragen.

Schon ist aber auch noch ein andrer Bote gekommen, nämlich die Weiß-
slügclseeschwalbe, die man als den Vorläufer einer Schar von Tunen betrachtet.
Dieser Vogel nährt sich von kleinen Fischen und hält sich nach einer Über¬
lieferung gern über solchen Stellen des Meers auf, wo ein Schwarm von
Thunfischen gegen die Oberfläche heraufkommt. Die Fischer wolle" ihn oft
haben auf den Stricken des Netzes, die auf dem Wasserspiegel sichtbar sind,
sitzen sehen. In ihrer Sprache heißt er deshalb Thunfischvogel (wnsÄe).

Je höher das Netz emporgehoben wird, desto mehr steigert sich die Auf¬
regung, und zwar nicht nur unter den versammelten Menschen, sondern auch
unter den Fischen. Während jene ihre Beute, auf die sie hoffen, mit Geschrei
begrüßen, wallt das Meer schäumend auf über den gewaltsamen Bewegungen
der großen Tiere, die, indem sie allenthalben Hindernissen begegnen und eine
Empfindung von ungewohnten Vorgängen haben, das Wasser peitschen.

Allerdings erweist sich der Thun auch insofern als "Aprilfisch," als
er oft die Leute mit ihren Hoffnungen in den April schickt. Statt der Fleisch¬
haufen, mit denen die bereit gehaltnen Geschirre bedeckt werden sollen, kommen
dann nnr ein paar Verlorne, einsiedlerische Wanderfische zum Vorschein. Es
geht nicht immer so, wie vor einigen Jahren zu Buecari, daß mit einemmale


Fischcrlebeii auf der Adra

in die Gold- oder in die Totenkammer zu werfen, wie man die beiden hintersten
Abteilungen des ganzen Netzaufbaus nennt, aus denen es für die eingedrungnen
Tiere kein Entrinnen mehr giebt. Wohl keinem Ankömmling aber sind die
drei mächtigen am Ufer von Preluka schief über das Meer hinausgeneigten
etwa fünfzehn Meter hohen Stangen entgangen, deren oberstes Ende eine Art
von Sitz trägt, zu dem man auf Sprossen emporsteigt. Das ist die „Wache,"
wie es die Leute nennen, und der Wächter, der oben sitzt, hat nach dem
Herannahen der mit soviel Spannung erwarteten Gäste zu spähen. Er wird
alle Stunden abgelöst und hat dies wohl anch notwendig, denn obwohl er
sitzt, ist es gewiß eine ganz absonderliche Anstrengung, sich auf dem Ende
einer Stange hoch über der dunkeln Flut in der Luft so lange Zeit zu halten
und nach jeder Kräuselung der Wasserfläche, die nicht vom Winde ausgehen
kann, auszulugen.

Endlich wird eine solche Kräuselung wahrgenommen. Nun giebt die
Wache das Zeichen, und am Strande macht sich eine Regsamkeit bemerkbar,
die an die einer Truppe erinnert, der man das Herannahen des Feindes
meldet. Nicht bloß die Fischer, die an deu Tauen beschäftigt sind, womit die
Netze eingeholt werden sollen, halten sich bereit, es kommen Leute von weit
und breit, es erscheint auch der Geistliche, der das Meer segnet, eine Hilfe¬
leistung, für die ihm, nebenbei gesagt, der erste gefangne Thun zufällt. Es
kommen Händler und Leute, die Wem ausschenken, Weiber und Knaben, die
sich anschicken, einen kleinen Teil der erwarteten Beute alsbald dem häuslichen
Herde zuzutragen.

Schon ist aber auch noch ein andrer Bote gekommen, nämlich die Weiß-
slügclseeschwalbe, die man als den Vorläufer einer Schar von Tunen betrachtet.
Dieser Vogel nährt sich von kleinen Fischen und hält sich nach einer Über¬
lieferung gern über solchen Stellen des Meers auf, wo ein Schwarm von
Thunfischen gegen die Oberfläche heraufkommt. Die Fischer wolle» ihn oft
haben auf den Stricken des Netzes, die auf dem Wasserspiegel sichtbar sind,
sitzen sehen. In ihrer Sprache heißt er deshalb Thunfischvogel (wnsÄe).

Je höher das Netz emporgehoben wird, desto mehr steigert sich die Auf¬
regung, und zwar nicht nur unter den versammelten Menschen, sondern auch
unter den Fischen. Während jene ihre Beute, auf die sie hoffen, mit Geschrei
begrüßen, wallt das Meer schäumend auf über den gewaltsamen Bewegungen
der großen Tiere, die, indem sie allenthalben Hindernissen begegnen und eine
Empfindung von ungewohnten Vorgängen haben, das Wasser peitschen.

Allerdings erweist sich der Thun auch insofern als „Aprilfisch," als
er oft die Leute mit ihren Hoffnungen in den April schickt. Statt der Fleisch¬
haufen, mit denen die bereit gehaltnen Geschirre bedeckt werden sollen, kommen
dann nnr ein paar Verlorne, einsiedlerische Wanderfische zum Vorschein. Es
geht nicht immer so, wie vor einigen Jahren zu Buecari, daß mit einemmale


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/85>, abgerufen am 08.01.2025.