Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dem Universitätsleben Pegelstand erreicht hatte und von seinem alten Freunde, dein Nachtwächter Endlich glaubte er die Übelthäter entdeckt zu haben. Nubinsky hatte ihn Am nächsten Morgen fand ich Papendick in seiner Laube. Er hatte den Zehn Jahre mochten etwa über dieser Geschichte vergangen sein, da Das Lokal zog sich wie ein langer schmaler Darm durch das Vorder¬ Bilder aus dem Universitätsleben Pegelstand erreicht hatte und von seinem alten Freunde, dein Nachtwächter Endlich glaubte er die Übelthäter entdeckt zu haben. Nubinsky hatte ihn Am nächsten Morgen fand ich Papendick in seiner Laube. Er hatte den Zehn Jahre mochten etwa über dieser Geschichte vergangen sein, da Das Lokal zog sich wie ein langer schmaler Darm durch das Vorder¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213096"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Universitätsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2078" prev="#ID_2077"> Pegelstand erreicht hatte und von seinem alten Freunde, dein Nachtwächter<lb/> Poltrvck, nach Hause geschleppt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2079"> Endlich glaubte er die Übelthäter entdeckt zu haben. Nubinsky hatte ihn<lb/> nämlich auf einen Verein aufmerksam gemacht, der auf dem Universitätsgericht<lb/> nicht angemeldet war. Das Vereinslokal hatte Papendick bald ausspionirt.<lb/> Es versammelten sich an bestimmten Tagen der Woche dort schwärmerische,<lb/> poetisch angehauchte Jünglinge, die sich nach Art der Hainbündler ihre Ge¬<lb/> dichte vorlasen und dazu Thee tranken. Papendick platzte wie eine Bombe<lb/> unter diese lyrisch empfindende Gesellschaft, notirte die Namen der Zitternden,<lb/> versiegelte rücksichtslos die Schränke, nahm, trotz der flehentlichen Bitten, alle<lb/> Bücher, Schriften und Briefe an sich und ging triumphirend damit nach Hause.<lb/> Kaum aber war er in seinen Garten gekommen, als ein Gerichtsdiener, der<lb/> Polizeisergeant und ein Postbote auf ihn zutraten und ihn verhafteten, weil<lb/> ein an ihn gerichtetes Paket aus der Schweiz, das auf der Post schadhaft<lb/> geworden war, anarchistische Schriften enthalten hatte. Die Sache klärte sich<lb/> bald auf: Nubinsky war plötzlich verschwunden, und Lieschen war mit ihm<lb/> gegangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2080"> Am nächsten Morgen fand ich Papendick in seiner Laube. Er hatte den<lb/> Kopf auf den Tisch gelegt, und eine zuckende Bewegung ging durch seinen<lb/> Körper. Mir that der arme Kerl herzlich leid, ich setzte mich zu ihm und ver¬<lb/> suchte ihn zu trösten. Aber er sagte schluchzend: Das; ich fortgejagt werde,<lb/> sehen Sie, das ist uun einmal mein Soldatenglück, aber daß Lieschen fort ist<lb/> und mir, ihrem Vater, hier auf dem Wisch schreibt, sie könnte es nicht mehr<lb/> bei mir aushalten das kann ich nicht ertragen, das reißt mir das Herz<lb/> aus dem Leibe! —</p><lb/> <p xml:id="ID_2081"> Zehn Jahre mochten etwa über dieser Geschichte vergangen sein, da<lb/> hielt ich mich vorübergehend in Berlin auf. Es war am ersten April, und<lb/> ein freundlicher Abend. Ich schlenderte die Markgrafeustraße hinunter und<lb/> sah ein Bierlokal besonders hell erleuchtet. Es war die allen Akademikern<lb/> wohlbekannte Kneipe von Schindler. Als Student hatte ich dort mit meinen<lb/> Freunden manche vergnügte Stunde verlebt, mit dem originellen Wirt, den<lb/> „Pascha von Rhododendron" und andre wunderliche Lieder gesungen und<lb/> manches heitre Fest mitgefeiert. Es verkehrten damals in dem Lokal nicht<lb/> etwa Radaubrüder oder subalterne Geister, sondern man konnte die ganze<lb/> gebildete Gesellschaft des Stadtviertels abends dort antreffen: Räte vom<lb/> Kammergericht und Professoren, Ärzte und Oberlehrer, Offiziere in Zivil und<lb/> Studenten. Es war eine große Zahl von Stammtischen da, die jeden Abend<lb/> dicht besetzt waren, und an denen die alten Herren so regelmäßig erschienen,<lb/> daß man seine Uhr darnach hätte stellen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2082" next="#ID_2083"> Das Lokal zog sich wie ein langer schmaler Darm durch das Vorder¬<lb/> haus und durch el» Hofgebäude, und der Cigarrenqualm darin war abends</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
Bilder aus dem Universitätsleben
Pegelstand erreicht hatte und von seinem alten Freunde, dein Nachtwächter
Poltrvck, nach Hause geschleppt wurde.
Endlich glaubte er die Übelthäter entdeckt zu haben. Nubinsky hatte ihn
nämlich auf einen Verein aufmerksam gemacht, der auf dem Universitätsgericht
nicht angemeldet war. Das Vereinslokal hatte Papendick bald ausspionirt.
Es versammelten sich an bestimmten Tagen der Woche dort schwärmerische,
poetisch angehauchte Jünglinge, die sich nach Art der Hainbündler ihre Ge¬
dichte vorlasen und dazu Thee tranken. Papendick platzte wie eine Bombe
unter diese lyrisch empfindende Gesellschaft, notirte die Namen der Zitternden,
versiegelte rücksichtslos die Schränke, nahm, trotz der flehentlichen Bitten, alle
Bücher, Schriften und Briefe an sich und ging triumphirend damit nach Hause.
Kaum aber war er in seinen Garten gekommen, als ein Gerichtsdiener, der
Polizeisergeant und ein Postbote auf ihn zutraten und ihn verhafteten, weil
ein an ihn gerichtetes Paket aus der Schweiz, das auf der Post schadhaft
geworden war, anarchistische Schriften enthalten hatte. Die Sache klärte sich
bald auf: Nubinsky war plötzlich verschwunden, und Lieschen war mit ihm
gegangen.
Am nächsten Morgen fand ich Papendick in seiner Laube. Er hatte den
Kopf auf den Tisch gelegt, und eine zuckende Bewegung ging durch seinen
Körper. Mir that der arme Kerl herzlich leid, ich setzte mich zu ihm und ver¬
suchte ihn zu trösten. Aber er sagte schluchzend: Das; ich fortgejagt werde,
sehen Sie, das ist uun einmal mein Soldatenglück, aber daß Lieschen fort ist
und mir, ihrem Vater, hier auf dem Wisch schreibt, sie könnte es nicht mehr
bei mir aushalten das kann ich nicht ertragen, das reißt mir das Herz
aus dem Leibe! —
Zehn Jahre mochten etwa über dieser Geschichte vergangen sein, da
hielt ich mich vorübergehend in Berlin auf. Es war am ersten April, und
ein freundlicher Abend. Ich schlenderte die Markgrafeustraße hinunter und
sah ein Bierlokal besonders hell erleuchtet. Es war die allen Akademikern
wohlbekannte Kneipe von Schindler. Als Student hatte ich dort mit meinen
Freunden manche vergnügte Stunde verlebt, mit dem originellen Wirt, den
„Pascha von Rhododendron" und andre wunderliche Lieder gesungen und
manches heitre Fest mitgefeiert. Es verkehrten damals in dem Lokal nicht
etwa Radaubrüder oder subalterne Geister, sondern man konnte die ganze
gebildete Gesellschaft des Stadtviertels abends dort antreffen: Räte vom
Kammergericht und Professoren, Ärzte und Oberlehrer, Offiziere in Zivil und
Studenten. Es war eine große Zahl von Stammtischen da, die jeden Abend
dicht besetzt waren, und an denen die alten Herren so regelmäßig erschienen,
daß man seine Uhr darnach hätte stellen können.
Das Lokal zog sich wie ein langer schmaler Darm durch das Vorder¬
haus und durch el» Hofgebäude, und der Cigarrenqualm darin war abends
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