Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Kein Gedanke! Das eiserne Kreuz haben sie mir gegeben, und dem Nach dieser langen Erzählung goß er schnell einen Nordhäuser hinunter Also daher, sagte ich, Wetters Liebe für Sie. Ja, ich habe ihm viel zu verdanken. Nach dem Kriege ging mirs nämlich Seitdem der Mediziner in der Giebelstube wohnte, sah ich Lieschen gar Eines Tages war Papendick in großer Aufregung. Von oben herab war Eine niederträchtige Bande! sagte Papendick pflichteifrig, jetzt passen Sie Kein Gedanke! Das eiserne Kreuz haben sie mir gegeben, und dem Nach dieser langen Erzählung goß er schnell einen Nordhäuser hinunter Also daher, sagte ich, Wetters Liebe für Sie. Ja, ich habe ihm viel zu verdanken. Nach dem Kriege ging mirs nämlich Seitdem der Mediziner in der Giebelstube wohnte, sah ich Lieschen gar Eines Tages war Papendick in großer Aufregung. Von oben herab war Eine niederträchtige Bande! sagte Papendick pflichteifrig, jetzt passen Sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213095"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2071"> Kein Gedanke! Das eiserne Kreuz haben sie mir gegeben, und dem<lb/> Hauptmann Weller auch. Die Franzosen hatten nämlich, wie später herauskam,<lb/> in derselben Nacht einen Ausfall vor. Als aber meine Haubitze losging, da<lb/> donnerte es gleich auf allen Seiten ganz mörderisch, und die Halunken mußten<lb/> zurück. Scheu Sie, das war der richtige Schuß zur richtigen Zeit!</p><lb/> <p xml:id="ID_2072"> Nach dieser langen Erzählung goß er schnell einen Nordhäuser hinunter<lb/> und streichelte mit der linken Hand das eiserne Kreuz.</p><lb/> <p xml:id="ID_2073"> Also daher, sagte ich, Wetters Liebe für Sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2074"> Ja, ich habe ihm viel zu verdanken. Nach dem Kriege ging mirs nämlich<lb/> schlecht, verteufelt schlecht. Ich war schon vorher verheiratet, schon 1866. Die<lb/> Liese ist ein Abschiedsmädel. Damals kam ich aber mit meinem Regiment<lb/> nicht ins Feuer, und uach 70 und 71 ging ja bei der Artillerie alles<lb/> drunter und drüber. Die alten Feldsoldaten wollten keinen rechten Gamaschen¬<lb/> dienst mehr thun, da habe ich denn meinen Abschied bekommen. Ich schrieb<lb/> dann an meinen alten Landwehrhauptmauu aus dein Feldzuge. Der hat mich,<lb/> wie Sie sehen, hier als Pedell untergebracht. Ist ja eigentlich keine Be¬<lb/> schäftigung für Männer, die Pulver gerochen haben, aber wegen Lieschen muß<lb/> ich schon aushalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2075"> Seitdem der Mediziner in der Giebelstube wohnte, sah ich Lieschen gar<lb/> nicht mehr im Garten umherhüpfen und an den Stachelbeersträuchern naschen.<lb/> Sie saß, so oft ich vorbeiging, den Kopf aufgestützt, in der Laube und las<lb/> und las. Zuerst sah ich einen Roman von Spielhagen in ihren Händen,<lb/> dann einen von Sander-Masons, dann Übersetzungen französischer Romane von<lb/> Eugen Sue und Paul de Kock. Und das steigerte sich, als ob die Lektüre<lb/> von einem Feinschmecker planmäßig geordnet worden wäre, bis ich sie eines<lb/> Tages mit feuerroten Backen über Zolas Roman Nana fand. Ich wollte ihr<lb/> das Buch wegnehmen, aber si. hielt es fest und fing an zu weinen, wahr¬<lb/> scheinlich aus Wut über die unangenehme Überraschung, und sagte, Herr<lb/> Rubiusky hätte ihr die Bücher gegeben, sie verbäte sich meine Einmischung.<lb/> So ließ ich denn die Dinge gehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2076"> Eines Tages war Papendick in großer Aufregung. Von oben herab war<lb/> dem Rektor mitgeteilt worden, daß uuter deu Studenten der Universität so¬<lb/> zialdemokratische und anarchistische Bestrebungen herrschten, und daß staats-<lb/> c;efährliche Schriften von hier aus nach Rußland geschickt würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2077" next="#ID_2078"> Eine niederträchtige Bande! sagte Papendick pflichteifrig, jetzt passen Sie<lb/> mal auf, wie ich die Gesellschaft einfangen werde. Jetzt werde ich den Herren<lb/> zeigen, wer auf dem Posten ist. Er war in der That jetzt Tag und Nacht<lb/> nuf den Beinen, besuchte unter irgend einem Vorwande die Wohnungen ver¬<lb/> dächtiger Studenten, schritt in dienstlicher Haltung, mit znsammengekniffnen<lb/> Lippen und aufgeblähten Nasenlöchern durch die alkoholduftenden Vereins-<lb/> lvkale und wankte aus einer Kneipe in die andre, bis er seinen gehörigen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Kein Gedanke! Das eiserne Kreuz haben sie mir gegeben, und dem
Hauptmann Weller auch. Die Franzosen hatten nämlich, wie später herauskam,
in derselben Nacht einen Ausfall vor. Als aber meine Haubitze losging, da
donnerte es gleich auf allen Seiten ganz mörderisch, und die Halunken mußten
zurück. Scheu Sie, das war der richtige Schuß zur richtigen Zeit!
Nach dieser langen Erzählung goß er schnell einen Nordhäuser hinunter
und streichelte mit der linken Hand das eiserne Kreuz.
Also daher, sagte ich, Wetters Liebe für Sie.
Ja, ich habe ihm viel zu verdanken. Nach dem Kriege ging mirs nämlich
schlecht, verteufelt schlecht. Ich war schon vorher verheiratet, schon 1866. Die
Liese ist ein Abschiedsmädel. Damals kam ich aber mit meinem Regiment
nicht ins Feuer, und uach 70 und 71 ging ja bei der Artillerie alles
drunter und drüber. Die alten Feldsoldaten wollten keinen rechten Gamaschen¬
dienst mehr thun, da habe ich denn meinen Abschied bekommen. Ich schrieb
dann an meinen alten Landwehrhauptmauu aus dein Feldzuge. Der hat mich,
wie Sie sehen, hier als Pedell untergebracht. Ist ja eigentlich keine Be¬
schäftigung für Männer, die Pulver gerochen haben, aber wegen Lieschen muß
ich schon aushalten.
Seitdem der Mediziner in der Giebelstube wohnte, sah ich Lieschen gar
nicht mehr im Garten umherhüpfen und an den Stachelbeersträuchern naschen.
Sie saß, so oft ich vorbeiging, den Kopf aufgestützt, in der Laube und las
und las. Zuerst sah ich einen Roman von Spielhagen in ihren Händen,
dann einen von Sander-Masons, dann Übersetzungen französischer Romane von
Eugen Sue und Paul de Kock. Und das steigerte sich, als ob die Lektüre
von einem Feinschmecker planmäßig geordnet worden wäre, bis ich sie eines
Tages mit feuerroten Backen über Zolas Roman Nana fand. Ich wollte ihr
das Buch wegnehmen, aber si. hielt es fest und fing an zu weinen, wahr¬
scheinlich aus Wut über die unangenehme Überraschung, und sagte, Herr
Rubiusky hätte ihr die Bücher gegeben, sie verbäte sich meine Einmischung.
So ließ ich denn die Dinge gehen.
Eines Tages war Papendick in großer Aufregung. Von oben herab war
dem Rektor mitgeteilt worden, daß uuter deu Studenten der Universität so¬
zialdemokratische und anarchistische Bestrebungen herrschten, und daß staats-
c;efährliche Schriften von hier aus nach Rußland geschickt würden.
Eine niederträchtige Bande! sagte Papendick pflichteifrig, jetzt passen Sie
mal auf, wie ich die Gesellschaft einfangen werde. Jetzt werde ich den Herren
zeigen, wer auf dem Posten ist. Er war in der That jetzt Tag und Nacht
nuf den Beinen, besuchte unter irgend einem Vorwande die Wohnungen ver¬
dächtiger Studenten, schritt in dienstlicher Haltung, mit znsammengekniffnen
Lippen und aufgeblähten Nasenlöchern durch die alkoholduftenden Vereins-
lvkale und wankte aus einer Kneipe in die andre, bis er seinen gehörigen
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