Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Ein bedenklicher Miderspruch in Fabriken, so muß ihr Lohn im Sommer so hoch sein, daß sie ihren Lebens¬ Wenn mau nun freilich glauben sollte, daß es den Grundbesitzern und Diese Sachlage sollte doch Bedenken erregen, wenn es sich um agrarische Andrerseits versteht es sich von selbst, daß nicht wirtschaftspolitische Grenzbote" III 1892 7^
Ein bedenklicher Miderspruch in Fabriken, so muß ihr Lohn im Sommer so hoch sein, daß sie ihren Lebens¬ Wenn mau nun freilich glauben sollte, daß es den Grundbesitzern und Diese Sachlage sollte doch Bedenken erregen, wenn es sich um agrarische Andrerseits versteht es sich von selbst, daß nicht wirtschaftspolitische Grenzbote» III 1892 7^
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Ein bedenklicher Miderspruch
in Fabriken, so muß ihr Lohn im Sommer so hoch sein, daß sie ihren Lebens¬
unterhalt für den Winter erübrigen können. Das ist eine Thatsache, die sich
uicht wegleugnen und auch uicht ändern läßt, und deshalb müssen sich ihr
die Verhältnisse fügen. Es giebt auch noch andre Betriebe, die in dieser Lage
sind, die auch die Hände nur den wärmern Teil des Jahres beschäftigen
können, und die deshalb im Sommer so hohe Löhne gewähren müssen, daß
die Leute dann im Winter zu leben haben: die Bauhandwerker. Wenn die
Landwirte über Arbeitermangel klagen, so muß man sie darauf hinweisen, daß
der Mensch nun einmal so beschaffen ist, daß seine Bedürfnisse auch im Winter
nicht aufhören; man muß ihnen zu Gemüte führen, daß sie die Leute auch
im Winter ernähren müssen, wenn es ihnen im Sommer nicht an Arbeits¬
kräften fehlen soll.
Wenn mau nun freilich glauben sollte, daß es den Grundbesitzern und
den Landwirten sehr gut ergehen müßte, da ihnen die Gesetzgebung so große
Bordelle einräumt, ihnen einerseits die Preise der Produkte durch Schutzzoll
steigert, andrerseits durch Zulassung fremder Arbeiter die Löhne drückt, so
würde man sich doch einer Täuschung hingeben. Denn nach Lage der Sache
können sich die gebvtnen Vorteile immer nur auf kurze Zeit geltend machen.
Hohe Produktenpreise und niedrige Löhne führen hohe Pachter und hohe
Preise der Grundstücke herbei, und so sind die letzten Besitzer und die neuesten
Pächter stets wieder genötigt, auf alle Ersparnisse Bedacht zu nehmen, weil
die günstigen Maßregeln, die ihnen hätten zu gute kommen können, bereits
von andern in Gestalt von Kapital oder Grundrente eingeheimst sind.
Diese Sachlage sollte doch Bedenken erregen, wenn es sich um agrarische
Klagen und um die Mittel, agrarischen Notständen abzuhelfen, handelt. Ist
unsre Auffassung der Sache richtig, so wird man einsehen müssen, daß die
Klagen niemals aufhören werden, weil sich die Ursachen, denen sie entspringen,
stets erneuern werden. Der Staat kann es uicht verhindern, daß ländliche
Grundstücke zu höchsten Preisen von Hand zu Hand gehn, und daß Pachtlieb-
haber äußerste Pachtpreise bieten. Was im Interesse der Landwirtschaft ge¬
schieht, kommt auf die Läuge immer nur dem Verkäufer und dem Verpachten
zu gute.
Andrerseits versteht es sich von selbst, daß nicht wirtschaftspolitische
Maßregeln getroffen werden dürfen, die zum Ruin der Landwirtschaft bei¬
tragen. Ohne einen mäßigen Schutzzoll auf Vieh und Getreide würde sich die
Landwirtschaft nicht aufrecht erhalten können. Die Rückkehr zum Freihandel
würde sich in gegenwärtiger Zeit verhängnisvoll erweisen. Beim Schutzzoll
findet die nationale Arbeit, finden Arbeitgeber wie Arbeiter ihre Rechnung.
Anders aber steht es mit Maßregeln, die die einen auf Kosten der audern
begünstigen, wie es entschieden bei der Zulassung fremder Arbeiter der Fall ist.
Hier übernimmt die Staatsregierung eine Verantwortung, die sie auf die Länge
Grenzbote» III 1892 7^
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