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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Burschenschafter und talentvolle junge Dichter, der die "Burschenschaftlichen
Blätter" herausgiebt, doch immer allen möglichen Opportunitätsströmungen im
^. v. d und Einwürfen einzelner Abonnenten gegenüber zu besorgen hat, glauben
wir hier viel eher in der Lage zu sein, die Dinge, so weit wir etwas davon
verstehen, beim rechten Namen zu nennen.

Wunderbar ist es übrigens, für was wir auf den ersten Aufsatz hin
alles gehalten worden sind. Gefreut hat es uns, daß uns auch der burschen¬
schaftliche Kreis sofort als den Seinigen in Beschlag hat nehmen wollen. Den
alten Korpsburschen in uns hat nur eine Tageszeitung aus der schwarzlockigen
Pvlnckei gewittert, die aus dem Zusammenhang gerissene und zurecht gemachte
Citate aus unsern Ausführungen auftischte, um uns der Brandmarkung als
"Antisemit" durch ihre Leser zu überlassen. Man sei doch von gewisser Seite
mit dieser Aichung im eignen Interesse etwas zurückhaltender, sonst bleiben bald
außer Juden und einigen Dummen nicht mehr viel andre übrig, als gestempelte
Antisemiten. Nach dem vorliegenden Aufsatz wird man wohl erkennen, daß
wir weder Korpsbursche noch Burschenschafter, sondern ein verkappter Wolf
aus den deutschen Studentenvereinen sind.

Um noch einmal auf die beideu letztbesprochnen feindlichen Brüder zurück¬
zukommen: wir meinen, unmittelbarer Nachfolger der alten Burschenschaft ist
weder die jüngere Gruppe dieses Namens, noch das deutsche studentium. In
der Burschenschaft von 1815 und 1817 war sehr viel Unvereinbares; jene
beiden heutigen Gruppen sind nun am ehesten jede für sich, bei gleichem Wert
sür den Nationalgedanken, die klarere Ausprägung je einer der in der alten
Burschenschaft gegen einander gührenden Auffassungen über die studentische
Form. Sie hätten sich vertragen sollen.

Dann giebt es eine "freie wissenschaftliche Vereinigung." Sie ist die von
Nichtstudenten angeregte Organisation, die den Widerstand der jüdischen Stu¬
denten und ihrer christlichen Freunde, junger Allerweltsnaturwissenschaftler und
Kosmopoliten gegen die deutschen Studenten zusammenhalten soll und in Berlin
und Leipzig auch Leute findet, aber trotz alles Geschreis erstaunlich geringe
Erfolge aufweist. Unsre Freundin, die Posener Zeitung, weiß zwar, daß sich
die "befähigten Studirenden" immer mehr "den wissenschaftlichen Vereinigungen
zuwenden, die auch durch die Mitwirkung der Dozenten gefördert werden."
Aber diese mundfertigen studentischen Helden verkrümeln sich später in dem ernst¬
haften Beruf des Lebens meist recht sang- und klanglos, und was die Dozenten
betrifft, so haben z. V. Burschenschafter und Vereine deutscher Studenten jede
sür sich weit mehr Gönner und ständige Gäste aus deren Kreisen aufzuweisen,
als jene Vereinigungen; es wird nur nicht so viel Tamtam damit geschlagen,
und daher merkt man das in Posen nicht so.

Etwas ganz andres ist die Teilnahme und geistige Leitung der jeweiligen
Fachprofessoren bei den akademischen philologischen, archäologischen, juristischen


Burschenschafter und talentvolle junge Dichter, der die „Burschenschaftlichen
Blätter" herausgiebt, doch immer allen möglichen Opportunitätsströmungen im
^. v. d und Einwürfen einzelner Abonnenten gegenüber zu besorgen hat, glauben
wir hier viel eher in der Lage zu sein, die Dinge, so weit wir etwas davon
verstehen, beim rechten Namen zu nennen.

Wunderbar ist es übrigens, für was wir auf den ersten Aufsatz hin
alles gehalten worden sind. Gefreut hat es uns, daß uns auch der burschen¬
schaftliche Kreis sofort als den Seinigen in Beschlag hat nehmen wollen. Den
alten Korpsburschen in uns hat nur eine Tageszeitung aus der schwarzlockigen
Pvlnckei gewittert, die aus dem Zusammenhang gerissene und zurecht gemachte
Citate aus unsern Ausführungen auftischte, um uns der Brandmarkung als
„Antisemit" durch ihre Leser zu überlassen. Man sei doch von gewisser Seite
mit dieser Aichung im eignen Interesse etwas zurückhaltender, sonst bleiben bald
außer Juden und einigen Dummen nicht mehr viel andre übrig, als gestempelte
Antisemiten. Nach dem vorliegenden Aufsatz wird man wohl erkennen, daß
wir weder Korpsbursche noch Burschenschafter, sondern ein verkappter Wolf
aus den deutschen Studentenvereinen sind.

Um noch einmal auf die beideu letztbesprochnen feindlichen Brüder zurück¬
zukommen: wir meinen, unmittelbarer Nachfolger der alten Burschenschaft ist
weder die jüngere Gruppe dieses Namens, noch das deutsche studentium. In
der Burschenschaft von 1815 und 1817 war sehr viel Unvereinbares; jene
beiden heutigen Gruppen sind nun am ehesten jede für sich, bei gleichem Wert
sür den Nationalgedanken, die klarere Ausprägung je einer der in der alten
Burschenschaft gegen einander gührenden Auffassungen über die studentische
Form. Sie hätten sich vertragen sollen.

Dann giebt es eine „freie wissenschaftliche Vereinigung." Sie ist die von
Nichtstudenten angeregte Organisation, die den Widerstand der jüdischen Stu¬
denten und ihrer christlichen Freunde, junger Allerweltsnaturwissenschaftler und
Kosmopoliten gegen die deutschen Studenten zusammenhalten soll und in Berlin
und Leipzig auch Leute findet, aber trotz alles Geschreis erstaunlich geringe
Erfolge aufweist. Unsre Freundin, die Posener Zeitung, weiß zwar, daß sich
die „befähigten Studirenden" immer mehr „den wissenschaftlichen Vereinigungen
zuwenden, die auch durch die Mitwirkung der Dozenten gefördert werden."
Aber diese mundfertigen studentischen Helden verkrümeln sich später in dem ernst¬
haften Beruf des Lebens meist recht sang- und klanglos, und was die Dozenten
betrifft, so haben z. V. Burschenschafter und Vereine deutscher Studenten jede
sür sich weit mehr Gönner und ständige Gäste aus deren Kreisen aufzuweisen,
als jene Vereinigungen; es wird nur nicht so viel Tamtam damit geschlagen,
und daher merkt man das in Posen nicht so.

Etwas ganz andres ist die Teilnahme und geistige Leitung der jeweiligen
Fachprofessoren bei den akademischen philologischen, archäologischen, juristischen


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[0563] Burschenschafter und talentvolle junge Dichter, der die „Burschenschaftlichen Blätter" herausgiebt, doch immer allen möglichen Opportunitätsströmungen im ^. v. d und Einwürfen einzelner Abonnenten gegenüber zu besorgen hat, glauben wir hier viel eher in der Lage zu sein, die Dinge, so weit wir etwas davon verstehen, beim rechten Namen zu nennen. Wunderbar ist es übrigens, für was wir auf den ersten Aufsatz hin alles gehalten worden sind. Gefreut hat es uns, daß uns auch der burschen¬ schaftliche Kreis sofort als den Seinigen in Beschlag hat nehmen wollen. Den alten Korpsburschen in uns hat nur eine Tageszeitung aus der schwarzlockigen Pvlnckei gewittert, die aus dem Zusammenhang gerissene und zurecht gemachte Citate aus unsern Ausführungen auftischte, um uns der Brandmarkung als „Antisemit" durch ihre Leser zu überlassen. Man sei doch von gewisser Seite mit dieser Aichung im eignen Interesse etwas zurückhaltender, sonst bleiben bald außer Juden und einigen Dummen nicht mehr viel andre übrig, als gestempelte Antisemiten. Nach dem vorliegenden Aufsatz wird man wohl erkennen, daß wir weder Korpsbursche noch Burschenschafter, sondern ein verkappter Wolf aus den deutschen Studentenvereinen sind. Um noch einmal auf die beideu letztbesprochnen feindlichen Brüder zurück¬ zukommen: wir meinen, unmittelbarer Nachfolger der alten Burschenschaft ist weder die jüngere Gruppe dieses Namens, noch das deutsche studentium. In der Burschenschaft von 1815 und 1817 war sehr viel Unvereinbares; jene beiden heutigen Gruppen sind nun am ehesten jede für sich, bei gleichem Wert sür den Nationalgedanken, die klarere Ausprägung je einer der in der alten Burschenschaft gegen einander gührenden Auffassungen über die studentische Form. Sie hätten sich vertragen sollen. Dann giebt es eine „freie wissenschaftliche Vereinigung." Sie ist die von Nichtstudenten angeregte Organisation, die den Widerstand der jüdischen Stu¬ denten und ihrer christlichen Freunde, junger Allerweltsnaturwissenschaftler und Kosmopoliten gegen die deutschen Studenten zusammenhalten soll und in Berlin und Leipzig auch Leute findet, aber trotz alles Geschreis erstaunlich geringe Erfolge aufweist. Unsre Freundin, die Posener Zeitung, weiß zwar, daß sich die „befähigten Studirenden" immer mehr „den wissenschaftlichen Vereinigungen zuwenden, die auch durch die Mitwirkung der Dozenten gefördert werden." Aber diese mundfertigen studentischen Helden verkrümeln sich später in dem ernst¬ haften Beruf des Lebens meist recht sang- und klanglos, und was die Dozenten betrifft, so haben z. V. Burschenschafter und Vereine deutscher Studenten jede sür sich weit mehr Gönner und ständige Gäste aus deren Kreisen aufzuweisen, als jene Vereinigungen; es wird nur nicht so viel Tamtam damit geschlagen, und daher merkt man das in Posen nicht so. Etwas ganz andres ist die Teilnahme und geistige Leitung der jeweiligen Fachprofessoren bei den akademischen philologischen, archäologischen, juristischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/563>, abgerufen am 09.01.2025.