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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

zunehmendes stillschweigendes Einverständnis der meisten Burschenschafter über
schwer fvrmulirbare Punkte folgte, beides Anzeichen einer wenn auch mit
Schwierigkeiten kämpfenden Erhebung und engern Aneinandcrschließung in einem
neuern burschenschnftlich-nationalen Sinne, denen in allerjüugster Zeit weitere
gefolgt sind, die teilweise eine mittelbare Bestätigung unsrer Auseinander-
setzungen über die Burschenschaft bilden. So hat sich denn seit 1881 eine
gewisse Parallelbewegung in der Burschenschaft zu der der Vereine deutscher
Studenten ausgebildet. Nun sollte man meinen, beide Gruppen würden sich
darauf hin die Hand entgegenstrecken; aber weit gefehlt: das ist einmal stu¬
dentische Art, daß sie nnn desto grimmiger gegen einander losziehen. Und
nicht einmal ans gegenseitiger Rivalität. Ihre Ziele fordern ja solche gar
nicht, sondern im Gegenteil gemeinsames Vorgehen in den Hauptsachen. Auch
eine Eifersucht praktischen Beigeschmacks hätte keinen Grund und Boden und
besteht thatsächlich nicht. Die Nekrutirnngsgefilde der Burschenschaft sind
nicht die jener Vereine, sie jagt sich vielmehr mit den andern Verbindungen
um die Füchse herum, und wer andrerseits von diesen nun einmal "aktiv"
werden will, läßt sich schwer dein Verein zuführen. Die eine ist festgeschloßne
Verbindung, die andre Propagandaverein, das läßt beiden den breitesten Raum
neben einander, auch zu einer ungeschriebnen Bundesgenossenschaft in echt na¬
tionalen Angelegenheiten.

Den wirklichen Anlaß zu solchen Fehden haben denn auch jedesmal ganz
andre Dinge gegeben. Meistens der Umstand, daß einzelne eifrigere Burschen¬
schafter, ihnen selber unbewußt, zum größten Teile eben auch mit von den
Verleumdungsbaeillen, die die Presse gegen die Vereine cmsfaucht, ergriffen
sind und daher schlechthin verwerfende Urteile über die Tendenz der Vereine
und ihrer Mitglieder hegen und aussprechen; teils -- und das war gerade
bei der jüngsten besonders scharfen Fehde der "Burschenschaftlichen Blätter"
mit den "Akademischen Blättern" der Fall -- ärgert man sich auf der einen
Seite über ein paar Redensarten, mit denen auf der andern der Mund ein
wenig zu voll genommen wird. Dem entsprechend spielten sich die Zeitnngs-
fehden beider Gruppen denn anch gar nicht in wirklichen Meinungstümpfen
ab, sondern in der Weise, daß die beiden federgewaffueten Vorkämpfer je ein
Paar ungeschickte oder allzu gutmütige Sätze in den gegnerischen Auslassungen
auszubeuten oder lächerlich zu machen suchten. Auch unsern vorigen Aufsatz
in den Grenzboten hat ein Wellchen dieses jüngsten Streites erfaßt; die
"Akademischen Blätter" bedauern, daß der Verfasser, offenbar ein alter Bur¬
schenschafter, durch einen gleichzeitigen Aufsatz der "Burschenschnftlichen Blätter"
indirekt Lügen gestraft werde. Aber deren Herausgeber ist keineswegs ein
Offiziosus des ^, v. d, seine Leitartikel enthalten seine Privatmeinung und
können höchstens vom ^. I). d nachträglich gebilligt oder mißbilligt werden,
und gerade dieser etwaigen Censur wegen, die der tüchtige und schneidige alte


Aufklärungen über studentische Dinge

zunehmendes stillschweigendes Einverständnis der meisten Burschenschafter über
schwer fvrmulirbare Punkte folgte, beides Anzeichen einer wenn auch mit
Schwierigkeiten kämpfenden Erhebung und engern Aneinandcrschließung in einem
neuern burschenschnftlich-nationalen Sinne, denen in allerjüugster Zeit weitere
gefolgt sind, die teilweise eine mittelbare Bestätigung unsrer Auseinander-
setzungen über die Burschenschaft bilden. So hat sich denn seit 1881 eine
gewisse Parallelbewegung in der Burschenschaft zu der der Vereine deutscher
Studenten ausgebildet. Nun sollte man meinen, beide Gruppen würden sich
darauf hin die Hand entgegenstrecken; aber weit gefehlt: das ist einmal stu¬
dentische Art, daß sie nnn desto grimmiger gegen einander losziehen. Und
nicht einmal ans gegenseitiger Rivalität. Ihre Ziele fordern ja solche gar
nicht, sondern im Gegenteil gemeinsames Vorgehen in den Hauptsachen. Auch
eine Eifersucht praktischen Beigeschmacks hätte keinen Grund und Boden und
besteht thatsächlich nicht. Die Nekrutirnngsgefilde der Burschenschaft sind
nicht die jener Vereine, sie jagt sich vielmehr mit den andern Verbindungen
um die Füchse herum, und wer andrerseits von diesen nun einmal „aktiv"
werden will, läßt sich schwer dein Verein zuführen. Die eine ist festgeschloßne
Verbindung, die andre Propagandaverein, das läßt beiden den breitesten Raum
neben einander, auch zu einer ungeschriebnen Bundesgenossenschaft in echt na¬
tionalen Angelegenheiten.

Den wirklichen Anlaß zu solchen Fehden haben denn auch jedesmal ganz
andre Dinge gegeben. Meistens der Umstand, daß einzelne eifrigere Burschen¬
schafter, ihnen selber unbewußt, zum größten Teile eben auch mit von den
Verleumdungsbaeillen, die die Presse gegen die Vereine cmsfaucht, ergriffen
sind und daher schlechthin verwerfende Urteile über die Tendenz der Vereine
und ihrer Mitglieder hegen und aussprechen; teils — und das war gerade
bei der jüngsten besonders scharfen Fehde der „Burschenschaftlichen Blätter"
mit den „Akademischen Blättern" der Fall — ärgert man sich auf der einen
Seite über ein paar Redensarten, mit denen auf der andern der Mund ein
wenig zu voll genommen wird. Dem entsprechend spielten sich die Zeitnngs-
fehden beider Gruppen denn anch gar nicht in wirklichen Meinungstümpfen
ab, sondern in der Weise, daß die beiden federgewaffueten Vorkämpfer je ein
Paar ungeschickte oder allzu gutmütige Sätze in den gegnerischen Auslassungen
auszubeuten oder lächerlich zu machen suchten. Auch unsern vorigen Aufsatz
in den Grenzboten hat ein Wellchen dieses jüngsten Streites erfaßt; die
„Akademischen Blätter" bedauern, daß der Verfasser, offenbar ein alter Bur¬
schenschafter, durch einen gleichzeitigen Aufsatz der „Burschenschnftlichen Blätter"
indirekt Lügen gestraft werde. Aber deren Herausgeber ist keineswegs ein
Offiziosus des ^, v. d, seine Leitartikel enthalten seine Privatmeinung und
können höchstens vom ^. I). d nachträglich gebilligt oder mißbilligt werden,
und gerade dieser etwaigen Censur wegen, die der tüchtige und schneidige alte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/562>, abgerufen am 09.01.2025.