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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

sah zu der Burschenschaft der dreißiger und vierziger Jahre und ist seitdem
für die Korps etwas selbstverständliches geworden (was wiederum nicht ge¬
hindert hat, daß Demokraten und Sozialdemokraten aus ihnen hervorgegangen
sind), sie ist aber doch gar nicht eigentlich als etwas politisches, als der Aus¬
fluß einer bestimmten monarchischen Überzeugung, auch nicht durchaus als
eine freiwillige Hingebung selbstloser Treue aufzufassen, sondern in sehr
hohem Grade für die Korps als solche -- den Gefühle" und Traditionen
der einzelnen Mitglieder und ihrer Familien Unrecht zu thun, liegt uns gänz¬
lich fern -- eine Art Anstandssache, eine Rücksicht, die die Korps sich selber
schulden, schon damit nie übersehen wird, wie nahe sie den Thronen stehen.
Nur den Wert einer Modesache und Standesrücksicht hat es daher auch, wenn
die alten Korpsiers in der Kreuzzeitung inseriren.

Damit sind wir nun schon bei dem Punkte angelangt, der gerade heut¬
zutage fast zu allem im Korpswesen den Schlüssel giebt: bei dem Eindruck
mich außen. Mehr denn je kommt hierauf ängstlich alles an, sucht mau gerade
auf diesem Gebiete die alte Prätension der Korps, die Führer der Studenten¬
schaft, ja eigentlich mit dieser herrschend identisch zu sein, zu verwirklichen.
Auf dem Gebiete des Studirens und überhaupt der Dinge, weswegen einen
der Vater auf die Hochschule schickt, haben sie diese Führung ja nie beansprucht.
Aber sonst haben sie sie früher doch in einigen nicht völlig wertlosen Dingen,
bei Standesangelegenheiten der ganzen Studentenschaft dieses oder jenes Ortes,
in Sachen des ernsten oder heitern studentischen Komments, auf dem feucht¬
fröhlichen Felde akademischen Humors u. s. w. unzweifelhaft gehabt. Das alles
ist vorbei. Ohne ihnen je für sich ihre Tüchtigkeit irgendwie verkleinern zu
wollen, beschränkt sich ihr Voransein gegenüber der Studentenschaft heutzutage
auf das alleräußerlichste, auf die Modesachen, und hierin folgt man ihnen
denn auch in der That nach. Irgend eine ästhetische Aufbesserung hat diese
Führung nicht aufzuweisen; sie huldigt ihrerseits kritiklos der äervivro nou-
vimt<z der Schaufenster und der Gigerl und beschränkt sich ganz darauf, hie
und da eine gewisse Anpassung für das farbentragende Studententum vor¬
zunehmen. Sobald die übrigen Verbindungen die neueste Korpsmvde begriffen
und eifrigst erlernt haben, ist es Zeit, damit zu wechseln. Wenn erst die Mit¬
glieder einer einfachen schlagenden Verbindung Armbänder tragen, sind sie
bei den Korps verschwunden. Wenn die übrigen alle gelernt haben, beim
Grüßen die seitwärts erfaßte Mütze mit einer Kurvenbewegung des Arms von
großem Radius zu schwenken, faßt sie der Korpsstudent wieder am Schirm,
dreht sie lediglich aus dem Handgelenk vor der Nase kurz nach unten und läßt
sie rasch wieder zurückfedern. Wenn die übrigen Verbindungen (und auch die
abgelegneren Korps) endlich glücklich eingesehen haben, daß der Gipfel der "Fein¬
heit" darin besteht, aller drei bis acht Tage eine neue Mütze aufzusetzen, stülpt
eiues schönen Tags der Heidelberger Vandale die Mütze, in der er als Korps-


Aufklärungen über studentische Dinge

sah zu der Burschenschaft der dreißiger und vierziger Jahre und ist seitdem
für die Korps etwas selbstverständliches geworden (was wiederum nicht ge¬
hindert hat, daß Demokraten und Sozialdemokraten aus ihnen hervorgegangen
sind), sie ist aber doch gar nicht eigentlich als etwas politisches, als der Aus¬
fluß einer bestimmten monarchischen Überzeugung, auch nicht durchaus als
eine freiwillige Hingebung selbstloser Treue aufzufassen, sondern in sehr
hohem Grade für die Korps als solche — den Gefühle» und Traditionen
der einzelnen Mitglieder und ihrer Familien Unrecht zu thun, liegt uns gänz¬
lich fern — eine Art Anstandssache, eine Rücksicht, die die Korps sich selber
schulden, schon damit nie übersehen wird, wie nahe sie den Thronen stehen.
Nur den Wert einer Modesache und Standesrücksicht hat es daher auch, wenn
die alten Korpsiers in der Kreuzzeitung inseriren.

Damit sind wir nun schon bei dem Punkte angelangt, der gerade heut¬
zutage fast zu allem im Korpswesen den Schlüssel giebt: bei dem Eindruck
mich außen. Mehr denn je kommt hierauf ängstlich alles an, sucht mau gerade
auf diesem Gebiete die alte Prätension der Korps, die Führer der Studenten¬
schaft, ja eigentlich mit dieser herrschend identisch zu sein, zu verwirklichen.
Auf dem Gebiete des Studirens und überhaupt der Dinge, weswegen einen
der Vater auf die Hochschule schickt, haben sie diese Führung ja nie beansprucht.
Aber sonst haben sie sie früher doch in einigen nicht völlig wertlosen Dingen,
bei Standesangelegenheiten der ganzen Studentenschaft dieses oder jenes Ortes,
in Sachen des ernsten oder heitern studentischen Komments, auf dem feucht¬
fröhlichen Felde akademischen Humors u. s. w. unzweifelhaft gehabt. Das alles
ist vorbei. Ohne ihnen je für sich ihre Tüchtigkeit irgendwie verkleinern zu
wollen, beschränkt sich ihr Voransein gegenüber der Studentenschaft heutzutage
auf das alleräußerlichste, auf die Modesachen, und hierin folgt man ihnen
denn auch in der That nach. Irgend eine ästhetische Aufbesserung hat diese
Führung nicht aufzuweisen; sie huldigt ihrerseits kritiklos der äervivro nou-
vimt<z der Schaufenster und der Gigerl und beschränkt sich ganz darauf, hie
und da eine gewisse Anpassung für das farbentragende Studententum vor¬
zunehmen. Sobald die übrigen Verbindungen die neueste Korpsmvde begriffen
und eifrigst erlernt haben, ist es Zeit, damit zu wechseln. Wenn erst die Mit¬
glieder einer einfachen schlagenden Verbindung Armbänder tragen, sind sie
bei den Korps verschwunden. Wenn die übrigen alle gelernt haben, beim
Grüßen die seitwärts erfaßte Mütze mit einer Kurvenbewegung des Arms von
großem Radius zu schwenken, faßt sie der Korpsstudent wieder am Schirm,
dreht sie lediglich aus dem Handgelenk vor der Nase kurz nach unten und läßt
sie rasch wieder zurückfedern. Wenn die übrigen Verbindungen (und auch die
abgelegneren Korps) endlich glücklich eingesehen haben, daß der Gipfel der „Fein¬
heit" darin besteht, aller drei bis acht Tage eine neue Mütze aufzusetzen, stülpt
eiues schönen Tags der Heidelberger Vandale die Mütze, in der er als Korps-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/552>, abgerufen am 08.01.2025.