Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge bursch rezipirt worden ist, mit dem Gelübde aufs kurzgeschorne Haupt, sie Mehr aber als die Sucht nach Neuem und Verblüffendem in der Mode Hie und da mag ja das eine oder das andre wirklich unter dem Druck Grenzboten III 1892 " 69
Aufklärungen über studentische Dinge bursch rezipirt worden ist, mit dem Gelübde aufs kurzgeschorne Haupt, sie Mehr aber als die Sucht nach Neuem und Verblüffendem in der Mode Hie und da mag ja das eine oder das andre wirklich unter dem Druck Grenzboten III 1892 " 69
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Aufklärungen über studentische Dinge
bursch rezipirt worden ist, mit dem Gelübde aufs kurzgeschorne Haupt, sie
trotz Regen und Sonnenschein mit keiner andern mehr zu vertauschen.
Mehr aber als die Sucht nach Neuem und Verblüffendem in der Mode
darf man leider in dieser plötzlichen Aufwallung a lit Holteis Mantellied nicht
suchen. Für die Korps — und damit für ihre zahlreichen bedingungslosen
Nachahmer — wird z. V. der alte studentische Wichs auch fernerhin ver¬
schwunden bleiben, ihr Chargirten- und Paradezeug wird auch in Zukunft erst
recht aus dem öden Frack und langen Hosen bestehn (was freilich immer noch
erträglicher ist, als der aus Frack, weißen beuteligen Hosen und imitirten
Wachslederkanonen bestehende Wichs mancher Vereine, akademischen Ausschüsse
u. s. w.), und andrerseits ist wegen der verregneten und verschoßnen Mütze
einiger angesehnen Korps noch lange keine Rückkehr zu vernünftiger Einfachheit
und sparsamerem Auftreten zu hoffen. Denn wie das Kriegführen, kostet die
„führende" Rolle in der Studentenschaft, wie sie die Korps durch Kleidung,
Droschkenfahren, Reisen in der ersten, mindestens zweiten Eisenbahnklasse,
Hotelwahl, Mittagstisch, Zeittotschlagen im Cass, sogenannte Dedikationen,
Behängung des Leibes mit teuern Schnurrpfeifereien und die gewaltigen Korps-
ausgabeu für Stiftungsfeste, Mensuren und viele andre Dinge aufrecht zu er¬
halten suchen, Geld, Geld und abermals Geld. Manchmal haben schon die
alten Herren hier Halt gebieten wollen; aber was bleibt für die Korps und
ihre Stellung in der Studentenschaft nach heutiger Sachlage übrig, wenn sie
aufhören, die „patentesten" zu sein? So einPfahl ein Alterherrentag vor
Jahren einmal, weil die gestickten Cerevismützen recht teuer sind (je nach Aus¬
führung zwanzig bis fünfunddreißig Mark), die Wiedereinführung der alten
sogenannten Tonnencerevise, die aus einfachen Tuch- oder Sammetstreifen in
den betreffenden Farben bestehn. Die Aktiven schafften sich denn auch brav
alle die biedern Tonnenreifen an, machten eines Tags damit, um sie mehr
humoristisch zu Präsentiren, eine solenne Auffahrt und leisteten sich im übrigen
daneben erst recht gestickte Cerevise. So waren sie wieder einmal „forsch nach
außen" aufgetreten.
Hie und da mag ja das eine oder das andre wirklich unter dem Druck
der alten Herren, auch in weniger unwesentlichen Dingen, vernünftiger
geworden sein; auch sind ja natürlich die Korps unter einander, je nach Rich¬
tung oder Universität, äußerst verschieden. Wir wollen hierauf nicht näher
migehn, schon weil die Namen einzelner Korps genannt werden müßten, sondern
mir erwähnen, daß sich, wenigstens vor einer Anzahl von Jahren noch, die
Korps einiger einfacheren Universitäten über die Pntentmeierei gewisser Bonner
und Heidelberger weidlich lustig zu macheu pflegten. Im allgemeinen läßt sich
die rollende Lawine eben doch nicht aufhalten und greift stets weiter um sich.
Mit einem Worte, das Korpsleben ist im Durchschnitt heute ungesund teuer,
zum Schaden nicht nur der einzelnen Mitglieder, sondern auch der Korps
Grenzboten III 1892 " 69
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