Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge Gedankengang neuerdings so leidig oft vernähme, wo von dem "Znkunfts- Auf die beiden wichtigsten und innersten Absichten des Korpswesens: Aufklärungen über studentische Dinge Gedankengang neuerdings so leidig oft vernähme, wo von dem „Znkunfts- Auf die beiden wichtigsten und innersten Absichten des Korpswesens: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213027"/> <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1824" prev="#ID_1823"> Gedankengang neuerdings so leidig oft vernähme, wo von dem „Znkunfts-<lb/> abrichten" des Sohnes, der ans die Universität zieht, die Rede ist. Wir unsrer¬<lb/> seits sind weit entfernt davon, zu behaupten, daß das Verhalten der alten in<lb/> Amt und Einfluß befindlichen Korpsiers diesen hoffnungsvollen Vätern oder<lb/> Söhnen ohne weiteres Recht gebe. Sicherlich wird man ja bei sonst gleicher<lb/> Sachlage dasselbe lieber einen: Korpsbrüder als einem. Gleichgiltigen gönnen;<lb/> und da immer noch in manchen Behörden die alten Korpsstudenten eine be¬<lb/> sondre Rolle spielen, ist diese Erscheinung durchaus nicht ohne Bedeutung<lb/> und manchmal auch ein wenig sehr augenfällig, aber es hindert doch sehr<lb/> vieles, sie als bedrohlich oder vielversprechend, je nachdem, aufzufassen. Erstens<lb/> kommt sie fast nur für Juristen in Frage und spielt für die sehr zahlreichen<lb/> Mediziner u. s. w. in den Korps keine oder nur eine sehr geringe Rolle; dann<lb/> giebt doch heutzutage glücklicherweise mehr und mehr, und erst recht, wenn es<lb/> sich um irgendwie wichtigere Posten handelt, die Befähigung den Ausschlag,<lb/> und im übrigen muß man doch eben bemerken, daß infolge hier nicht zu er¬<lb/> örternder Gründe das Korpsstudcutentum in deutlich bemerkbarer Weise aus<lb/> der Besetzung der höhern und wichtigern Stellen zurücktritt und andre, ins¬<lb/> besondre die aus der Burschenschaft, aber auch ans andern Korporationen,<lb/> aus Vereinen und aus dem Finkentume hervorgegangne Kräfte Boden ge¬<lb/> winnen läßt. Wenn man also weiß, daß weit über zweihundert Dozenten der<lb/> Hochschulen alte Burschenschafter, oder daß außerordentlich viele württember¬<lb/> gische Staatsbeamte alte Herren der blühenden Tübinger Burschenschaft sind,<lb/> oder daß eine nicht farbentragende Heidelberger Verbindung seit einiger Zeit<lb/> aufs engste mit dem badischen Beamtentum verwachsen ist (wenn auch hier<lb/> mehr durch die Generation der Söhne gleichgestimmter Bäter), oder wie viel<lb/> gegenseitige Hilfe bei Pfarrwahlen u. f. w. in dem NaMeu Wiugolf liegt, so<lb/> könnte auch hier, obwohl sich die Dinge beträchtlich mehr von selber ergeben,<lb/> der Vorwurf des Nepotismus erhoben werden. Und wenn man damit kommen<lb/> Will, daß es überall ein wenig „menschelt," und wir darauf eingehen sollen,<lb/> so gestehen wir, daß uns ein derartiger Zusammenhalt von Studienfreunden<lb/> und Gliedern eines Bundes immer noch sympathischer wäre, als die besonders<lb/> in manchen deutschen Kleinstaaten geübte Familienvetterei, dn bei jenem doch<lb/> immerhin noch ein persönliches Urteil mitspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1825" next="#ID_1826"> Auf die beiden wichtigsten und innersten Absichten des Korpswesens:<lb/> Pflege einer für das Leben geschloßnen brüderlichen Freundschaft und straffe<lb/> Erziehung der zum Eintritt angemeldeten sür das Korps lind für das äußere<lb/> Leben, wird im Publikum verhältnismäßig wenig geachtet. Mehr fällt ihm<lb/> oder fallt vielmehr den Mannesseelen freisinniger Skribenten gelegentlich die<lb/> unbedingte Loyalität der Korps ins Auge. Und doch ist diese eigentlich kein<lb/> bestimmtes Prinzip der Korps, wie diesen überhaupt politische Programm¬<lb/> tendenzen völlig fehlen. Sie hat sich zwar befestigt dnrch den bewußten Gegen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0551]
Aufklärungen über studentische Dinge
Gedankengang neuerdings so leidig oft vernähme, wo von dem „Znkunfts-
abrichten" des Sohnes, der ans die Universität zieht, die Rede ist. Wir unsrer¬
seits sind weit entfernt davon, zu behaupten, daß das Verhalten der alten in
Amt und Einfluß befindlichen Korpsiers diesen hoffnungsvollen Vätern oder
Söhnen ohne weiteres Recht gebe. Sicherlich wird man ja bei sonst gleicher
Sachlage dasselbe lieber einen: Korpsbrüder als einem. Gleichgiltigen gönnen;
und da immer noch in manchen Behörden die alten Korpsstudenten eine be¬
sondre Rolle spielen, ist diese Erscheinung durchaus nicht ohne Bedeutung
und manchmal auch ein wenig sehr augenfällig, aber es hindert doch sehr
vieles, sie als bedrohlich oder vielversprechend, je nachdem, aufzufassen. Erstens
kommt sie fast nur für Juristen in Frage und spielt für die sehr zahlreichen
Mediziner u. s. w. in den Korps keine oder nur eine sehr geringe Rolle; dann
giebt doch heutzutage glücklicherweise mehr und mehr, und erst recht, wenn es
sich um irgendwie wichtigere Posten handelt, die Befähigung den Ausschlag,
und im übrigen muß man doch eben bemerken, daß infolge hier nicht zu er¬
örternder Gründe das Korpsstudcutentum in deutlich bemerkbarer Weise aus
der Besetzung der höhern und wichtigern Stellen zurücktritt und andre, ins¬
besondre die aus der Burschenschaft, aber auch ans andern Korporationen,
aus Vereinen und aus dem Finkentume hervorgegangne Kräfte Boden ge¬
winnen läßt. Wenn man also weiß, daß weit über zweihundert Dozenten der
Hochschulen alte Burschenschafter, oder daß außerordentlich viele württember¬
gische Staatsbeamte alte Herren der blühenden Tübinger Burschenschaft sind,
oder daß eine nicht farbentragende Heidelberger Verbindung seit einiger Zeit
aufs engste mit dem badischen Beamtentum verwachsen ist (wenn auch hier
mehr durch die Generation der Söhne gleichgestimmter Bäter), oder wie viel
gegenseitige Hilfe bei Pfarrwahlen u. f. w. in dem NaMeu Wiugolf liegt, so
könnte auch hier, obwohl sich die Dinge beträchtlich mehr von selber ergeben,
der Vorwurf des Nepotismus erhoben werden. Und wenn man damit kommen
Will, daß es überall ein wenig „menschelt," und wir darauf eingehen sollen,
so gestehen wir, daß uns ein derartiger Zusammenhalt von Studienfreunden
und Gliedern eines Bundes immer noch sympathischer wäre, als die besonders
in manchen deutschen Kleinstaaten geübte Familienvetterei, dn bei jenem doch
immerhin noch ein persönliches Urteil mitspricht.
Auf die beiden wichtigsten und innersten Absichten des Korpswesens:
Pflege einer für das Leben geschloßnen brüderlichen Freundschaft und straffe
Erziehung der zum Eintritt angemeldeten sür das Korps lind für das äußere
Leben, wird im Publikum verhältnismäßig wenig geachtet. Mehr fällt ihm
oder fallt vielmehr den Mannesseelen freisinniger Skribenten gelegentlich die
unbedingte Loyalität der Korps ins Auge. Und doch ist diese eigentlich kein
bestimmtes Prinzip der Korps, wie diesen überhaupt politische Programm¬
tendenzen völlig fehlen. Sie hat sich zwar befestigt dnrch den bewußten Gegen-
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