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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Aufklärungen über studentische Dinge

durch die unausrottbare Frage, in welchem Korps er dein? eigentlich sei, auf¬
gebracht, bis er endlich im sechsten oder siebenten Semester abgehärtet genug
geworden ist, ohne viel Sperenzen fühllos zu antworten: Bei den Ger¬
manen in A oder den Teutonen in ?), und das Schicksal über diese zum
Himmel schreiende Unaufrichtigkeit seinen Gang gehen läßt. Wir glauben
auch nicht allzu boshaft zu sein, wenn wir noch nebenbei bemerken, daß manchen
Mitgliedern farbentragender Verbindungen, auch von Landsmannschaften und
selbst einigen Burschenschafter, diese ungezierte Antwort auf die Frage nach
ihrem "Korps" gar nicht einmal so sehr schwer fällt. Kurz und gut, für
das breitere Publikum besteht um einmal die Gleichung von Korps und
Verbindung, und darin liegt manche ganz richtige Erkenntnis, erstens, daß die
Korps das Verbindungswesen am entschiedensten und logischsten darstellen,
theoretisch wie praktisch, zweitens, daß alle andern Verbindungsarten, von
ihren ganz besondern Eigentlimlichkeiteu und Zielen abgesehen, in ihren äußer¬
lichen Eigenschaften doch eben nur Nachahmer und Schüler der Korps oder
wenigstens von deren direkten Vorgängern, den alten Landsmannschaften, sind,
und drittens, daß auch die Burschenschaft, wie wir schou betont haben, seit
lange in erster Linie Verbindung ist.

Im übrigen hat das Publikum auch über die Korps manche abenteuer¬
liche oder wenigstens stark übertriebne Vorstellung. Für die Harmlosen füllt
sich das Bild der Korps mit Fechten, Trinken oder vielmehr Saufen, Geckerei,
Geldverschlcnderu und mehr oder minder nutzlosen nächtlichem und täglichem
Unfug aus. Manche strebsamen Väter sind freilich wiederum der Meinung,
daß trotz alledem der Eintritt in ein Korps immer noch die beste Zukunsts-
versorgung für das Söhnchen sei, eine Erwägung, die, so viel Flachheit
und Kümmerlichkeit das auch voraussetzt, unbedingt weiter um sich ge¬
griffen hat seit dem berühmten Besuche des Kaisers bei den Vouuer Preußen,
einem unpolitischen Ereignis, das wir vom Standpunkte des Kaisers als
"alten Herrn" aus, der gerade sich und sich allein ein einmaliges schönes und
glänzendes Znrücktauchen in die studentische Herrlichkeit nicht versagen mochte,
vollkommen verstehen und mitbegreifen, das aber als eine ganz beispiellose
Auszeichnung eines bestimmten kleinen Kreises von ganz jungen und völlig
verdienstlosen jungen Leuten sehr verschiedenartige oder, um aufrichtig zu sein,
einhellig abfällige Erörterung bei den Studirten und nicht zum leisesten bei
zahlreichen, auf Bescheidenheit der Füchse haltenden alten Herren von Korps
gefunden habe,! soll. Jedenfalls aber fand sich -- wie er sonst das Leben
ansah, ist ja nachgerade bei ihm gleichgiltig -- ein Vater, der sein Söhnchen,
wie damals durch einen Teil der Presse ging, bei einer Bonner Burschenschaft
austreten ließ und ihm sagte: Mein Sohn, ich rate dir gut, werde hinfort
Korpsstudent; und also geschah es. Das konnte ja eine besondre Art Lega¬
lität gewesen sein -- wenn man nur nicht just den hier zu Grunde liegenden


Aufklärungen über studentische Dinge

durch die unausrottbare Frage, in welchem Korps er dein? eigentlich sei, auf¬
gebracht, bis er endlich im sechsten oder siebenten Semester abgehärtet genug
geworden ist, ohne viel Sperenzen fühllos zu antworten: Bei den Ger¬
manen in A oder den Teutonen in ?), und das Schicksal über diese zum
Himmel schreiende Unaufrichtigkeit seinen Gang gehen läßt. Wir glauben
auch nicht allzu boshaft zu sein, wenn wir noch nebenbei bemerken, daß manchen
Mitgliedern farbentragender Verbindungen, auch von Landsmannschaften und
selbst einigen Burschenschafter, diese ungezierte Antwort auf die Frage nach
ihrem „Korps" gar nicht einmal so sehr schwer fällt. Kurz und gut, für
das breitere Publikum besteht um einmal die Gleichung von Korps und
Verbindung, und darin liegt manche ganz richtige Erkenntnis, erstens, daß die
Korps das Verbindungswesen am entschiedensten und logischsten darstellen,
theoretisch wie praktisch, zweitens, daß alle andern Verbindungsarten, von
ihren ganz besondern Eigentlimlichkeiteu und Zielen abgesehen, in ihren äußer¬
lichen Eigenschaften doch eben nur Nachahmer und Schüler der Korps oder
wenigstens von deren direkten Vorgängern, den alten Landsmannschaften, sind,
und drittens, daß auch die Burschenschaft, wie wir schou betont haben, seit
lange in erster Linie Verbindung ist.

Im übrigen hat das Publikum auch über die Korps manche abenteuer¬
liche oder wenigstens stark übertriebne Vorstellung. Für die Harmlosen füllt
sich das Bild der Korps mit Fechten, Trinken oder vielmehr Saufen, Geckerei,
Geldverschlcnderu und mehr oder minder nutzlosen nächtlichem und täglichem
Unfug aus. Manche strebsamen Väter sind freilich wiederum der Meinung,
daß trotz alledem der Eintritt in ein Korps immer noch die beste Zukunsts-
versorgung für das Söhnchen sei, eine Erwägung, die, so viel Flachheit
und Kümmerlichkeit das auch voraussetzt, unbedingt weiter um sich ge¬
griffen hat seit dem berühmten Besuche des Kaisers bei den Vouuer Preußen,
einem unpolitischen Ereignis, das wir vom Standpunkte des Kaisers als
„alten Herrn" aus, der gerade sich und sich allein ein einmaliges schönes und
glänzendes Znrücktauchen in die studentische Herrlichkeit nicht versagen mochte,
vollkommen verstehen und mitbegreifen, das aber als eine ganz beispiellose
Auszeichnung eines bestimmten kleinen Kreises von ganz jungen und völlig
verdienstlosen jungen Leuten sehr verschiedenartige oder, um aufrichtig zu sein,
einhellig abfällige Erörterung bei den Studirten und nicht zum leisesten bei
zahlreichen, auf Bescheidenheit der Füchse haltenden alten Herren von Korps
gefunden habe,! soll. Jedenfalls aber fand sich — wie er sonst das Leben
ansah, ist ja nachgerade bei ihm gleichgiltig — ein Vater, der sein Söhnchen,
wie damals durch einen Teil der Presse ging, bei einer Bonner Burschenschaft
austreten ließ und ihm sagte: Mein Sohn, ich rate dir gut, werde hinfort
Korpsstudent; und also geschah es. Das konnte ja eine besondre Art Lega¬
lität gewesen sein — wenn man nur nicht just den hier zu Grunde liegenden


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[0550] Aufklärungen über studentische Dinge durch die unausrottbare Frage, in welchem Korps er dein? eigentlich sei, auf¬ gebracht, bis er endlich im sechsten oder siebenten Semester abgehärtet genug geworden ist, ohne viel Sperenzen fühllos zu antworten: Bei den Ger¬ manen in A oder den Teutonen in ?), und das Schicksal über diese zum Himmel schreiende Unaufrichtigkeit seinen Gang gehen läßt. Wir glauben auch nicht allzu boshaft zu sein, wenn wir noch nebenbei bemerken, daß manchen Mitgliedern farbentragender Verbindungen, auch von Landsmannschaften und selbst einigen Burschenschafter, diese ungezierte Antwort auf die Frage nach ihrem „Korps" gar nicht einmal so sehr schwer fällt. Kurz und gut, für das breitere Publikum besteht um einmal die Gleichung von Korps und Verbindung, und darin liegt manche ganz richtige Erkenntnis, erstens, daß die Korps das Verbindungswesen am entschiedensten und logischsten darstellen, theoretisch wie praktisch, zweitens, daß alle andern Verbindungsarten, von ihren ganz besondern Eigentlimlichkeiteu und Zielen abgesehen, in ihren äußer¬ lichen Eigenschaften doch eben nur Nachahmer und Schüler der Korps oder wenigstens von deren direkten Vorgängern, den alten Landsmannschaften, sind, und drittens, daß auch die Burschenschaft, wie wir schou betont haben, seit lange in erster Linie Verbindung ist. Im übrigen hat das Publikum auch über die Korps manche abenteuer¬ liche oder wenigstens stark übertriebne Vorstellung. Für die Harmlosen füllt sich das Bild der Korps mit Fechten, Trinken oder vielmehr Saufen, Geckerei, Geldverschlcnderu und mehr oder minder nutzlosen nächtlichem und täglichem Unfug aus. Manche strebsamen Väter sind freilich wiederum der Meinung, daß trotz alledem der Eintritt in ein Korps immer noch die beste Zukunsts- versorgung für das Söhnchen sei, eine Erwägung, die, so viel Flachheit und Kümmerlichkeit das auch voraussetzt, unbedingt weiter um sich ge¬ griffen hat seit dem berühmten Besuche des Kaisers bei den Vouuer Preußen, einem unpolitischen Ereignis, das wir vom Standpunkte des Kaisers als „alten Herrn" aus, der gerade sich und sich allein ein einmaliges schönes und glänzendes Znrücktauchen in die studentische Herrlichkeit nicht versagen mochte, vollkommen verstehen und mitbegreifen, das aber als eine ganz beispiellose Auszeichnung eines bestimmten kleinen Kreises von ganz jungen und völlig verdienstlosen jungen Leuten sehr verschiedenartige oder, um aufrichtig zu sein, einhellig abfällige Erörterung bei den Studirten und nicht zum leisesten bei zahlreichen, auf Bescheidenheit der Füchse haltenden alten Herren von Korps gefunden habe,! soll. Jedenfalls aber fand sich — wie er sonst das Leben ansah, ist ja nachgerade bei ihm gleichgiltig — ein Vater, der sein Söhnchen, wie damals durch einen Teil der Presse ging, bei einer Bonner Burschenschaft austreten ließ und ihm sagte: Mein Sohn, ich rate dir gut, werde hinfort Korpsstudent; und also geschah es. Das konnte ja eine besondre Art Lega¬ lität gewesen sein — wenn man nur nicht just den hier zu Grunde liegenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/550>, abgerufen am 06.01.2025.