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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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J> G. Fichtes geschlossener l^andelsswat

Versuchen der Unterdrückung nicht frei wären, es verdiene, unterdrückt zu
werden.

Soll also die neue staatliche Ordnung eingeführt werden, so geht das
nicht ohne gleichzeitige Einführung des neuen Geldes und Einziehung des
alten. Wenn nun auch Fichte der Meinung ist, daß dieser Akt durch einige
künstliche Vorkehrungen erleichert werden könne, wie unsre heutigen Sozial-
demokraten neben den eigentlichen Programmzielen auch Verbesserungen des
staatlichen Zustandes innerhalb der bestehenden Gesellschaftsform haben, so ist
er doch der Ansicht, daß der Akt der Einführung selbst entscheidendere Schritte
verlange, und deshalb will er, daß vor der Ausführung mit dem Volke gar
nicht vorher beratschlagt und sie nicht angekündigt werden soll. Es würden
dadurch nur Zweifel, Bedenken und Mißtrauen erregt, die am schicklichsten
durch die sichtbar guten Erfolge gehoben würden. Die eigentliche Einführung
sei ein Schlag. Es bedürfe hierbei keiner Strenge, keines Verbotes, keines
Strafgesetzes, sondern nnr einer sehr leichten Vorkehrung, "durch welche in
einem Augenblick alles Silber und Gold dem Publikum zu jedem andern
Zwecke außer zum Einwechseln des neuen Landesgeldes durchaus unbrauchbar,
das neue Landesgeld dagegen ihm zum Leben durchaus unentbehrlich werde."
Es gehört freilich zu der Möglichkeit solcher "leichten Vorkehrung" derselbe
Glaube, den die heutigen sozialdemokratischen Führer haben, wenn sie uns die
Versicherung geben, daß die neue Organisation der Gesellschaft ganz friedlich
von statten gehen könne; es komme nur auf deu guten Willen der verstockten
Bourgeois an, ob der Vorgang friedlich geschehen solle oder mit Gewalt.

Auch was mit dem bisherigen Metallgelde werden soll, weiß Fichte ganz
genau. Die Negierung bedarf es für die Zwecke außerhalb des Landes. Mit
Hilfe dieses Geldes treibt sie den ganzen Aktiv- und Passivhandel mit dem
Auslande, wenigstens für den Anfang ihres Bestehens und des neuen Staates.
Nach und nach wird ja dieser Staat so vollkommen, daß er alles Gute und
Schöne aus sich selbst produzirt; je länger je mehr nimmt darum auch der
Handel mit dem Ausland überhaupt ab. Aber im Anfange des Vernuuft-
staates "ruß der Nation noch ihr Anteil an allem Guten und Schönen aus
dem Auslande zugeeignet werden. Dazu dient jetzt noch das Weltgeld. Sind
einmal auch die andern Staaten geschlossene Handelsstaaten geworden, dann
ist der Handel überhaupt uur noch Warentausch. Aber so lange sie das noch
nicht sind, zahlt oder zieht die Negierung im Verkehr mit dem Ausländer
Weltgeld. So ist sie gegen das Ausland eine bedeutende Geldmacht, wenig¬
stens so lange, als andre Staaten noch mit Gold und Silber wirtschaften;
sie muß die Gelegenheit benutzen, um vom Auslande nicht nur so viel zu
kaufen, als sie nur immer brauchen kann, sondern auch um große Köpfe in
praktischen Wissenschaften, Chemiker, Physiker, Mechaniker, Künstler und
Fabrikanten herbeizuziehen, die die Inländer unterrichten. Diese werden mit


J> G. Fichtes geschlossener l^andelsswat

Versuchen der Unterdrückung nicht frei wären, es verdiene, unterdrückt zu
werden.

Soll also die neue staatliche Ordnung eingeführt werden, so geht das
nicht ohne gleichzeitige Einführung des neuen Geldes und Einziehung des
alten. Wenn nun auch Fichte der Meinung ist, daß dieser Akt durch einige
künstliche Vorkehrungen erleichert werden könne, wie unsre heutigen Sozial-
demokraten neben den eigentlichen Programmzielen auch Verbesserungen des
staatlichen Zustandes innerhalb der bestehenden Gesellschaftsform haben, so ist
er doch der Ansicht, daß der Akt der Einführung selbst entscheidendere Schritte
verlange, und deshalb will er, daß vor der Ausführung mit dem Volke gar
nicht vorher beratschlagt und sie nicht angekündigt werden soll. Es würden
dadurch nur Zweifel, Bedenken und Mißtrauen erregt, die am schicklichsten
durch die sichtbar guten Erfolge gehoben würden. Die eigentliche Einführung
sei ein Schlag. Es bedürfe hierbei keiner Strenge, keines Verbotes, keines
Strafgesetzes, sondern nnr einer sehr leichten Vorkehrung, „durch welche in
einem Augenblick alles Silber und Gold dem Publikum zu jedem andern
Zwecke außer zum Einwechseln des neuen Landesgeldes durchaus unbrauchbar,
das neue Landesgeld dagegen ihm zum Leben durchaus unentbehrlich werde."
Es gehört freilich zu der Möglichkeit solcher „leichten Vorkehrung" derselbe
Glaube, den die heutigen sozialdemokratischen Führer haben, wenn sie uns die
Versicherung geben, daß die neue Organisation der Gesellschaft ganz friedlich
von statten gehen könne; es komme nur auf deu guten Willen der verstockten
Bourgeois an, ob der Vorgang friedlich geschehen solle oder mit Gewalt.

Auch was mit dem bisherigen Metallgelde werden soll, weiß Fichte ganz
genau. Die Negierung bedarf es für die Zwecke außerhalb des Landes. Mit
Hilfe dieses Geldes treibt sie den ganzen Aktiv- und Passivhandel mit dem
Auslande, wenigstens für den Anfang ihres Bestehens und des neuen Staates.
Nach und nach wird ja dieser Staat so vollkommen, daß er alles Gute und
Schöne aus sich selbst produzirt; je länger je mehr nimmt darum auch der
Handel mit dem Ausland überhaupt ab. Aber im Anfange des Vernuuft-
staates »ruß der Nation noch ihr Anteil an allem Guten und Schönen aus
dem Auslande zugeeignet werden. Dazu dient jetzt noch das Weltgeld. Sind
einmal auch die andern Staaten geschlossene Handelsstaaten geworden, dann
ist der Handel überhaupt uur noch Warentausch. Aber so lange sie das noch
nicht sind, zahlt oder zieht die Negierung im Verkehr mit dem Ausländer
Weltgeld. So ist sie gegen das Ausland eine bedeutende Geldmacht, wenig¬
stens so lange, als andre Staaten noch mit Gold und Silber wirtschaften;
sie muß die Gelegenheit benutzen, um vom Auslande nicht nur so viel zu
kaufen, als sie nur immer brauchen kann, sondern auch um große Köpfe in
praktischen Wissenschaften, Chemiker, Physiker, Mechaniker, Künstler und
Fabrikanten herbeizuziehen, die die Inländer unterrichten. Diese werden mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/547>, abgerufen am 08.01.2025.