Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Anstellung. Ist die Zahl der Bearbeiter in irgend einem Kunstzweige voll, so Anstellung. Ist die Zahl der Bearbeiter in irgend einem Kunstzweige voll, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212995"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1743" prev="#ID_1742" next="#ID_1744"> Anstellung. Ist die Zahl der Bearbeiter in irgend einem Kunstzweige voll, so<lb/> wird die Berechtigung nicht erteilt, es werden vielmehr dem, der sich meldet,<lb/> andre Kunstzweige zugewiesen, wo man seiner Kraft bedarf. Was mit ihm<lb/> werden soll, wenn er sich weigert, in diese andern Zweige zu treten, das sagt<lb/> Fichte nicht ausdrücklich. Da er sich aber anderwärts, z. B. in seiner schon<lb/> erwähnten Schrift, dahin ausspricht, daß alle Zueignung auf Arbeit beruhe,<lb/> und daß der, der nicht arbeitet, rechtlich gar nichts besitze, so würde er ohne<lb/> Zweifel die Folgerung eintretenden Falls gezogen haben, daß, wer die ange¬<lb/> wiesene Arbeit nicht thun wolle, auch keinen Anspruch auf den Preis der Arbeit<lb/> habe. Der Hunger würde sich hier als Regulator erweisen müsse» und am<lb/> Ende auch erweisen. Aber Fichte selbst spricht das nicht aus. Er glaubt<lb/> Vielmehr, daß diesem Zustande durch mildere Mittel zuvorgekommen werden<lb/> könne. Nämlich wie die Zahl der Künstler nicht vermehrt werden darf, so<lb/> darf sie auch uicht vermindert werden. Findet das nun aber doch einmal in<lb/> irgend einem Fache statt, so glaubt Fichte damit auszukommen, daß Prämien<lb/> aus der Staatskasse so lange gegeben werden sollen, bis sich die erforderliche<lb/> Anzahl wieder ans diesen Arbeitszweig gelegt hat. Wo dann freilich die Gleich¬<lb/> heit in der Annehmlichkeit des Lebens bleibt, das ist schwer zu sagen. Und<lb/> doch könnte es leicht kommen, wenigstens bei Arbeitszweigen unangenehmer Art.<lb/> daß die Prämien immer fortgezahlt werden müßten, um die erforderliche An¬<lb/> zahl Arbeiter zu bekommen. Also Hunger oder Prämien. Mag aber das eine<lb/> oder das andre den Antrieb in einem Kunstzweige bilden müssen, mit dein Mach¬<lb/> werk, das so entsteht, wird es oft nicht gerade allzuweit her sein. Die Prü¬<lb/> fung durch Kunstverständige, der jeder Arbeiter unterworfen werden soll, der<lb/> einen Arbeitszweig treibe» will, nötigenfalls auch eine zweite Prüfung, die<lb/> Fichte, wenn die erste mißglückt, deshalb verlangt, damit die im Lande mög¬<lb/> lichste Vollkommenheit des Fabrikats erreicht werde, wird doch wohl nur bei<lb/> denen diesen Zweck fördern helfen, die einen Arbeitszweig freiwillig treiben<lb/> wollen. Die gezwungen oder durch Prämien bestimmt werden müssen, haben<lb/> kein oder nur wenig Interesse daran, in der Prüfung zu bestehen. Also<lb/> auch auf die Güte der Waren wird nicht zu rechnen sein, selbst vorausgesetzt,<lb/> daß jeder mit der im Lande möglichen Vollkommenheit zufrieden sein wollte,<lb/> wie ers nach Fichte muß. Deal eine Ware haben wollen in der Vollkommen¬<lb/> heit, wie sie sich etwa in einem andern Lande findet, sei ein Widersinn; zu<lb/> fragen: warum soll ich nicht die Ware in der Vollkommenheit jenes Landes<lb/> haben, sei gerade so viel, als wenn der Eichbaum fragen wollte: warum den<lb/> ich nicht ein Palmenbaum? Jeder muß zufrieden sein mit der Sphäre, in die<lb/> ihn die Natur gesetzt hat. Übrigens hat Fichte auch in diesem Punkte einen<lb/> sehr hoffnungsreichen Glauben; er meint, daß. wie der Wohlstand der Nation,<lb/> so die Vollkommenheit der Waren in seinem Staate außerordentlich zunehme»<lb/> werde, u»d zwar durch Verteilung der Arbeitszweige. Denn dadurch, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
Anstellung. Ist die Zahl der Bearbeiter in irgend einem Kunstzweige voll, so
wird die Berechtigung nicht erteilt, es werden vielmehr dem, der sich meldet,
andre Kunstzweige zugewiesen, wo man seiner Kraft bedarf. Was mit ihm
werden soll, wenn er sich weigert, in diese andern Zweige zu treten, das sagt
Fichte nicht ausdrücklich. Da er sich aber anderwärts, z. B. in seiner schon
erwähnten Schrift, dahin ausspricht, daß alle Zueignung auf Arbeit beruhe,
und daß der, der nicht arbeitet, rechtlich gar nichts besitze, so würde er ohne
Zweifel die Folgerung eintretenden Falls gezogen haben, daß, wer die ange¬
wiesene Arbeit nicht thun wolle, auch keinen Anspruch auf den Preis der Arbeit
habe. Der Hunger würde sich hier als Regulator erweisen müsse» und am
Ende auch erweisen. Aber Fichte selbst spricht das nicht aus. Er glaubt
Vielmehr, daß diesem Zustande durch mildere Mittel zuvorgekommen werden
könne. Nämlich wie die Zahl der Künstler nicht vermehrt werden darf, so
darf sie auch uicht vermindert werden. Findet das nun aber doch einmal in
irgend einem Fache statt, so glaubt Fichte damit auszukommen, daß Prämien
aus der Staatskasse so lange gegeben werden sollen, bis sich die erforderliche
Anzahl wieder ans diesen Arbeitszweig gelegt hat. Wo dann freilich die Gleich¬
heit in der Annehmlichkeit des Lebens bleibt, das ist schwer zu sagen. Und
doch könnte es leicht kommen, wenigstens bei Arbeitszweigen unangenehmer Art.
daß die Prämien immer fortgezahlt werden müßten, um die erforderliche An¬
zahl Arbeiter zu bekommen. Also Hunger oder Prämien. Mag aber das eine
oder das andre den Antrieb in einem Kunstzweige bilden müssen, mit dein Mach¬
werk, das so entsteht, wird es oft nicht gerade allzuweit her sein. Die Prü¬
fung durch Kunstverständige, der jeder Arbeiter unterworfen werden soll, der
einen Arbeitszweig treibe» will, nötigenfalls auch eine zweite Prüfung, die
Fichte, wenn die erste mißglückt, deshalb verlangt, damit die im Lande mög¬
lichste Vollkommenheit des Fabrikats erreicht werde, wird doch wohl nur bei
denen diesen Zweck fördern helfen, die einen Arbeitszweig freiwillig treiben
wollen. Die gezwungen oder durch Prämien bestimmt werden müssen, haben
kein oder nur wenig Interesse daran, in der Prüfung zu bestehen. Also
auch auf die Güte der Waren wird nicht zu rechnen sein, selbst vorausgesetzt,
daß jeder mit der im Lande möglichen Vollkommenheit zufrieden sein wollte,
wie ers nach Fichte muß. Deal eine Ware haben wollen in der Vollkommen¬
heit, wie sie sich etwa in einem andern Lande findet, sei ein Widersinn; zu
fragen: warum soll ich nicht die Ware in der Vollkommenheit jenes Landes
haben, sei gerade so viel, als wenn der Eichbaum fragen wollte: warum den
ich nicht ein Palmenbaum? Jeder muß zufrieden sein mit der Sphäre, in die
ihn die Natur gesetzt hat. Übrigens hat Fichte auch in diesem Punkte einen
sehr hoffnungsreichen Glauben; er meint, daß. wie der Wohlstand der Nation,
so die Vollkommenheit der Waren in seinem Staate außerordentlich zunehme»
werde, u»d zwar durch Verteilung der Arbeitszweige. Denn dadurch, daß
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