Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Judenfrage eine ethische Frage thaten beanspruchen, die allein für die Staatsangehörigen bestimmt sind. Er Hand in Hand mit diesen einschneidenden Reformen aber muß noch etwas Soll aber ein solches Gesetz auch wirksam sein, so muß der Börsenoli¬ Die Judenfrage eine ethische Frage thaten beanspruchen, die allein für die Staatsangehörigen bestimmt sind. Er Hand in Hand mit diesen einschneidenden Reformen aber muß noch etwas Soll aber ein solches Gesetz auch wirksam sein, so muß der Börsenoli¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212985"/> <fw type="header" place="top"> Die Judenfrage eine ethische Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1710" prev="#ID_1709"> thaten beanspruchen, die allein für die Staatsangehörigen bestimmt sind. Er<lb/> hört auf, Bürger zu sein und darf expatriirt werden, mit größerm Rechte,<lb/> als dies durch das deutsche Gesetz vom 4. Mai 1874 gegenüber den katho¬<lb/> lischen Geistlichen gestattet und 1888 gegenüber den Sozialisten durch den<lb/> Bundesrat wenigstens beabsichtigt worden war. Hier ist ja aber nicht einmal<lb/> von Expatriiruug, sondern nur von Deportation verurteilter Verbrecher<lb/> die Rede.</p><lb/> <p xml:id="ID_1711"> Hand in Hand mit diesen einschneidenden Reformen aber muß noch etwas<lb/> andres gehn: es muß verhütet werden, daß die kleinen Vermögen durch das<lb/> große Bvrseukapital „mittels organisirter Spielkuppelci," wie Schaffte sagt,<lb/> vernichtet werden. Dem Aktienschwindel und dem faulen Gründungswesen<lb/> muß endlich einmal das Handwerk gelegt werden. Wenn es im Interesse der<lb/> Gesamtheit ist, daß die Börsengeschäfte, die in kurzen Zeiträumen die gewal¬<lb/> tigsten Eigentumsverschiebungen hervorrufen können, auf die Börfenmänner<lb/> und protokvllirten Kaufleute beschränkt bleiben, wenn anerkannt wird, daß es<lb/> gemeinschüdlich ist, wenn kleine Beamte, Handwerker, Köchinnen, Pensionäre,<lb/> Diener u. s. w. ihre sauer ersparten paar Groschen zum Bankier oder Börseu¬<lb/> ngenten tragen und diesem gestatten, damit zu spekuliren, so wage man ja<lb/> nicht, jene Spitzbuben, die dem leichtgläubigen Publikum das Geld aus den<lb/> Taschen locken, mit Phrasen wie „Popularisirung der Spekulation," „Demo-<lb/> krntisirung der Börse" u. a. in. zu verteidigen. Im Gegenteil, man bestehe<lb/> darauf, daß Makler und Agenten nur im Namen von protokollirten Kauf¬<lb/> leuten, die allenfalls von der Sache etwas verstehen, Börsenaufträge annehmen<lb/> und ausführen; alle von andern Personen herrührenden Aufträge müssen als<lb/> null und nichtig angesehn, Geschäfte, die für solche Personen abgeschlossen<lb/> worden sind, aufgehoben und der Kontrahent, der in gutem Glauben gehandelt<lb/> hat, vom Makler entschädigt werden. Es müßte einfach — sit veuig, verbo —<lb/> eine Einschränkung der Börsenfähigkeit beschlossen werden, wie eine Einschrän¬<lb/> kung der Wechselfähigkeit schon seit geraumer Zeit infolge der von den Dorf¬<lb/> wucherern angerichteten Verheerungen von wohlunterrichteter Seite befür¬<lb/> wortet wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1712" next="#ID_1713"> Soll aber ein solches Gesetz auch wirksam sein, so muß der Börsenoli¬<lb/> garchie ihr feiler Bundesgenosse, die Presse, entzogen werden. Die politische<lb/> Tagespresse dürfte entweder gar keine ausführlichen Börsenberichte und Annoncen<lb/> von Speknlationsbanken bringen — dies wäre den Fachzeitungen zu über¬<lb/> lassen —, oder sie müßte auch für ihre Berichte und den dadurch hervor-<lb/> gernfnen Schaden verantwortlich gemacht werden. Es giebt kein natürliches<lb/> Interesse der Gesamtbevölkerung für die Börse, das künstliche Interesse wird<lb/> durch spaltenlange Reklamen und Annoncen, die mit „Beteiligungen" und<lb/> Aktien splendid bezahlt werden, wachgerufen und erhalten. Die Gesamtbevölke-<lb/> rung versteht nichts von den Hunderten vou Werten, die an der Börse ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Die Judenfrage eine ethische Frage
thaten beanspruchen, die allein für die Staatsangehörigen bestimmt sind. Er
hört auf, Bürger zu sein und darf expatriirt werden, mit größerm Rechte,
als dies durch das deutsche Gesetz vom 4. Mai 1874 gegenüber den katho¬
lischen Geistlichen gestattet und 1888 gegenüber den Sozialisten durch den
Bundesrat wenigstens beabsichtigt worden war. Hier ist ja aber nicht einmal
von Expatriiruug, sondern nur von Deportation verurteilter Verbrecher
die Rede.
Hand in Hand mit diesen einschneidenden Reformen aber muß noch etwas
andres gehn: es muß verhütet werden, daß die kleinen Vermögen durch das
große Bvrseukapital „mittels organisirter Spielkuppelci," wie Schaffte sagt,
vernichtet werden. Dem Aktienschwindel und dem faulen Gründungswesen
muß endlich einmal das Handwerk gelegt werden. Wenn es im Interesse der
Gesamtheit ist, daß die Börsengeschäfte, die in kurzen Zeiträumen die gewal¬
tigsten Eigentumsverschiebungen hervorrufen können, auf die Börfenmänner
und protokvllirten Kaufleute beschränkt bleiben, wenn anerkannt wird, daß es
gemeinschüdlich ist, wenn kleine Beamte, Handwerker, Köchinnen, Pensionäre,
Diener u. s. w. ihre sauer ersparten paar Groschen zum Bankier oder Börseu¬
ngenten tragen und diesem gestatten, damit zu spekuliren, so wage man ja
nicht, jene Spitzbuben, die dem leichtgläubigen Publikum das Geld aus den
Taschen locken, mit Phrasen wie „Popularisirung der Spekulation," „Demo-
krntisirung der Börse" u. a. in. zu verteidigen. Im Gegenteil, man bestehe
darauf, daß Makler und Agenten nur im Namen von protokollirten Kauf¬
leuten, die allenfalls von der Sache etwas verstehen, Börsenaufträge annehmen
und ausführen; alle von andern Personen herrührenden Aufträge müssen als
null und nichtig angesehn, Geschäfte, die für solche Personen abgeschlossen
worden sind, aufgehoben und der Kontrahent, der in gutem Glauben gehandelt
hat, vom Makler entschädigt werden. Es müßte einfach — sit veuig, verbo —
eine Einschränkung der Börsenfähigkeit beschlossen werden, wie eine Einschrän¬
kung der Wechselfähigkeit schon seit geraumer Zeit infolge der von den Dorf¬
wucherern angerichteten Verheerungen von wohlunterrichteter Seite befür¬
wortet wird.
Soll aber ein solches Gesetz auch wirksam sein, so muß der Börsenoli¬
garchie ihr feiler Bundesgenosse, die Presse, entzogen werden. Die politische
Tagespresse dürfte entweder gar keine ausführlichen Börsenberichte und Annoncen
von Speknlationsbanken bringen — dies wäre den Fachzeitungen zu über¬
lassen —, oder sie müßte auch für ihre Berichte und den dadurch hervor-
gernfnen Schaden verantwortlich gemacht werden. Es giebt kein natürliches
Interesse der Gesamtbevölkerung für die Börse, das künstliche Interesse wird
durch spaltenlange Reklamen und Annoncen, die mit „Beteiligungen" und
Aktien splendid bezahlt werden, wachgerufen und erhalten. Die Gesamtbevölke-
rung versteht nichts von den Hunderten vou Werten, die an der Börse ge-
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