Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Judenfrage eine ethische Frage nicht nur nicht verwerfen und verleumden, sondern sich selbst daran beteiligen, Doch man wird einwenden: das ist ein weiter Weg, nud bis Religion Deshalb erachte ich eine Revision des bürgerlichen, des Handels- und Ich halte es z. B. für notwendig, jede Übervorteilung beim Viehkauf, bei Die Judenfrage eine ethische Frage nicht nur nicht verwerfen und verleumden, sondern sich selbst daran beteiligen, Doch man wird einwenden: das ist ein weiter Weg, nud bis Religion Deshalb erachte ich eine Revision des bürgerlichen, des Handels- und Ich halte es z. B. für notwendig, jede Übervorteilung beim Viehkauf, bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212983"/> <fw type="header" place="top"> Die Judenfrage eine ethische Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1703" prev="#ID_1702"> nicht nur nicht verwerfen und verleumden, sondern sich selbst daran beteiligen,<lb/> so wird darin der beste Beweis ihres Patriotismus liegen, sie werden durch<lb/> die That beweisen, daß sie keine Kosmopoliten sind, keine geheime Inter¬<lb/> nationale bilden, sondern daß ihnen an dem Wohle des Staats und an ihren<lb/> christlichen Mitbürgern mehr liegt, als an ihren unehrlichen Glaubensgenossen.<lb/> Aber dies ist nur möglich, wenn die Juden ihren flachen, selbstsüchtigen Ma¬<lb/> terialismus aufgeben und sich nicht durch hohle Worte oder Phrasen, sondern<lb/> durch Handlungen zur Religion bekennen, wenn nicht zur jüdischen Religion,<lb/> die sie selbst am stärksten im geheimen bespötteln, so doch mindestens zum<lb/> Deismus. Ist dies einmal geschehn, dann wird Erziehung und thatsächliche<lb/> Gleichberechtigung die sittlichen Grundlagen der als wahr erkannten Religion<lb/> befestigen, und List und Schlauheit werden der Hingebung und Treue Platz<lb/> machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1704"> Doch man wird einwenden: das ist ein weiter Weg, nud bis Religion<lb/> und Erziehung Rasseneigentümlichkeiten und geschichtliche Überlieferungen zu¬<lb/> rückgedrängt und überwunden haben, kann es noch lange währen, und die<lb/> Börsenwirtschaft und das Wucherwesen wird inzwischen immer weitere Kreise<lb/> Mhn, wenn sich die Gesellschaft nicht mit aller Macht dagegen zur Wehr setzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1705"> Deshalb erachte ich eine Revision des bürgerlichen, des Handels- und<lb/> des Strafgesetzbuchs für notwendig, dergestalt, daß Ausbeutung möglichst ver¬<lb/> ändert, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung<lb/> un Verkehr möglichst verwirklicht, jede Übervorteilung strenger als bisher ge¬<lb/> ahndet werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1706" next="#ID_1707"> Ich halte es z. B. für notwendig, jede Übervorteilung beim Viehkauf, bei<lb/> der Viehleihe, beim Grund- und Bodenwucher, beim Viktualien- und Getreide¬<lb/> handel, im Pfandleih- und Nückkanfsgeschüfte, desgleichen die alle Tage vor¬<lb/> kommenden Steuerhinterziehungen unter das allgemeine Strafgesetz zu stellen.<lb/> Eine nähere Ausführung dieses Gedankens werde ich an andrer Stelle zu geben<lb/> Ersuchen. Aber damit halte ich die notwendigen Reformen noch lange nicht<lb/> sur erschöpft. So erscheint mir noch die Beschränkung der allgemeinen Wechsel-<lb/> Fähigkeit, die Einführung eines den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung<lb/> tragenden Anerbenrechtes und obligater, nicht fakultativer Heimstätten, eine<lb/> Organisation des landwirtschaftlichen Kredits im großen Stile mit Stcmts-<lb/> h>lfe ersprießlich, ja für die Gesundung der ländlichen Verhältnisse geradezu<lb/> notwendig. Schon jetzt ist ja, während die Harte der Strafen in den modernen<lb/> Gesetzbüchern im allgemeinen abnimmt, die Richtung unverkennbar, in allen<lb/> Formen der Übervorteilung, vor allen aber des Wuchers, die Strafe zu ver¬<lb/> schärfen. Man vergleiche nur die betreffenden Bestimmungen des preußischen<lb/> Lnndrechts mit 8 263 des Strafgesetzbuchs vom 14. April 1851, für Frankreich<lb/> das Gesetz von 1807 mit der Novelle von 1850, für Österreich das Theresianische<lb/> und Josephinische Gesetz mit dem Wucherpatent von 1803 und alle diese Gesetze</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
Die Judenfrage eine ethische Frage
nicht nur nicht verwerfen und verleumden, sondern sich selbst daran beteiligen,
so wird darin der beste Beweis ihres Patriotismus liegen, sie werden durch
die That beweisen, daß sie keine Kosmopoliten sind, keine geheime Inter¬
nationale bilden, sondern daß ihnen an dem Wohle des Staats und an ihren
christlichen Mitbürgern mehr liegt, als an ihren unehrlichen Glaubensgenossen.
Aber dies ist nur möglich, wenn die Juden ihren flachen, selbstsüchtigen Ma¬
terialismus aufgeben und sich nicht durch hohle Worte oder Phrasen, sondern
durch Handlungen zur Religion bekennen, wenn nicht zur jüdischen Religion,
die sie selbst am stärksten im geheimen bespötteln, so doch mindestens zum
Deismus. Ist dies einmal geschehn, dann wird Erziehung und thatsächliche
Gleichberechtigung die sittlichen Grundlagen der als wahr erkannten Religion
befestigen, und List und Schlauheit werden der Hingebung und Treue Platz
machen.
Doch man wird einwenden: das ist ein weiter Weg, nud bis Religion
und Erziehung Rasseneigentümlichkeiten und geschichtliche Überlieferungen zu¬
rückgedrängt und überwunden haben, kann es noch lange währen, und die
Börsenwirtschaft und das Wucherwesen wird inzwischen immer weitere Kreise
Mhn, wenn sich die Gesellschaft nicht mit aller Macht dagegen zur Wehr setzt.
Deshalb erachte ich eine Revision des bürgerlichen, des Handels- und
des Strafgesetzbuchs für notwendig, dergestalt, daß Ausbeutung möglichst ver¬
ändert, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung
un Verkehr möglichst verwirklicht, jede Übervorteilung strenger als bisher ge¬
ahndet werde.
Ich halte es z. B. für notwendig, jede Übervorteilung beim Viehkauf, bei
der Viehleihe, beim Grund- und Bodenwucher, beim Viktualien- und Getreide¬
handel, im Pfandleih- und Nückkanfsgeschüfte, desgleichen die alle Tage vor¬
kommenden Steuerhinterziehungen unter das allgemeine Strafgesetz zu stellen.
Eine nähere Ausführung dieses Gedankens werde ich an andrer Stelle zu geben
Ersuchen. Aber damit halte ich die notwendigen Reformen noch lange nicht
sur erschöpft. So erscheint mir noch die Beschränkung der allgemeinen Wechsel-
Fähigkeit, die Einführung eines den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung
tragenden Anerbenrechtes und obligater, nicht fakultativer Heimstätten, eine
Organisation des landwirtschaftlichen Kredits im großen Stile mit Stcmts-
h>lfe ersprießlich, ja für die Gesundung der ländlichen Verhältnisse geradezu
notwendig. Schon jetzt ist ja, während die Harte der Strafen in den modernen
Gesetzbüchern im allgemeinen abnimmt, die Richtung unverkennbar, in allen
Formen der Übervorteilung, vor allen aber des Wuchers, die Strafe zu ver¬
schärfen. Man vergleiche nur die betreffenden Bestimmungen des preußischen
Lnndrechts mit 8 263 des Strafgesetzbuchs vom 14. April 1851, für Frankreich
das Gesetz von 1807 mit der Novelle von 1850, für Österreich das Theresianische
und Josephinische Gesetz mit dem Wucherpatent von 1803 und alle diese Gesetze
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