Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Zudenfrage eine ethische Frage kommen braucht. Nur muß dieser Prozeß rascher als bisher vor sich gehn, Die jüdische Empfindlichkeit, die sich überall sofort zeigt, wenn irgendwo Doch damit wäre erst eine Verständigung angebahnt, aber die Judenfrage Wenn die Juden so den Kampf gegen die Korruption und Ausbeutung Die Zudenfrage eine ethische Frage kommen braucht. Nur muß dieser Prozeß rascher als bisher vor sich gehn, Die jüdische Empfindlichkeit, die sich überall sofort zeigt, wenn irgendwo Doch damit wäre erst eine Verständigung angebahnt, aber die Judenfrage Wenn die Juden so den Kampf gegen die Korruption und Ausbeutung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212982"/> <fw type="header" place="top"> Die Zudenfrage eine ethische Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1699" prev="#ID_1698"> kommen braucht. Nur muß dieser Prozeß rascher als bisher vor sich gehn,<lb/> wenn dem Antisemitismus mit Erfolg begegnet werden soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1700"> Die jüdische Empfindlichkeit, die sich überall sofort zeigt, wenn irgendwo<lb/> über jüdische Schwindler geschimpft wird, muß unbedingt aufhören, mau muß<lb/> die Ansicht aufgeben, daß es Ehrenpflicht jedes Juden sei, seine Glaubens¬<lb/> genossen den Christen gegenüber zu verteidigen, auch wenn sie Schurken sind.<lb/> Während dem Juden gestattet wird, über christliche Mörder oder Diebe zu<lb/> schimpfen, wird in der jüdischen Presse sofort Lurn geschlagen, wenn einem<lb/> jüdischen Bankier oder Gewehrfabrikanten Schwindel vorgeworfen wird. Zeigt<lb/> sich dann, daß der Mann wirklich schuldig war, so wenden die Juden wohl<lb/> ein, daß man nicht verallgemeinern dürfe, daß jeder Schluß aus dem Einzel¬<lb/> fall auf das allgemeine unlogisch und übereilt sei, und darin haben sie ja<lb/> natürlich Recht. Aber sie stören selbst diesen Jdeengang, indem sie von vorn¬<lb/> herein für den Glaubensgenossen eintreten, anstatt den Beschuldigten einfach den<lb/> Gerichten zu überlassen, mit andern Worten, indem sie jede Privatsache zu<lb/> eiuer öffentlichen Angelegenheit aufbauschen, sowie einer der Beteiligten ein<lb/> Jude war. Wenn ein Christ beleidigt wird, so ist das natürlich seine Sache;<lb/> wird aber einem Juden ein Haar gekrümmt, so stößt die gesamte jüdische<lb/> Presse einen Schrei der Entrüstung aus. Diese Empfindlichkeit verhindert zu¬<lb/> gleich jede sachliche Erörterung und macht jede Verständigung unmöglich.<lb/> Einen krassen Beweis von dieser Empfindlichkeit liefert die Wucherfrage. Als<lb/> im Jahre 1887 der Verein für Sozialpolitik, der die hervorragendsten und<lb/> tüchtigsten Nationalökonomen der Gegenwart zu seinen Mitgliedern zählt und<lb/> über den Vorwurf des Antisemitismus gewiß erhaben ist, auf Grund eines im<lb/> Jahre 1886 ausgesandten Fragebogens einen Sammelband über den Wucher<lb/> auf dem Lande veröffentlichte, worin eine Reihe der haarsträubendsten Einzel¬<lb/> heiten mitgeteilt wurde, hatte die jüdische Presse nichts eiligeres zu thun, als<lb/> die Ergebnisse dieser Forschungen anzuzweifeln, ja geradezu zu leugnen, daß<lb/> es überhaupt Wucher auf dem Lande gebe. Es hätte nur noch die Behaup¬<lb/> tung gefehlt, daß die Dvrfjuden in Wahrheit die Wohlthäter und Freunde der<lb/> Bauern seien, und daß sich die Bauern gar keine Änderung ihrer Lage wünschten.<lb/> Ja selbst diese Behauptung wurde von einem jungen Adepten der Staats¬<lb/> wissenschaften, wenn auch in verblümter Form, vorgebracht. Dieses beharrliche<lb/> Leugnen muß unbedingt endlich aufgegeben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1701"> Doch damit wäre erst eine Verständigung angebahnt, aber die Judenfrage<lb/> noch lange nicht gelöst. Die ehrliche jüdische wie die ehrliche antisemitische<lb/> Presse muß es als ihre Aufgabe betrachten, das gemeinschädliche Treiben der<lb/> Börsenspekulant^,, der Wucherer und des käuflichen Preßbengeltums rück¬<lb/> sichtslos ans Licht zu ziehn und, wenn auch mit Ausschluß persönlicher<lb/> Denunziationen, an den Pranger zu stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1702" next="#ID_1703"> Wenn die Juden so den Kampf gegen die Korruption und Ausbeutung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
Die Zudenfrage eine ethische Frage
kommen braucht. Nur muß dieser Prozeß rascher als bisher vor sich gehn,
wenn dem Antisemitismus mit Erfolg begegnet werden soll.
Die jüdische Empfindlichkeit, die sich überall sofort zeigt, wenn irgendwo
über jüdische Schwindler geschimpft wird, muß unbedingt aufhören, mau muß
die Ansicht aufgeben, daß es Ehrenpflicht jedes Juden sei, seine Glaubens¬
genossen den Christen gegenüber zu verteidigen, auch wenn sie Schurken sind.
Während dem Juden gestattet wird, über christliche Mörder oder Diebe zu
schimpfen, wird in der jüdischen Presse sofort Lurn geschlagen, wenn einem
jüdischen Bankier oder Gewehrfabrikanten Schwindel vorgeworfen wird. Zeigt
sich dann, daß der Mann wirklich schuldig war, so wenden die Juden wohl
ein, daß man nicht verallgemeinern dürfe, daß jeder Schluß aus dem Einzel¬
fall auf das allgemeine unlogisch und übereilt sei, und darin haben sie ja
natürlich Recht. Aber sie stören selbst diesen Jdeengang, indem sie von vorn¬
herein für den Glaubensgenossen eintreten, anstatt den Beschuldigten einfach den
Gerichten zu überlassen, mit andern Worten, indem sie jede Privatsache zu
eiuer öffentlichen Angelegenheit aufbauschen, sowie einer der Beteiligten ein
Jude war. Wenn ein Christ beleidigt wird, so ist das natürlich seine Sache;
wird aber einem Juden ein Haar gekrümmt, so stößt die gesamte jüdische
Presse einen Schrei der Entrüstung aus. Diese Empfindlichkeit verhindert zu¬
gleich jede sachliche Erörterung und macht jede Verständigung unmöglich.
Einen krassen Beweis von dieser Empfindlichkeit liefert die Wucherfrage. Als
im Jahre 1887 der Verein für Sozialpolitik, der die hervorragendsten und
tüchtigsten Nationalökonomen der Gegenwart zu seinen Mitgliedern zählt und
über den Vorwurf des Antisemitismus gewiß erhaben ist, auf Grund eines im
Jahre 1886 ausgesandten Fragebogens einen Sammelband über den Wucher
auf dem Lande veröffentlichte, worin eine Reihe der haarsträubendsten Einzel¬
heiten mitgeteilt wurde, hatte die jüdische Presse nichts eiligeres zu thun, als
die Ergebnisse dieser Forschungen anzuzweifeln, ja geradezu zu leugnen, daß
es überhaupt Wucher auf dem Lande gebe. Es hätte nur noch die Behaup¬
tung gefehlt, daß die Dvrfjuden in Wahrheit die Wohlthäter und Freunde der
Bauern seien, und daß sich die Bauern gar keine Änderung ihrer Lage wünschten.
Ja selbst diese Behauptung wurde von einem jungen Adepten der Staats¬
wissenschaften, wenn auch in verblümter Form, vorgebracht. Dieses beharrliche
Leugnen muß unbedingt endlich aufgegeben werden.
Doch damit wäre erst eine Verständigung angebahnt, aber die Judenfrage
noch lange nicht gelöst. Die ehrliche jüdische wie die ehrliche antisemitische
Presse muß es als ihre Aufgabe betrachten, das gemeinschädliche Treiben der
Börsenspekulant^,, der Wucherer und des käuflichen Preßbengeltums rück¬
sichtslos ans Licht zu ziehn und, wenn auch mit Ausschluß persönlicher
Denunziationen, an den Pranger zu stellen.
Wenn die Juden so den Kampf gegen die Korruption und Ausbeutung
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