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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Zur Unfallversicherung der Arbeiter

Bald wird man zusehen müssen, die große Gefährlichkeit einer ältern Maschine
durch eine geeignete Vorrichtung zu verringern, bald wird es sich darum han¬
deln, den schneller arbeitenden, neuern Maschinen durch technische Hilfsmittel
die Sicherheit der ältern Bauart wiederzugeben. In jedem Falle aber bedarf
es des Eingehens auf die verschiednen Arbeitsgebiete, bedarf es der Vor¬
schriften nicht für Maschinen im allgemeinen, sondern sür die Maschinen der
einzelnen Betriebsarten. Nur so wird man erreichen, daß altes, unbrauch¬
bares allmählich durch neues, besseres ersetzt wird, und daß bei allen Neu¬
konstruktionen neben der Ersparnis für die Produktion auch immer die Frage
der Betriebssicherheit gleich von Anfang an berücksichtigt wird.

Es muß von allen Berufsgenossenschaften dahin gestrebt werden, die
Unfallverhütungsvorschriften den verschiednen Gewerk^weigen soweit als nur
irgend möglich anzupassen. Die Unternehmer, die ihren Verpflichtungen nach¬
kommen und sich die Betriebssicherheit in ihren Fabriken angelegen sein lassen,
brauchen nicht zu befürchten, daß sie sich dadurch einer zu weit gehenden poli¬
zeilichen Bevormundung von oben herab aussetzen. Man wird sich bei der
Auswahl der Schutzvorrichtungen und der Anordnungen, die für die Sicher¬
heit des Betriebes erforderlich scheinen, nur an das halten, was man vorsindet
und was sich bereits bewährt hat. Man wird von den Einrichtungen aus¬
gehn, die in den bessern Fabriken derselben Art allgemein gebräuchlich sind,
sich bei Vorkehrungen, die für die Sicherheit wünschenswert scheinen, aber
noch nicht allgemein eingeführt sind, ans eine Empfehlung beschränken und
wesentliche Forderungen nnr an die Unternehmer stellen, die mit ihren ver¬
alteten Fabriken oder infolge sonstiger Mängel im Betriebe fortgesetzt eine
hohe Unfallziffcr aufzuweisen haben und so die Berufsgenossenschaft über Ge¬
bühr belasten. Und selbst hier wird man mit der nötigen Schonung vorgehn.
Man wird einen Unternehmer nicht zwingen, seine alte, vielleicht verschuldete
Fabrik abzureißen und durch eine neue zu ersetzen. Man wird billigerweise
nur das von ihm verlangen, was er bei seinen Mitteln und einigem guten
Willen zu leisten imstande ist. Höchstens daß man einen kleinen Zuschlag
zum Beitrage erheben wird, um für die höher" Unfalllasten wenigstens teil¬
weise eine Entschädigung zu haben.

Natürlich wird man sich nicht damit begnügen können, die Unfall¬
verhütungsvorschriften auf dem Papier zu haben, man wird anch dafür Sorge
tragen müssen, daß sie befolgt werden, und so wird man Beauftragte anzu¬
stellen haben, die die Fabriken einer fortgesetzten Kontrolle unterziehen. Die
Kosten, die solche Ämter verursachen, dürfen die Berufsgenossenschaften nicht
abschrecken, sie machen sich bezahlt, wenn man nur bei der Anstellung der
Beamten die richtige Auswahl trifft. Tüchtige und umsichtige Techniker finden
bei den Berufsgenossenschaften ein weites und dankbares Feld für die Be¬
thätigung ihrer Fähigkeiten, ein Arbeitsfeld, das mit der bloßen Revision der


Zur Unfallversicherung der Arbeiter

Bald wird man zusehen müssen, die große Gefährlichkeit einer ältern Maschine
durch eine geeignete Vorrichtung zu verringern, bald wird es sich darum han¬
deln, den schneller arbeitenden, neuern Maschinen durch technische Hilfsmittel
die Sicherheit der ältern Bauart wiederzugeben. In jedem Falle aber bedarf
es des Eingehens auf die verschiednen Arbeitsgebiete, bedarf es der Vor¬
schriften nicht für Maschinen im allgemeinen, sondern sür die Maschinen der
einzelnen Betriebsarten. Nur so wird man erreichen, daß altes, unbrauch¬
bares allmählich durch neues, besseres ersetzt wird, und daß bei allen Neu¬
konstruktionen neben der Ersparnis für die Produktion auch immer die Frage
der Betriebssicherheit gleich von Anfang an berücksichtigt wird.

Es muß von allen Berufsgenossenschaften dahin gestrebt werden, die
Unfallverhütungsvorschriften den verschiednen Gewerk^weigen soweit als nur
irgend möglich anzupassen. Die Unternehmer, die ihren Verpflichtungen nach¬
kommen und sich die Betriebssicherheit in ihren Fabriken angelegen sein lassen,
brauchen nicht zu befürchten, daß sie sich dadurch einer zu weit gehenden poli¬
zeilichen Bevormundung von oben herab aussetzen. Man wird sich bei der
Auswahl der Schutzvorrichtungen und der Anordnungen, die für die Sicher¬
heit des Betriebes erforderlich scheinen, nur an das halten, was man vorsindet
und was sich bereits bewährt hat. Man wird von den Einrichtungen aus¬
gehn, die in den bessern Fabriken derselben Art allgemein gebräuchlich sind,
sich bei Vorkehrungen, die für die Sicherheit wünschenswert scheinen, aber
noch nicht allgemein eingeführt sind, ans eine Empfehlung beschränken und
wesentliche Forderungen nnr an die Unternehmer stellen, die mit ihren ver¬
alteten Fabriken oder infolge sonstiger Mängel im Betriebe fortgesetzt eine
hohe Unfallziffcr aufzuweisen haben und so die Berufsgenossenschaft über Ge¬
bühr belasten. Und selbst hier wird man mit der nötigen Schonung vorgehn.
Man wird einen Unternehmer nicht zwingen, seine alte, vielleicht verschuldete
Fabrik abzureißen und durch eine neue zu ersetzen. Man wird billigerweise
nur das von ihm verlangen, was er bei seinen Mitteln und einigem guten
Willen zu leisten imstande ist. Höchstens daß man einen kleinen Zuschlag
zum Beitrage erheben wird, um für die höher« Unfalllasten wenigstens teil¬
weise eine Entschädigung zu haben.

Natürlich wird man sich nicht damit begnügen können, die Unfall¬
verhütungsvorschriften auf dem Papier zu haben, man wird anch dafür Sorge
tragen müssen, daß sie befolgt werden, und so wird man Beauftragte anzu¬
stellen haben, die die Fabriken einer fortgesetzten Kontrolle unterziehen. Die
Kosten, die solche Ämter verursachen, dürfen die Berufsgenossenschaften nicht
abschrecken, sie machen sich bezahlt, wenn man nur bei der Anstellung der
Beamten die richtige Auswahl trifft. Tüchtige und umsichtige Techniker finden
bei den Berufsgenossenschaften ein weites und dankbares Feld für die Be¬
thätigung ihrer Fähigkeiten, ein Arbeitsfeld, das mit der bloßen Revision der


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[0500] Zur Unfallversicherung der Arbeiter Bald wird man zusehen müssen, die große Gefährlichkeit einer ältern Maschine durch eine geeignete Vorrichtung zu verringern, bald wird es sich darum han¬ deln, den schneller arbeitenden, neuern Maschinen durch technische Hilfsmittel die Sicherheit der ältern Bauart wiederzugeben. In jedem Falle aber bedarf es des Eingehens auf die verschiednen Arbeitsgebiete, bedarf es der Vor¬ schriften nicht für Maschinen im allgemeinen, sondern sür die Maschinen der einzelnen Betriebsarten. Nur so wird man erreichen, daß altes, unbrauch¬ bares allmählich durch neues, besseres ersetzt wird, und daß bei allen Neu¬ konstruktionen neben der Ersparnis für die Produktion auch immer die Frage der Betriebssicherheit gleich von Anfang an berücksichtigt wird. Es muß von allen Berufsgenossenschaften dahin gestrebt werden, die Unfallverhütungsvorschriften den verschiednen Gewerk^weigen soweit als nur irgend möglich anzupassen. Die Unternehmer, die ihren Verpflichtungen nach¬ kommen und sich die Betriebssicherheit in ihren Fabriken angelegen sein lassen, brauchen nicht zu befürchten, daß sie sich dadurch einer zu weit gehenden poli¬ zeilichen Bevormundung von oben herab aussetzen. Man wird sich bei der Auswahl der Schutzvorrichtungen und der Anordnungen, die für die Sicher¬ heit des Betriebes erforderlich scheinen, nur an das halten, was man vorsindet und was sich bereits bewährt hat. Man wird von den Einrichtungen aus¬ gehn, die in den bessern Fabriken derselben Art allgemein gebräuchlich sind, sich bei Vorkehrungen, die für die Sicherheit wünschenswert scheinen, aber noch nicht allgemein eingeführt sind, ans eine Empfehlung beschränken und wesentliche Forderungen nnr an die Unternehmer stellen, die mit ihren ver¬ alteten Fabriken oder infolge sonstiger Mängel im Betriebe fortgesetzt eine hohe Unfallziffcr aufzuweisen haben und so die Berufsgenossenschaft über Ge¬ bühr belasten. Und selbst hier wird man mit der nötigen Schonung vorgehn. Man wird einen Unternehmer nicht zwingen, seine alte, vielleicht verschuldete Fabrik abzureißen und durch eine neue zu ersetzen. Man wird billigerweise nur das von ihm verlangen, was er bei seinen Mitteln und einigem guten Willen zu leisten imstande ist. Höchstens daß man einen kleinen Zuschlag zum Beitrage erheben wird, um für die höher« Unfalllasten wenigstens teil¬ weise eine Entschädigung zu haben. Natürlich wird man sich nicht damit begnügen können, die Unfall¬ verhütungsvorschriften auf dem Papier zu haben, man wird anch dafür Sorge tragen müssen, daß sie befolgt werden, und so wird man Beauftragte anzu¬ stellen haben, die die Fabriken einer fortgesetzten Kontrolle unterziehen. Die Kosten, die solche Ämter verursachen, dürfen die Berufsgenossenschaften nicht abschrecken, sie machen sich bezahlt, wenn man nur bei der Anstellung der Beamten die richtige Auswahl trifft. Tüchtige und umsichtige Techniker finden bei den Berufsgenossenschaften ein weites und dankbares Feld für die Be¬ thätigung ihrer Fähigkeiten, ein Arbeitsfeld, das mit der bloßen Revision der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/500>, abgerufen am 08.01.2025.