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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Zur Unfallversicherung der Arbeiter

über das hinauszugehen, was das Gesetz ihr vorschreibe; insbesondre habe sie
durch ihre vortrefflichen Unfallverhütnngsvorschriften einen Weg betreten, der
allen zum Heile gereiche, durch Vorschriften, die auch das Interesse des Kaisers
erregt hätten, sodaß er, der Präsident, kürzlich die Ehre gehabt habe, sie
mit einigen andern ähnlichen Vorschriften dem Kaiser zu überreichen." Auch
sonst giebt es noch Berufsgenossenschaften, die hier ersprießliches geleistet
haben, und wie die Unfallverhütung immer allgemeiner als dankbares und
die aufgewandte Mühe reichlich vergeltendes Arbeitsfeld in das Programm der
Verufsgenoffenschaften aufgenommen wird, ergiebt sich dcirans, daß der Ver¬
band der deutschen Berufsgenossenschaften eine eigne Kommission eingesetzt hat
zur Ausarbeitung von Normalunfallverhütungsvorschriften für gleichartige Ge¬
fahren in den verschiednen Berufszweigen.

Dennoch ist die Thatsache nicht hinwegzuleugnen, daß nicht gleichmäßig
gearbeitet worden ist, daß einzelne Berufsgenossenschaften noch gar nichts,
andre bisher nur herzlich wenig gethan haben. Auch unter den ältern 59
gewerblichen Berufsgenossenschaften, deren Bestehen in diesem Herbst größten¬
teils schon sieben Jahre zurückreicht, haben verschiedne noch gar keine Unfall¬
verhütungsvorschriften erlassen. Andre haben wohl Vorschriften, aber solche,
die vielleicht in wenigen Stunden am grünen Tisch, aber nicht nach einem
gründlichen Studium an Ort und Stelle, in den Fabriken und Arbeitssälen
entstanden sind. Mir sind Unfallverhütungsvorschriften bekannt, die nichts
weiter enthalten als ganz allgemeine Bestimmungen, des Inhalts, daß die
Arbeitsräume, Treppen und Flure erleuchtet sein müssen, daß die Fußboden
in einem guten Zustande zu erhalten, die Treppen mit einem Geländer zu
versehen, Kanäle und Wasserläufe zu verdecken sind, Kraftmaschinen in be-
sondern Räumen aufgestellt oder doch eingefriedigt, Triebwerke nach Möglich¬
keit umkleidet, Arbeitsmaschinen, wo es angeht, mit Schutzvorrichtungen ver¬
sehen sein müssen, daß das Reinigen der Maschinell während des Betriebes
verboten ist und dergleichen -- also ganz allgemein gehaltne Vorschriften, die
nicht nur auf jede Gewerbeart der betreffenden Berufsgenossenschaften, sondern
auf die ganze Industrie in gleicher Weise Anwendung finden könnten. Und
doch umfassen diese Berufsgenossenschaften vielleicht eine ganze Anzahl grund-
verschiedner Gewerbegruppen. Hier haben wir Hand-, dort Maschinenarbeit.
An dieser Gruppe finden wir vorzugsweise Maschinen der einen, in jener
einer andern Art. Die Maschinen derselben Gruppe werden alle Ähnlichkeit
mit einander haben, die einen, neuer" Ursprungs, werden aus andern ältern
Maschinen durch allmähliche Verbesserungen entstanden sein. Hier wird durch
eine Schutzvorrichtung die Gefährlichkeit einer ältern Maschine vermindert sein,
dort wird der schnellere Gang, die Vergrößerung der Maschinenteile die Ge¬
fahr gesteigert haben.

Da giebt es auf dem Gebiete der Unfallverhütung unendlich viel zu thun.


Zur Unfallversicherung der Arbeiter

über das hinauszugehen, was das Gesetz ihr vorschreibe; insbesondre habe sie
durch ihre vortrefflichen Unfallverhütnngsvorschriften einen Weg betreten, der
allen zum Heile gereiche, durch Vorschriften, die auch das Interesse des Kaisers
erregt hätten, sodaß er, der Präsident, kürzlich die Ehre gehabt habe, sie
mit einigen andern ähnlichen Vorschriften dem Kaiser zu überreichen." Auch
sonst giebt es noch Berufsgenossenschaften, die hier ersprießliches geleistet
haben, und wie die Unfallverhütung immer allgemeiner als dankbares und
die aufgewandte Mühe reichlich vergeltendes Arbeitsfeld in das Programm der
Verufsgenoffenschaften aufgenommen wird, ergiebt sich dcirans, daß der Ver¬
band der deutschen Berufsgenossenschaften eine eigne Kommission eingesetzt hat
zur Ausarbeitung von Normalunfallverhütungsvorschriften für gleichartige Ge¬
fahren in den verschiednen Berufszweigen.

Dennoch ist die Thatsache nicht hinwegzuleugnen, daß nicht gleichmäßig
gearbeitet worden ist, daß einzelne Berufsgenossenschaften noch gar nichts,
andre bisher nur herzlich wenig gethan haben. Auch unter den ältern 59
gewerblichen Berufsgenossenschaften, deren Bestehen in diesem Herbst größten¬
teils schon sieben Jahre zurückreicht, haben verschiedne noch gar keine Unfall¬
verhütungsvorschriften erlassen. Andre haben wohl Vorschriften, aber solche,
die vielleicht in wenigen Stunden am grünen Tisch, aber nicht nach einem
gründlichen Studium an Ort und Stelle, in den Fabriken und Arbeitssälen
entstanden sind. Mir sind Unfallverhütungsvorschriften bekannt, die nichts
weiter enthalten als ganz allgemeine Bestimmungen, des Inhalts, daß die
Arbeitsräume, Treppen und Flure erleuchtet sein müssen, daß die Fußboden
in einem guten Zustande zu erhalten, die Treppen mit einem Geländer zu
versehen, Kanäle und Wasserläufe zu verdecken sind, Kraftmaschinen in be-
sondern Räumen aufgestellt oder doch eingefriedigt, Triebwerke nach Möglich¬
keit umkleidet, Arbeitsmaschinen, wo es angeht, mit Schutzvorrichtungen ver¬
sehen sein müssen, daß das Reinigen der Maschinell während des Betriebes
verboten ist und dergleichen — also ganz allgemein gehaltne Vorschriften, die
nicht nur auf jede Gewerbeart der betreffenden Berufsgenossenschaften, sondern
auf die ganze Industrie in gleicher Weise Anwendung finden könnten. Und
doch umfassen diese Berufsgenossenschaften vielleicht eine ganze Anzahl grund-
verschiedner Gewerbegruppen. Hier haben wir Hand-, dort Maschinenarbeit.
An dieser Gruppe finden wir vorzugsweise Maschinen der einen, in jener
einer andern Art. Die Maschinen derselben Gruppe werden alle Ähnlichkeit
mit einander haben, die einen, neuer» Ursprungs, werden aus andern ältern
Maschinen durch allmähliche Verbesserungen entstanden sein. Hier wird durch
eine Schutzvorrichtung die Gefährlichkeit einer ältern Maschine vermindert sein,
dort wird der schnellere Gang, die Vergrößerung der Maschinenteile die Ge¬
fahr gesteigert haben.

Da giebt es auf dem Gebiete der Unfallverhütung unendlich viel zu thun.


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[0499] Zur Unfallversicherung der Arbeiter über das hinauszugehen, was das Gesetz ihr vorschreibe; insbesondre habe sie durch ihre vortrefflichen Unfallverhütnngsvorschriften einen Weg betreten, der allen zum Heile gereiche, durch Vorschriften, die auch das Interesse des Kaisers erregt hätten, sodaß er, der Präsident, kürzlich die Ehre gehabt habe, sie mit einigen andern ähnlichen Vorschriften dem Kaiser zu überreichen." Auch sonst giebt es noch Berufsgenossenschaften, die hier ersprießliches geleistet haben, und wie die Unfallverhütung immer allgemeiner als dankbares und die aufgewandte Mühe reichlich vergeltendes Arbeitsfeld in das Programm der Verufsgenoffenschaften aufgenommen wird, ergiebt sich dcirans, daß der Ver¬ band der deutschen Berufsgenossenschaften eine eigne Kommission eingesetzt hat zur Ausarbeitung von Normalunfallverhütungsvorschriften für gleichartige Ge¬ fahren in den verschiednen Berufszweigen. Dennoch ist die Thatsache nicht hinwegzuleugnen, daß nicht gleichmäßig gearbeitet worden ist, daß einzelne Berufsgenossenschaften noch gar nichts, andre bisher nur herzlich wenig gethan haben. Auch unter den ältern 59 gewerblichen Berufsgenossenschaften, deren Bestehen in diesem Herbst größten¬ teils schon sieben Jahre zurückreicht, haben verschiedne noch gar keine Unfall¬ verhütungsvorschriften erlassen. Andre haben wohl Vorschriften, aber solche, die vielleicht in wenigen Stunden am grünen Tisch, aber nicht nach einem gründlichen Studium an Ort und Stelle, in den Fabriken und Arbeitssälen entstanden sind. Mir sind Unfallverhütungsvorschriften bekannt, die nichts weiter enthalten als ganz allgemeine Bestimmungen, des Inhalts, daß die Arbeitsräume, Treppen und Flure erleuchtet sein müssen, daß die Fußboden in einem guten Zustande zu erhalten, die Treppen mit einem Geländer zu versehen, Kanäle und Wasserläufe zu verdecken sind, Kraftmaschinen in be- sondern Räumen aufgestellt oder doch eingefriedigt, Triebwerke nach Möglich¬ keit umkleidet, Arbeitsmaschinen, wo es angeht, mit Schutzvorrichtungen ver¬ sehen sein müssen, daß das Reinigen der Maschinell während des Betriebes verboten ist und dergleichen — also ganz allgemein gehaltne Vorschriften, die nicht nur auf jede Gewerbeart der betreffenden Berufsgenossenschaften, sondern auf die ganze Industrie in gleicher Weise Anwendung finden könnten. Und doch umfassen diese Berufsgenossenschaften vielleicht eine ganze Anzahl grund- verschiedner Gewerbegruppen. Hier haben wir Hand-, dort Maschinenarbeit. An dieser Gruppe finden wir vorzugsweise Maschinen der einen, in jener einer andern Art. Die Maschinen derselben Gruppe werden alle Ähnlichkeit mit einander haben, die einen, neuer» Ursprungs, werden aus andern ältern Maschinen durch allmähliche Verbesserungen entstanden sein. Hier wird durch eine Schutzvorrichtung die Gefährlichkeit einer ältern Maschine vermindert sein, dort wird der schnellere Gang, die Vergrößerung der Maschinenteile die Ge¬ fahr gesteigert haben. Da giebt es auf dem Gebiete der Unfallverhütung unendlich viel zu thun.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/499>, abgerufen am 08.01.2025.