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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lrnst von Bärbel

sein aufrichtiger Freund gewesen zu sein. Er gehörte eben zu jeuer Klasse
von Menschen, die keinem andern etwas verdanken wollen, am wenigsten einem
von denen, die von aller Welt angestaunt und vergöttert werden. Mit Ver¬
achtung spricht er von dem "Schlendrian der Künstlerbilduug durch Künstler."
Er glaubte schon fertig zu sein, als er kaum angefangen hatte.

Jedenfalls kann bei einer solchen Sinnesart von regelmüßigem künst¬
lerischem Fortschritt nicht die Rede sein. Ein Künstler, der so hochmütig jeden
Einfluß von sich abweist, so ängstlich über die reine Erhaltung seiner Eigen¬
art wacht, wird in seiner Entwicklung nur dann keinen Schaden leiden, wenn
er selbst von vornherein genial angelegt ist. Das eigentliche Genie fehlte aber
Bärbel gänzlich. Es war zwar ganz richtig, wenn er einem Tadel gegen die
egoistische Art und Weise, wie König Ludwig die von ihm beschäftigten Künstler
ausnutzte, die Worte hinzufügte: "Das Schaffen in der Kunst verträgt eben
keinen hemmenden Zwang, nur der Freie erstrebt Hohes. Welcher große
Künstler war Schüler eines Meisters? Alle, die sich hohen Ruhm erwarben
im Reiche der Kunst, sind entweder ganz selbständig vorgeschritten oder haben
sich früh von fremden Einflüssen freigemacht. Wo Gott keinen Genius ge¬
schenkt hat, kann keiner eingeschult werden. Weder die Erziehung von Kunst-
jüngern durch Kunstschulen, noch die durch einzelne Meister hat Wert, wenn
nicht die freie Entfaltung der dem Künstler innewohnenden Kräfte gewahrt
bleibt." Sein Fehler war nur der, daß er diesen Satz auf sich anwendete,
d. h. sich stillschweigend für ein Genie hielt.

Ein weiterer Charakterzug Bärtels war sein ausgesprochner Patriotismus.
Schon bei Gelegenheit der Okkupation Ansbachs durch die Franzosen war
dieser geweckt worden. Als der französische Feldzug nach Rußland mißglückte,
steinigte der zwölfjährige Knabe zum Entsetzen seiner Eltern auf offner Straße
eine Gipsbüste Napoleons. Die Begeisterung der Freiheitskriege that das
ihrige, solche Gefühle in dein Knaben, der zu feinem Kummer noch nicht
mitziehen konnte, zu befestigen. Es rollte etwas von dem Blute E. M. Arndts
und des Turnvaters Jahr in seine Adern. Hatte schon der Vater durch seine
Erzählungen das Interesse für die altdeutsche Geschichte erweckt, so brachte
den Jüngling dann ein wiederholter Aufenthalt in Nürnberg mit deutscher
Art und Kunst in Berührung. Bildhauer wie Peter Bischer und Adam Kraft
tauchten in seinem Gesichtskreis auf. Als dann sein Deukmalplan an die
Öffentlichkeit trat, zählte er Germanisten wie Maßmann und Wackernagel zu
seinen Freunden. Er begriff nicht, wie der Dichter Platen, mit dem er von
Jugend auf befreundet war, in Italien den Deutsche" so sehr verleugnen und
ganz in italienischem Wesen aufgehen konnte. Er selbst hat auch in dem
lockenden Süden sein Bolkstniu niemals vergessen. Auf den Trümmern des
^orniu liomÄirum und unter der Kuppel der Peterskirche weilte er mit
seinen Gedanken "in unsern germanischen Hainen, in denen der Allmächtige


Lrnst von Bärbel

sein aufrichtiger Freund gewesen zu sein. Er gehörte eben zu jeuer Klasse
von Menschen, die keinem andern etwas verdanken wollen, am wenigsten einem
von denen, die von aller Welt angestaunt und vergöttert werden. Mit Ver¬
achtung spricht er von dem „Schlendrian der Künstlerbilduug durch Künstler."
Er glaubte schon fertig zu sein, als er kaum angefangen hatte.

Jedenfalls kann bei einer solchen Sinnesart von regelmüßigem künst¬
lerischem Fortschritt nicht die Rede sein. Ein Künstler, der so hochmütig jeden
Einfluß von sich abweist, so ängstlich über die reine Erhaltung seiner Eigen¬
art wacht, wird in seiner Entwicklung nur dann keinen Schaden leiden, wenn
er selbst von vornherein genial angelegt ist. Das eigentliche Genie fehlte aber
Bärbel gänzlich. Es war zwar ganz richtig, wenn er einem Tadel gegen die
egoistische Art und Weise, wie König Ludwig die von ihm beschäftigten Künstler
ausnutzte, die Worte hinzufügte: „Das Schaffen in der Kunst verträgt eben
keinen hemmenden Zwang, nur der Freie erstrebt Hohes. Welcher große
Künstler war Schüler eines Meisters? Alle, die sich hohen Ruhm erwarben
im Reiche der Kunst, sind entweder ganz selbständig vorgeschritten oder haben
sich früh von fremden Einflüssen freigemacht. Wo Gott keinen Genius ge¬
schenkt hat, kann keiner eingeschult werden. Weder die Erziehung von Kunst-
jüngern durch Kunstschulen, noch die durch einzelne Meister hat Wert, wenn
nicht die freie Entfaltung der dem Künstler innewohnenden Kräfte gewahrt
bleibt." Sein Fehler war nur der, daß er diesen Satz auf sich anwendete,
d. h. sich stillschweigend für ein Genie hielt.

Ein weiterer Charakterzug Bärtels war sein ausgesprochner Patriotismus.
Schon bei Gelegenheit der Okkupation Ansbachs durch die Franzosen war
dieser geweckt worden. Als der französische Feldzug nach Rußland mißglückte,
steinigte der zwölfjährige Knabe zum Entsetzen seiner Eltern auf offner Straße
eine Gipsbüste Napoleons. Die Begeisterung der Freiheitskriege that das
ihrige, solche Gefühle in dein Knaben, der zu feinem Kummer noch nicht
mitziehen konnte, zu befestigen. Es rollte etwas von dem Blute E. M. Arndts
und des Turnvaters Jahr in seine Adern. Hatte schon der Vater durch seine
Erzählungen das Interesse für die altdeutsche Geschichte erweckt, so brachte
den Jüngling dann ein wiederholter Aufenthalt in Nürnberg mit deutscher
Art und Kunst in Berührung. Bildhauer wie Peter Bischer und Adam Kraft
tauchten in seinem Gesichtskreis auf. Als dann sein Deukmalplan an die
Öffentlichkeit trat, zählte er Germanisten wie Maßmann und Wackernagel zu
seinen Freunden. Er begriff nicht, wie der Dichter Platen, mit dem er von
Jugend auf befreundet war, in Italien den Deutsche» so sehr verleugnen und
ganz in italienischem Wesen aufgehen konnte. Er selbst hat auch in dem
lockenden Süden sein Bolkstniu niemals vergessen. Auf den Trümmern des
^orniu liomÄirum und unter der Kuppel der Peterskirche weilte er mit
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/46>, abgerufen am 06.01.2025.