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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lrnst von Bärbel

deutschen Reiches ihr Scherflein bei, und Kaiser und Reich spendeten die letzten
großen Summen. Als aber am 16. August 1875 die Vollendung des Werkes
gefeiert wurde und unter dem Jubel einer tausendköpfigeu Menge Kaiser
Wilhelm der Erste mit dem Künstler um Arme aus der Tribüne erschien, da
war der alte Bärbel ein gebrochner Mann. Sein Auge, das so lange "treu¬
fest" in die Zukunft geschaut hat, versagte ihm beinahe deu Dienst. Noch
ein Jahr und wenige Wochen, und er gehörte nicht mehr zu den Lebenden.

Es ist wohl ohne Beispiel in der Kunstgeschichte und wird auch ohne
Beispiel bleiben, daß ein Werk von solcher Größe, unter solchen Schwierig¬
keiten, ohne Hoffnung auf nußern Gewinn von einem einzelnen in siebennnd-
dreißigjähriger Arbeit zu Ende geführt wird. Dazu gehört eine Zähigkeit des
Willens, ein Idealismus, eine Selbstverleugnung, wie sie nur bei uns Deutschen
vorkommt, und selbst bei uns nur in seltenen Fällen. Diese Energie des Willens
ist offenbar der hervorstechende Chnratterzug Bärtels.

Ein zweiter Charakterzug von ihm ist sein Unabhängigkeitsstreben. Dies
mag zum Teil Familienerbe gewesen sein. Hatte doch sein Vater zu jene"
Richtern gehört, die Friedrich dem Großen in dem Prozeß des Müllers Ar¬
nold Widerstand geleistet hatten. Zum Teil hatte es sich durch die frühe
Erziehung entwickelt. Denn sein Vater hatte ihn absichtlich sich vollkommen
selbständig entwickeln lassen. Freilich war dieses Streben nach Selbständigkeit
für ihn ein zweischneidiges Schwert. Es diente wohl zur frühen Entwicklung
seiner Eigenart, aber es hinderte ihn doch auch an der künstlerische!! Ausbildung
und am Verkehr mit den Menschen. Mit seinem Stiefvater konnte er -- nach
dem frühe" Verlust seines Vaters -- in kein richtiges Verhältnis kommen,
da ihn dieser durchaus vom Küustlerberuf, den er verachtete, abbringen wollte.
Mehr aus Eigensinn als aus inner"! Bedürfnis sprang er von einer Kunst
zur ander" über und verscherzte sich dadurch die Unterstützung seines Königs
und das Zutrauen seiner Lehrer. Durch Mißachtung äußerer Formen und
Nichterfüllung königlicher Wünsche verdarb er es mit König Ludwig, und es
kam zu einem Auftritt zwischeu beiden, der in München sogar das Gerücht
entstehe" ließ, Baudel wäre gegen den König handgreiflich geworden. Während
er von seinen eigentliche" Lehrern, meist unbedeutenden Leuten, mit großer Pietät
spricht, fühlte er sich zu allen bedeutenden Künstlern seiner Zeit in einem
schroffen Gegensatze. Von Leo von Klenze wollte er nichts wissen, Cornelius
Lehrmethode war ihm zuwider, ein Schüler des nazarenischen Bildhauers
Eberhard mochte er nicht werden, das Ansinnen, in Thorwcildsens Atelier zu
treten, wies er mit Entrüstung vou sich. Mit Rauch kam er durch seine ganz
unmotivirte Heftigkeit und Rücksichtslosigkeit in Konflikt, und selbst seinen in¬
timen Freund Schwanthaler, der sich ihm freilich später ziemlich kühl gegen¬
überstellte, nennt er in eine"! Briefe einen "genialen Stümper." Auch
M. Wagner, der künstlerische Berater König Ludwigs, scheint nicht gerade


Lrnst von Bärbel

deutschen Reiches ihr Scherflein bei, und Kaiser und Reich spendeten die letzten
großen Summen. Als aber am 16. August 1875 die Vollendung des Werkes
gefeiert wurde und unter dem Jubel einer tausendköpfigeu Menge Kaiser
Wilhelm der Erste mit dem Künstler um Arme aus der Tribüne erschien, da
war der alte Bärbel ein gebrochner Mann. Sein Auge, das so lange „treu¬
fest" in die Zukunft geschaut hat, versagte ihm beinahe deu Dienst. Noch
ein Jahr und wenige Wochen, und er gehörte nicht mehr zu den Lebenden.

Es ist wohl ohne Beispiel in der Kunstgeschichte und wird auch ohne
Beispiel bleiben, daß ein Werk von solcher Größe, unter solchen Schwierig¬
keiten, ohne Hoffnung auf nußern Gewinn von einem einzelnen in siebennnd-
dreißigjähriger Arbeit zu Ende geführt wird. Dazu gehört eine Zähigkeit des
Willens, ein Idealismus, eine Selbstverleugnung, wie sie nur bei uns Deutschen
vorkommt, und selbst bei uns nur in seltenen Fällen. Diese Energie des Willens
ist offenbar der hervorstechende Chnratterzug Bärtels.

Ein zweiter Charakterzug von ihm ist sein Unabhängigkeitsstreben. Dies
mag zum Teil Familienerbe gewesen sein. Hatte doch sein Vater zu jene»
Richtern gehört, die Friedrich dem Großen in dem Prozeß des Müllers Ar¬
nold Widerstand geleistet hatten. Zum Teil hatte es sich durch die frühe
Erziehung entwickelt. Denn sein Vater hatte ihn absichtlich sich vollkommen
selbständig entwickeln lassen. Freilich war dieses Streben nach Selbständigkeit
für ihn ein zweischneidiges Schwert. Es diente wohl zur frühen Entwicklung
seiner Eigenart, aber es hinderte ihn doch auch an der künstlerische!! Ausbildung
und am Verkehr mit den Menschen. Mit seinem Stiefvater konnte er — nach
dem frühe» Verlust seines Vaters — in kein richtiges Verhältnis kommen,
da ihn dieser durchaus vom Küustlerberuf, den er verachtete, abbringen wollte.
Mehr aus Eigensinn als aus inner»! Bedürfnis sprang er von einer Kunst
zur ander» über und verscherzte sich dadurch die Unterstützung seines Königs
und das Zutrauen seiner Lehrer. Durch Mißachtung äußerer Formen und
Nichterfüllung königlicher Wünsche verdarb er es mit König Ludwig, und es
kam zu einem Auftritt zwischeu beiden, der in München sogar das Gerücht
entstehe» ließ, Baudel wäre gegen den König handgreiflich geworden. Während
er von seinen eigentliche» Lehrern, meist unbedeutenden Leuten, mit großer Pietät
spricht, fühlte er sich zu allen bedeutenden Künstlern seiner Zeit in einem
schroffen Gegensatze. Von Leo von Klenze wollte er nichts wissen, Cornelius
Lehrmethode war ihm zuwider, ein Schüler des nazarenischen Bildhauers
Eberhard mochte er nicht werden, das Ansinnen, in Thorwcildsens Atelier zu
treten, wies er mit Entrüstung vou sich. Mit Rauch kam er durch seine ganz
unmotivirte Heftigkeit und Rücksichtslosigkeit in Konflikt, und selbst seinen in¬
timen Freund Schwanthaler, der sich ihm freilich später ziemlich kühl gegen¬
überstellte, nennt er in eine»! Briefe einen „genialen Stümper." Auch
M. Wagner, der künstlerische Berater König Ludwigs, scheint nicht gerade


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[0045] Lrnst von Bärbel deutschen Reiches ihr Scherflein bei, und Kaiser und Reich spendeten die letzten großen Summen. Als aber am 16. August 1875 die Vollendung des Werkes gefeiert wurde und unter dem Jubel einer tausendköpfigeu Menge Kaiser Wilhelm der Erste mit dem Künstler um Arme aus der Tribüne erschien, da war der alte Bärbel ein gebrochner Mann. Sein Auge, das so lange „treu¬ fest" in die Zukunft geschaut hat, versagte ihm beinahe deu Dienst. Noch ein Jahr und wenige Wochen, und er gehörte nicht mehr zu den Lebenden. Es ist wohl ohne Beispiel in der Kunstgeschichte und wird auch ohne Beispiel bleiben, daß ein Werk von solcher Größe, unter solchen Schwierig¬ keiten, ohne Hoffnung auf nußern Gewinn von einem einzelnen in siebennnd- dreißigjähriger Arbeit zu Ende geführt wird. Dazu gehört eine Zähigkeit des Willens, ein Idealismus, eine Selbstverleugnung, wie sie nur bei uns Deutschen vorkommt, und selbst bei uns nur in seltenen Fällen. Diese Energie des Willens ist offenbar der hervorstechende Chnratterzug Bärtels. Ein zweiter Charakterzug von ihm ist sein Unabhängigkeitsstreben. Dies mag zum Teil Familienerbe gewesen sein. Hatte doch sein Vater zu jene» Richtern gehört, die Friedrich dem Großen in dem Prozeß des Müllers Ar¬ nold Widerstand geleistet hatten. Zum Teil hatte es sich durch die frühe Erziehung entwickelt. Denn sein Vater hatte ihn absichtlich sich vollkommen selbständig entwickeln lassen. Freilich war dieses Streben nach Selbständigkeit für ihn ein zweischneidiges Schwert. Es diente wohl zur frühen Entwicklung seiner Eigenart, aber es hinderte ihn doch auch an der künstlerische!! Ausbildung und am Verkehr mit den Menschen. Mit seinem Stiefvater konnte er — nach dem frühe» Verlust seines Vaters — in kein richtiges Verhältnis kommen, da ihn dieser durchaus vom Küustlerberuf, den er verachtete, abbringen wollte. Mehr aus Eigensinn als aus inner»! Bedürfnis sprang er von einer Kunst zur ander» über und verscherzte sich dadurch die Unterstützung seines Königs und das Zutrauen seiner Lehrer. Durch Mißachtung äußerer Formen und Nichterfüllung königlicher Wünsche verdarb er es mit König Ludwig, und es kam zu einem Auftritt zwischeu beiden, der in München sogar das Gerücht entstehe» ließ, Baudel wäre gegen den König handgreiflich geworden. Während er von seinen eigentliche» Lehrern, meist unbedeutenden Leuten, mit großer Pietät spricht, fühlte er sich zu allen bedeutenden Künstlern seiner Zeit in einem schroffen Gegensatze. Von Leo von Klenze wollte er nichts wissen, Cornelius Lehrmethode war ihm zuwider, ein Schüler des nazarenischen Bildhauers Eberhard mochte er nicht werden, das Ansinnen, in Thorwcildsens Atelier zu treten, wies er mit Entrüstung vou sich. Mit Rauch kam er durch seine ganz unmotivirte Heftigkeit und Rücksichtslosigkeit in Konflikt, und selbst seinen in¬ timen Freund Schwanthaler, der sich ihm freilich später ziemlich kühl gegen¬ überstellte, nennt er in eine»! Briefe einen „genialen Stümper." Auch M. Wagner, der künstlerische Berater König Ludwigs, scheint nicht gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/45>, abgerufen am 06.01.2025.