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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Gewiß war auch dieser in einer schwierigen Lage. Das Projekt Bärtels
war, besonders anfangs, keineswegs tadellos und erfuhr auch von verschiednen
Seiten herbe" Tadel, Aber hier handelte es sich gar nicht darum, das schlecht¬
hin beste zu macheu, was die deutsche Kunst damals hätte zu stände bringen
können -- und ob Schinkel oder Rauch das gekonnt hätten, ist bei der Eigen¬
tümlichkeit gerade dieser Aufgabe sehr zu bezweifeln --, sondern vielmehr darum,
den Plan eines einzelnen Künstlers, der sich die Errichtung dieses Denkmals
zur Lebensaufgabe erkoren hatte, zur Ausführung zu bringen. Dies Recht
der Persönlichkeit, das sich Bärbel wahrlich verdient hatte, hätte man aner¬
kennen sollen.

Aber alle diese SchUüerigkeiten konnten einen Mann wie Bärbel ans die Dauer
nicht abschrecken. Er war von einem wahrhaft rührenden Optimismus beseelt.
Noch in den sechziger Jahren gab es nnßer ihm kaum jemand in Dentschland,
der mit Bestimmtheit an die Vollendung des Werkes geglaubt hätte. Und
doch hatte 1862 dnrch die Gründung des hannoverschen Deukmnlvereius die
Sache einen neuen Aufschwung genommen. Das einzige Gefühl, das man
für deu Künstler übrig hatte, war das des Mitleids, daß er die besten Jahre
seines Lebens einem unausführbaren Ideale widmete.

In der That muß man sagen, daß die Denkmalarbeit für Bärtels künst¬
lerische Entwicklung verhängnisvoll geworden ist. Während er mit äußern
Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hatte und seine Kräfte mit der Leitung
handwerksmäßiger Arbeite" aufzehrte, starb der Künstler in ihn, mehr und
mehr ab. Bon Anregung in künstlerischer Beziehung könne man weder in
Hannover noch in Detmold viel reden. Vergeblich hatte Bärbel früher ver¬
sucht, in München wieder festen Fuß zu fassen, vergeblich zu wiederholten
Malen in Italien neue Anregungen gesucht. Vergeblich bewarb er sich bei
großen architektonischen Konkurrenzen wie dem Hamburger Rathaus, der
Wiener Votivtirche lind der Fassade des Florentiner Domes. Selbst in der
Stadt Hannover hatte er mit seinen Konkurrenzen, z. B. um daS Schillcr-
denkmal, kein Glück. Wir begreife" es, daß er vorübergehend daran dachte,
nach Frankfurt a. M. überzusiedeln, ja daß ihm sogar der Gedanke gekommen
ist, nach Italien oder selbst Amerika auszuwandern. Während er in hoch-
fliegenden Phantasie" davon träumte, dem dentschen Volke el" hochragendes
Wahrzeichen zu errichten, war er genötigt, um des lieben Brotes willen Tauf¬
steine, Grabmäler, Altäre, Gesimse, Sünlenkapitäle und Konsolen in Sandstein
auszumeißelu, er, der es früher verschmäht hatte, Statuen nach den Modellen
andrer auszuführen! Während sich das Werk seines Lebens langsam der
Vollendung näherte, sank seine künstlerische Kraft von Jahr zu Jahr mehr.
Der Künstler in ihm wurde zum Handwerker.

Der siegreiche Krieg vou 1870/71 brachte der Denkmalsangelegenheit de"
letzte" entscheide"den Anstoß. Freudig trug die Jugend des neu erstand"?"


Gewiß war auch dieser in einer schwierigen Lage. Das Projekt Bärtels
war, besonders anfangs, keineswegs tadellos und erfuhr auch von verschiednen
Seiten herbe» Tadel, Aber hier handelte es sich gar nicht darum, das schlecht¬
hin beste zu macheu, was die deutsche Kunst damals hätte zu stände bringen
können — und ob Schinkel oder Rauch das gekonnt hätten, ist bei der Eigen¬
tümlichkeit gerade dieser Aufgabe sehr zu bezweifeln —, sondern vielmehr darum,
den Plan eines einzelnen Künstlers, der sich die Errichtung dieses Denkmals
zur Lebensaufgabe erkoren hatte, zur Ausführung zu bringen. Dies Recht
der Persönlichkeit, das sich Bärbel wahrlich verdient hatte, hätte man aner¬
kennen sollen.

Aber alle diese SchUüerigkeiten konnten einen Mann wie Bärbel ans die Dauer
nicht abschrecken. Er war von einem wahrhaft rührenden Optimismus beseelt.
Noch in den sechziger Jahren gab es nnßer ihm kaum jemand in Dentschland,
der mit Bestimmtheit an die Vollendung des Werkes geglaubt hätte. Und
doch hatte 1862 dnrch die Gründung des hannoverschen Deukmnlvereius die
Sache einen neuen Aufschwung genommen. Das einzige Gefühl, das man
für deu Künstler übrig hatte, war das des Mitleids, daß er die besten Jahre
seines Lebens einem unausführbaren Ideale widmete.

In der That muß man sagen, daß die Denkmalarbeit für Bärtels künst¬
lerische Entwicklung verhängnisvoll geworden ist. Während er mit äußern
Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hatte und seine Kräfte mit der Leitung
handwerksmäßiger Arbeite» aufzehrte, starb der Künstler in ihn, mehr und
mehr ab. Bon Anregung in künstlerischer Beziehung könne man weder in
Hannover noch in Detmold viel reden. Vergeblich hatte Bärbel früher ver¬
sucht, in München wieder festen Fuß zu fassen, vergeblich zu wiederholten
Malen in Italien neue Anregungen gesucht. Vergeblich bewarb er sich bei
großen architektonischen Konkurrenzen wie dem Hamburger Rathaus, der
Wiener Votivtirche lind der Fassade des Florentiner Domes. Selbst in der
Stadt Hannover hatte er mit seinen Konkurrenzen, z. B. um daS Schillcr-
denkmal, kein Glück. Wir begreife» es, daß er vorübergehend daran dachte,
nach Frankfurt a. M. überzusiedeln, ja daß ihm sogar der Gedanke gekommen
ist, nach Italien oder selbst Amerika auszuwandern. Während er in hoch-
fliegenden Phantasie» davon träumte, dem dentschen Volke el» hochragendes
Wahrzeichen zu errichten, war er genötigt, um des lieben Brotes willen Tauf¬
steine, Grabmäler, Altäre, Gesimse, Sünlenkapitäle und Konsolen in Sandstein
auszumeißelu, er, der es früher verschmäht hatte, Statuen nach den Modellen
andrer auszuführen! Während sich das Werk seines Lebens langsam der
Vollendung näherte, sank seine künstlerische Kraft von Jahr zu Jahr mehr.
Der Künstler in ihm wurde zum Handwerker.

Der siegreiche Krieg vou 1870/71 brachte der Denkmalsangelegenheit de»
letzte» entscheide»den Anstoß. Freudig trug die Jugend des neu erstand»?»


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[0044] Gewiß war auch dieser in einer schwierigen Lage. Das Projekt Bärtels war, besonders anfangs, keineswegs tadellos und erfuhr auch von verschiednen Seiten herbe» Tadel, Aber hier handelte es sich gar nicht darum, das schlecht¬ hin beste zu macheu, was die deutsche Kunst damals hätte zu stände bringen können — und ob Schinkel oder Rauch das gekonnt hätten, ist bei der Eigen¬ tümlichkeit gerade dieser Aufgabe sehr zu bezweifeln —, sondern vielmehr darum, den Plan eines einzelnen Künstlers, der sich die Errichtung dieses Denkmals zur Lebensaufgabe erkoren hatte, zur Ausführung zu bringen. Dies Recht der Persönlichkeit, das sich Bärbel wahrlich verdient hatte, hätte man aner¬ kennen sollen. Aber alle diese SchUüerigkeiten konnten einen Mann wie Bärbel ans die Dauer nicht abschrecken. Er war von einem wahrhaft rührenden Optimismus beseelt. Noch in den sechziger Jahren gab es nnßer ihm kaum jemand in Dentschland, der mit Bestimmtheit an die Vollendung des Werkes geglaubt hätte. Und doch hatte 1862 dnrch die Gründung des hannoverschen Deukmnlvereius die Sache einen neuen Aufschwung genommen. Das einzige Gefühl, das man für deu Künstler übrig hatte, war das des Mitleids, daß er die besten Jahre seines Lebens einem unausführbaren Ideale widmete. In der That muß man sagen, daß die Denkmalarbeit für Bärtels künst¬ lerische Entwicklung verhängnisvoll geworden ist. Während er mit äußern Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hatte und seine Kräfte mit der Leitung handwerksmäßiger Arbeite» aufzehrte, starb der Künstler in ihn, mehr und mehr ab. Bon Anregung in künstlerischer Beziehung könne man weder in Hannover noch in Detmold viel reden. Vergeblich hatte Bärbel früher ver¬ sucht, in München wieder festen Fuß zu fassen, vergeblich zu wiederholten Malen in Italien neue Anregungen gesucht. Vergeblich bewarb er sich bei großen architektonischen Konkurrenzen wie dem Hamburger Rathaus, der Wiener Votivtirche lind der Fassade des Florentiner Domes. Selbst in der Stadt Hannover hatte er mit seinen Konkurrenzen, z. B. um daS Schillcr- denkmal, kein Glück. Wir begreife» es, daß er vorübergehend daran dachte, nach Frankfurt a. M. überzusiedeln, ja daß ihm sogar der Gedanke gekommen ist, nach Italien oder selbst Amerika auszuwandern. Während er in hoch- fliegenden Phantasie» davon träumte, dem dentschen Volke el» hochragendes Wahrzeichen zu errichten, war er genötigt, um des lieben Brotes willen Tauf¬ steine, Grabmäler, Altäre, Gesimse, Sünlenkapitäle und Konsolen in Sandstein auszumeißelu, er, der es früher verschmäht hatte, Statuen nach den Modellen andrer auszuführen! Während sich das Werk seines Lebens langsam der Vollendung näherte, sank seine künstlerische Kraft von Jahr zu Jahr mehr. Der Künstler in ihm wurde zum Handwerker. Der siegreiche Krieg vou 1870/71 brachte der Denkmalsangelegenheit de» letzte» entscheide»den Anstoß. Freudig trug die Jugend des neu erstand»?»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/44>, abgerufen am 06.01.2025.