Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker Von den internationalen Kongressen und Festen angezogen gefühlt, die ja mit Ein wichtiger Teil der internationalen Repräsentation ist sicherlich die In frühern Jahrhunderten repräsentirten die ausgezeichneten Geister, die Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker Von den internationalen Kongressen und Festen angezogen gefühlt, die ja mit Ein wichtiger Teil der internationalen Repräsentation ist sicherlich die In frühern Jahrhunderten repräsentirten die ausgezeichneten Geister, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212921"/> <fw type="header" place="top"> Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker</fw><lb/> <p xml:id="ID_1497" prev="#ID_1496"> Von den internationalen Kongressen und Festen angezogen gefühlt, die ja mit<lb/> den Weltausstellungen nahe verwandt sind, und ihr Auftreten bei diesen ver¬<lb/> dient einmal etwas näher betrachtet zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1498"> Ein wichtiger Teil der internationalen Repräsentation ist sicherlich die<lb/> freiwillige Repräsentation durch ganze Gruppen oder Massen, die sich in unsrer<lb/> reiselustigen Zeit immer breiter über die Grenzen aller Länder ergießen. So<lb/> wie das Völkerrecht gegenüber den Massenein- und -auswanderungen hilflos<lb/> dasteht, so sieht die praktische Politik diesen großen Völkerzusammenkünften<lb/> ohne rechtes Verständnis zu. Die Zeitungen bemerken sie wohl, denn der<lb/> Lärm, den sie zu erzeugen pflegen, schlägt ganz in ihr Fach, sie nehmen auch<lb/> als Friedenskongresse, sogar als Schützen- und Turnerfeste u. tgi. politische<lb/> Formen an. Vor allem wirbeln sie viel Staub auf, wenn sie zu sogenannten<lb/> Weltausstellungen anschwellen. Aber von dem Nutzen, den die Völker aus<lb/> ihnen ziehen, und einige mehr als andre, giebt man sich keine genügende<lb/> Rechenschaft. Und doch ist das eine gerade so neue und zu neuem führende<lb/> Einrichtung wie alles andre, was die Völker beweglicher macht, wobei nie<lb/> die politischen Folgen fehlen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1499" next="#ID_1500"> In frühern Jahrhunderten repräsentirten die ausgezeichneten Geister, die<lb/> von den Höhen des Geisteslebens ihres Volks zu Nachbarhöhen wie Adler<lb/> von First zu First und von Firn zu Firn ihre Flüge nahmen. Ein Händel<lb/> in London, ein Winckelmann in Rom, ein Alexander von Humboldt in Paris,<lb/> ein Pallas in Se. Petersburg vertraten Deutschland besser als ganze Depu¬<lb/> tationen von Professoren, die heute auf den internationalen Kongressen als<lb/> freiwillige Repräsentanten zu glänzen suchen. Auch heute fehlt es nicht an<lb/> solchen Sternen, die mit dem eingebornen Lichte ihres Geistes die aus der<lb/> Wanderung durch fremde Sphären erworbne Fülle entlehnten Lichts in wohl¬<lb/> thuend gedämpfter Mischung verbinden. Aber vor sie drängt sich die Masse<lb/> der besonders bei uns reiselustigen Deutschen so zahlreichen geistigen Irrlichter,<lb/> die keinen Kongreß, keine Ausstellung versäumen. Als einzelne zu unbedeutend,<lb/> suchen sie die Wirkung in der Masse. Aber alles Geistige hat die Eigen¬<lb/> tümlichkeit, frei von dem mathematischen Gesetze der Summirung kleiner Größen<lb/> zu bleiben. Aus hundert Mittelmäßigkeiten schlägt uns nie die Flamme des<lb/> Genies entgegen, die einzelnen Fünkchen glimmen um so trüber, je mehr davon<lb/> beisammen sind, und aus dem Bestreben, stärker zu leuchten, entwickelt sich<lb/> nur der übelriechende Dampf des Geltenwollens, der Streberei. Bedeutende<lb/> Menschen sind fast immer wahrer und daher bescheidner als andre, es fehlt<lb/> ihnen in der Atmosphäre versammelter Mittelmäßigkeit die Luft. So kommt<lb/> die wichtige Repräsentation an die Nichtigen und Eilein, sie sind es, die mit<lb/> Vorliebe auf den internationalen Kongressen glänzen, wo nur allzu oft nicht<lb/> die obern, sondern die untern Schichten der Litteratur, der Wissenschaft u. s. w.<lb/> in Berührung treten. Daher die Neigung zum schwindelhafter, die eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker
Von den internationalen Kongressen und Festen angezogen gefühlt, die ja mit
den Weltausstellungen nahe verwandt sind, und ihr Auftreten bei diesen ver¬
dient einmal etwas näher betrachtet zu werden.
Ein wichtiger Teil der internationalen Repräsentation ist sicherlich die
freiwillige Repräsentation durch ganze Gruppen oder Massen, die sich in unsrer
reiselustigen Zeit immer breiter über die Grenzen aller Länder ergießen. So
wie das Völkerrecht gegenüber den Massenein- und -auswanderungen hilflos
dasteht, so sieht die praktische Politik diesen großen Völkerzusammenkünften
ohne rechtes Verständnis zu. Die Zeitungen bemerken sie wohl, denn der
Lärm, den sie zu erzeugen pflegen, schlägt ganz in ihr Fach, sie nehmen auch
als Friedenskongresse, sogar als Schützen- und Turnerfeste u. tgi. politische
Formen an. Vor allem wirbeln sie viel Staub auf, wenn sie zu sogenannten
Weltausstellungen anschwellen. Aber von dem Nutzen, den die Völker aus
ihnen ziehen, und einige mehr als andre, giebt man sich keine genügende
Rechenschaft. Und doch ist das eine gerade so neue und zu neuem führende
Einrichtung wie alles andre, was die Völker beweglicher macht, wobei nie
die politischen Folgen fehlen können.
In frühern Jahrhunderten repräsentirten die ausgezeichneten Geister, die
von den Höhen des Geisteslebens ihres Volks zu Nachbarhöhen wie Adler
von First zu First und von Firn zu Firn ihre Flüge nahmen. Ein Händel
in London, ein Winckelmann in Rom, ein Alexander von Humboldt in Paris,
ein Pallas in Se. Petersburg vertraten Deutschland besser als ganze Depu¬
tationen von Professoren, die heute auf den internationalen Kongressen als
freiwillige Repräsentanten zu glänzen suchen. Auch heute fehlt es nicht an
solchen Sternen, die mit dem eingebornen Lichte ihres Geistes die aus der
Wanderung durch fremde Sphären erworbne Fülle entlehnten Lichts in wohl¬
thuend gedämpfter Mischung verbinden. Aber vor sie drängt sich die Masse
der besonders bei uns reiselustigen Deutschen so zahlreichen geistigen Irrlichter,
die keinen Kongreß, keine Ausstellung versäumen. Als einzelne zu unbedeutend,
suchen sie die Wirkung in der Masse. Aber alles Geistige hat die Eigen¬
tümlichkeit, frei von dem mathematischen Gesetze der Summirung kleiner Größen
zu bleiben. Aus hundert Mittelmäßigkeiten schlägt uns nie die Flamme des
Genies entgegen, die einzelnen Fünkchen glimmen um so trüber, je mehr davon
beisammen sind, und aus dem Bestreben, stärker zu leuchten, entwickelt sich
nur der übelriechende Dampf des Geltenwollens, der Streberei. Bedeutende
Menschen sind fast immer wahrer und daher bescheidner als andre, es fehlt
ihnen in der Atmosphäre versammelter Mittelmäßigkeit die Luft. So kommt
die wichtige Repräsentation an die Nichtigen und Eilein, sie sind es, die mit
Vorliebe auf den internationalen Kongressen glänzen, wo nur allzu oft nicht
die obern, sondern die untern Schichten der Litteratur, der Wissenschaft u. s. w.
in Berührung treten. Daher die Neigung zum schwindelhafter, die eine
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