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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker

zwischen Französelei und Engländerei. Nicht einmal in der Wissenschaft ver¬
traut er seinem bessern Wissen und Können, sondern bewundert mit allen
Hohlköpfen der angelsächsischen Welt Scheingrößen wie Huxley oder Lubbock.
Mit Zornesröte lasen wir neulich in einer populär-wissenschaftlichen Zeitschrift
von dem "großen Naturforscher Huxley," der doch nur ein Phrasenmacher
ohne eigne Gedanken ist. Es wäre viel über die Schwierigkeit zu sagen, mit
der sich Deutschland zwischen diesen beiden Systemen von Repräsentation und
Reklame seine Stelle in der Welt zu erobern hat, Deutschland, dessen Ruhmes¬
titel den andern unbequem, weil übermächtig, oder unverständlich sind, und
das noch lange nicht frei von den Fehlern seiner Vergangenheit, besonders dem
Mangel an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, der Kleinlichkeit und klein¬
lichen Selbstherrlichkeit ist.

Wir meinen, daß sür uns die Frage der Weltausstellung in allererster
Linie aus diesem Zustande heraus zu beurteilen gewesen wäre, und daß
auch alle, die abgeneigt sind, Nepräsentationsfragen blutig ernst zu nehmen,
hier einmal eine Ausnahme hätten machen und fragen sollen, ob der Vorzug
der Repräsentation nur immer den andern allein zufallen solle? Die Antwort
hätte uur lauten können, daß wir begründete Abneigungen zurückdrängen und
die Folgerung unsrer Stellung in der Völkergesellschaft mit kühnem Entschluß
ziehen sollten. Die Weltausstellungen mögen immerhin Märkte voll bunten
Trödels geworden sein, sie haben nun einmal ihre Stelle im internationalen
Verkehr eingenommen, sind im bösen wie im guten ein so treuer Ausdruck
unsrer wirtschaftlich fortschreitenden Zeit mit ihrer gedrängten Konkurrenz,
ihrer Beweglichkeit und Agglomerativnslust geworden, daß wir den Versuch
früher oder später doch unternehmen werden, aus der Sache das zu machen, was
wir können, und was natürlich in manchen Beziehungen etwas andres und,
wir glauben und hoffen es, besseres werden wird und muß, als in England,
Frankreich, Belgien oder Nordamerika. Wir werden dabei unter allen Um¬
stünden in der Richtung lernen, in der unsre Vergangenheit uns zu wenig
Schulung bieten konnte: in der nationalen Repräsentation. Ausdrücklich be¬
tonen wir aber, daß es gerade aus diesem Punkte unmöglich erscheint, die
Frage der Weltausstellung zu einer großen politischen zu erheben. Es handelt
sich bei einer solchen Veranstaltung nicht um das Wesen, sondern um die
Formen des wirtschaftlichen, des geistigen, des persönlichen Verkehrs der Kultur¬
völker und sür uns bei ihrer Besprechung nur um den Versuch, zur richtigen
Schätzung dieser Formen zu gelangen.

In Deutschland haben bisher die großen internationalen Ausstellungen
gefehlt, während kleinere, wie z. B. die Münchner Kunstausstellungen, ohne
Frage mit Erfolg veranstaltet worden sind, nicht bloß mit materiellem, sondern
auch mit dem tieferreichenden geistigen Erfolg einer eindringlichen Belehrung
durch ausgezeichnete Beispiele. Dagegen haben sich unsre Landsleute sehr


Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker

zwischen Französelei und Engländerei. Nicht einmal in der Wissenschaft ver¬
traut er seinem bessern Wissen und Können, sondern bewundert mit allen
Hohlköpfen der angelsächsischen Welt Scheingrößen wie Huxley oder Lubbock.
Mit Zornesröte lasen wir neulich in einer populär-wissenschaftlichen Zeitschrift
von dem „großen Naturforscher Huxley," der doch nur ein Phrasenmacher
ohne eigne Gedanken ist. Es wäre viel über die Schwierigkeit zu sagen, mit
der sich Deutschland zwischen diesen beiden Systemen von Repräsentation und
Reklame seine Stelle in der Welt zu erobern hat, Deutschland, dessen Ruhmes¬
titel den andern unbequem, weil übermächtig, oder unverständlich sind, und
das noch lange nicht frei von den Fehlern seiner Vergangenheit, besonders dem
Mangel an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, der Kleinlichkeit und klein¬
lichen Selbstherrlichkeit ist.

Wir meinen, daß sür uns die Frage der Weltausstellung in allererster
Linie aus diesem Zustande heraus zu beurteilen gewesen wäre, und daß
auch alle, die abgeneigt sind, Nepräsentationsfragen blutig ernst zu nehmen,
hier einmal eine Ausnahme hätten machen und fragen sollen, ob der Vorzug
der Repräsentation nur immer den andern allein zufallen solle? Die Antwort
hätte uur lauten können, daß wir begründete Abneigungen zurückdrängen und
die Folgerung unsrer Stellung in der Völkergesellschaft mit kühnem Entschluß
ziehen sollten. Die Weltausstellungen mögen immerhin Märkte voll bunten
Trödels geworden sein, sie haben nun einmal ihre Stelle im internationalen
Verkehr eingenommen, sind im bösen wie im guten ein so treuer Ausdruck
unsrer wirtschaftlich fortschreitenden Zeit mit ihrer gedrängten Konkurrenz,
ihrer Beweglichkeit und Agglomerativnslust geworden, daß wir den Versuch
früher oder später doch unternehmen werden, aus der Sache das zu machen, was
wir können, und was natürlich in manchen Beziehungen etwas andres und,
wir glauben und hoffen es, besseres werden wird und muß, als in England,
Frankreich, Belgien oder Nordamerika. Wir werden dabei unter allen Um¬
stünden in der Richtung lernen, in der unsre Vergangenheit uns zu wenig
Schulung bieten konnte: in der nationalen Repräsentation. Ausdrücklich be¬
tonen wir aber, daß es gerade aus diesem Punkte unmöglich erscheint, die
Frage der Weltausstellung zu einer großen politischen zu erheben. Es handelt
sich bei einer solchen Veranstaltung nicht um das Wesen, sondern um die
Formen des wirtschaftlichen, des geistigen, des persönlichen Verkehrs der Kultur¬
völker und sür uns bei ihrer Besprechung nur um den Versuch, zur richtigen
Schätzung dieser Formen zu gelangen.

In Deutschland haben bisher die großen internationalen Ausstellungen
gefehlt, während kleinere, wie z. B. die Münchner Kunstausstellungen, ohne
Frage mit Erfolg veranstaltet worden sind, nicht bloß mit materiellem, sondern
auch mit dem tieferreichenden geistigen Erfolg einer eindringlichen Belehrung
durch ausgezeichnete Beispiele. Dagegen haben sich unsre Landsleute sehr


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[0444] Die Repräsentation in der Gesellschaft der Völker zwischen Französelei und Engländerei. Nicht einmal in der Wissenschaft ver¬ traut er seinem bessern Wissen und Können, sondern bewundert mit allen Hohlköpfen der angelsächsischen Welt Scheingrößen wie Huxley oder Lubbock. Mit Zornesröte lasen wir neulich in einer populär-wissenschaftlichen Zeitschrift von dem „großen Naturforscher Huxley," der doch nur ein Phrasenmacher ohne eigne Gedanken ist. Es wäre viel über die Schwierigkeit zu sagen, mit der sich Deutschland zwischen diesen beiden Systemen von Repräsentation und Reklame seine Stelle in der Welt zu erobern hat, Deutschland, dessen Ruhmes¬ titel den andern unbequem, weil übermächtig, oder unverständlich sind, und das noch lange nicht frei von den Fehlern seiner Vergangenheit, besonders dem Mangel an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, der Kleinlichkeit und klein¬ lichen Selbstherrlichkeit ist. Wir meinen, daß sür uns die Frage der Weltausstellung in allererster Linie aus diesem Zustande heraus zu beurteilen gewesen wäre, und daß auch alle, die abgeneigt sind, Nepräsentationsfragen blutig ernst zu nehmen, hier einmal eine Ausnahme hätten machen und fragen sollen, ob der Vorzug der Repräsentation nur immer den andern allein zufallen solle? Die Antwort hätte uur lauten können, daß wir begründete Abneigungen zurückdrängen und die Folgerung unsrer Stellung in der Völkergesellschaft mit kühnem Entschluß ziehen sollten. Die Weltausstellungen mögen immerhin Märkte voll bunten Trödels geworden sein, sie haben nun einmal ihre Stelle im internationalen Verkehr eingenommen, sind im bösen wie im guten ein so treuer Ausdruck unsrer wirtschaftlich fortschreitenden Zeit mit ihrer gedrängten Konkurrenz, ihrer Beweglichkeit und Agglomerativnslust geworden, daß wir den Versuch früher oder später doch unternehmen werden, aus der Sache das zu machen, was wir können, und was natürlich in manchen Beziehungen etwas andres und, wir glauben und hoffen es, besseres werden wird und muß, als in England, Frankreich, Belgien oder Nordamerika. Wir werden dabei unter allen Um¬ stünden in der Richtung lernen, in der unsre Vergangenheit uns zu wenig Schulung bieten konnte: in der nationalen Repräsentation. Ausdrücklich be¬ tonen wir aber, daß es gerade aus diesem Punkte unmöglich erscheint, die Frage der Weltausstellung zu einer großen politischen zu erheben. Es handelt sich bei einer solchen Veranstaltung nicht um das Wesen, sondern um die Formen des wirtschaftlichen, des geistigen, des persönlichen Verkehrs der Kultur¬ völker und sür uns bei ihrer Besprechung nur um den Versuch, zur richtigen Schätzung dieser Formen zu gelangen. In Deutschland haben bisher die großen internationalen Ausstellungen gefehlt, während kleinere, wie z. B. die Münchner Kunstausstellungen, ohne Frage mit Erfolg veranstaltet worden sind, nicht bloß mit materiellem, sondern auch mit dem tieferreichenden geistigen Erfolg einer eindringlichen Belehrung durch ausgezeichnete Beispiele. Dagegen haben sich unsre Landsleute sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/444>, abgerufen am 08.01.2025.