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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lrnst von Bärbel

kommen parallel geht der Geschichte der deutschen Reichsidee. Geplant in den
Jahren, wo noch die Begeisterung der Freiheitskriege nachwirkte, in Angriff
genommen zwischen Juli- und Märzrevolution, wo sich der nationale Gedanke
wieder von neuem zu regen begann, gefördert in den Zeiten vorübergehender
Begeisterung, wo auch die "Wacht am Rhein" entstanden ist, vollständig
stockend während der Reaktion und Vaterlandslosigkeit der fünfziger Jahre,
dann wieder aufgenommen in den sechziger Jahren, wo die Macht des
Schwertes den gordischen Knoten des deutschen Bundes durchhieb, endlich voll¬
endet nach der glücklich vollbrachten Schöpfung des neuen deutschen Reichs --
es giebt wohl kaum ein Kunstwerk, das enger mit der deutschen Geschichte
unsers Jahrhunderts zusammenhinge als dieses. Wie stark die politische
Stimmung auf den Fortgang der Arbeit einwirkte, dafür nur ein Beispiel.
Als Baudel 1852 den damaligen hannoverschen Minister von Malortie um
seinen Beistand bei der Förderung des Denkmalprojekts bitten wollte, ant¬
wortete ihm dieser: "Ich fürchte, der französische Gesandte könnte das als
eine Demonstration ansehen." Das ist bezeichnend sür die Beweggründe, von
denen sich die Minister der damaligen deutschen Kleinstaaten leiten ließen!

Dazu kamen dann die ewigen Reibereien, die Bärbel mit den Hand¬
werksmeistern der Umgegend und dem Detmolder Denkmalverein hatte. Auch
hier scheint der Verfasser, dem die Akten des Vereins vorgelegen haben, die
Verhältnisse richtig zu beurteilen. Er giebt wohl zu, daß Bärbel durch sein
selbstbewußtes Auftreten vieles verdorben, vor allen Dingen dnrch seine Weige¬
rung, einen genauen Kostenanschlag aufzustellen, dem Verein große Schwierig¬
keiten bereitet habe. Aber andrerseits hebt er doch auch hervor, daß der
Verein mehr auf des Künstlers Ideen hätte eingehen müssen. War es doch
Bärbel gewesen, der den Plan gefaßt, das Modell entworfen, den Platz aus¬
gesucht, die Errichtung des Unterbaus geleitet hatte. Mit größter Selbst¬
losigkeit hatte er seine künstlerische Arbeit dem Unternehmen unentgeltlich
gewidmet, seine Laufbahn als Künstler dadurch in Frage gestellt, die Bequem¬
lichkeit seiner Familie, sein Vermögen der guten Sache geopfert. Wie muß
ihm da die Zumutung erschienen sein, einen Entwurf von Schinkel und Rauch,
der von Berlin aus vorgeschoben wurde, anstatt des seinigen zur Ausführung
zu bringen! Wie schmerzlich muß es ihn berührt haben, als man eine freie
Konkurrenz forderte, wo es sich doch um einen Plan handelte, der ganz aus
seinem Kopfe entsprungen war, mit seiner Person stehen und fallen mußte!
Aber der Verein betrachtete ihn als seinen Beauftragten und scheute sich sogar
nicht, sich in technische Fragen einzumischen, indem er z. B. die Partei jenes
Kupferschmiedes in Lemgo nahm, dessen getriebne Arbeiten Bärbel für voll¬
kommen ungenügend erklärt hatte. Können wir es da Bärbel verdenken, daß
er sich alles Hineinreden und Bevvrmundschaften in künstlerischer Beziehung
verbat, ja daß er es schließlich zum Bruch mit dem Verein kommen ließ?


Lrnst von Bärbel

kommen parallel geht der Geschichte der deutschen Reichsidee. Geplant in den
Jahren, wo noch die Begeisterung der Freiheitskriege nachwirkte, in Angriff
genommen zwischen Juli- und Märzrevolution, wo sich der nationale Gedanke
wieder von neuem zu regen begann, gefördert in den Zeiten vorübergehender
Begeisterung, wo auch die „Wacht am Rhein" entstanden ist, vollständig
stockend während der Reaktion und Vaterlandslosigkeit der fünfziger Jahre,
dann wieder aufgenommen in den sechziger Jahren, wo die Macht des
Schwertes den gordischen Knoten des deutschen Bundes durchhieb, endlich voll¬
endet nach der glücklich vollbrachten Schöpfung des neuen deutschen Reichs —
es giebt wohl kaum ein Kunstwerk, das enger mit der deutschen Geschichte
unsers Jahrhunderts zusammenhinge als dieses. Wie stark die politische
Stimmung auf den Fortgang der Arbeit einwirkte, dafür nur ein Beispiel.
Als Baudel 1852 den damaligen hannoverschen Minister von Malortie um
seinen Beistand bei der Förderung des Denkmalprojekts bitten wollte, ant¬
wortete ihm dieser: „Ich fürchte, der französische Gesandte könnte das als
eine Demonstration ansehen." Das ist bezeichnend sür die Beweggründe, von
denen sich die Minister der damaligen deutschen Kleinstaaten leiten ließen!

Dazu kamen dann die ewigen Reibereien, die Bärbel mit den Hand¬
werksmeistern der Umgegend und dem Detmolder Denkmalverein hatte. Auch
hier scheint der Verfasser, dem die Akten des Vereins vorgelegen haben, die
Verhältnisse richtig zu beurteilen. Er giebt wohl zu, daß Bärbel durch sein
selbstbewußtes Auftreten vieles verdorben, vor allen Dingen dnrch seine Weige¬
rung, einen genauen Kostenanschlag aufzustellen, dem Verein große Schwierig¬
keiten bereitet habe. Aber andrerseits hebt er doch auch hervor, daß der
Verein mehr auf des Künstlers Ideen hätte eingehen müssen. War es doch
Bärbel gewesen, der den Plan gefaßt, das Modell entworfen, den Platz aus¬
gesucht, die Errichtung des Unterbaus geleitet hatte. Mit größter Selbst¬
losigkeit hatte er seine künstlerische Arbeit dem Unternehmen unentgeltlich
gewidmet, seine Laufbahn als Künstler dadurch in Frage gestellt, die Bequem¬
lichkeit seiner Familie, sein Vermögen der guten Sache geopfert. Wie muß
ihm da die Zumutung erschienen sein, einen Entwurf von Schinkel und Rauch,
der von Berlin aus vorgeschoben wurde, anstatt des seinigen zur Ausführung
zu bringen! Wie schmerzlich muß es ihn berührt haben, als man eine freie
Konkurrenz forderte, wo es sich doch um einen Plan handelte, der ganz aus
seinem Kopfe entsprungen war, mit seiner Person stehen und fallen mußte!
Aber der Verein betrachtete ihn als seinen Beauftragten und scheute sich sogar
nicht, sich in technische Fragen einzumischen, indem er z. B. die Partei jenes
Kupferschmiedes in Lemgo nahm, dessen getriebne Arbeiten Bärbel für voll¬
kommen ungenügend erklärt hatte. Können wir es da Bärbel verdenken, daß
er sich alles Hineinreden und Bevvrmundschaften in künstlerischer Beziehung
verbat, ja daß er es schließlich zum Bruch mit dem Verein kommen ließ?


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[0043] Lrnst von Bärbel kommen parallel geht der Geschichte der deutschen Reichsidee. Geplant in den Jahren, wo noch die Begeisterung der Freiheitskriege nachwirkte, in Angriff genommen zwischen Juli- und Märzrevolution, wo sich der nationale Gedanke wieder von neuem zu regen begann, gefördert in den Zeiten vorübergehender Begeisterung, wo auch die „Wacht am Rhein" entstanden ist, vollständig stockend während der Reaktion und Vaterlandslosigkeit der fünfziger Jahre, dann wieder aufgenommen in den sechziger Jahren, wo die Macht des Schwertes den gordischen Knoten des deutschen Bundes durchhieb, endlich voll¬ endet nach der glücklich vollbrachten Schöpfung des neuen deutschen Reichs — es giebt wohl kaum ein Kunstwerk, das enger mit der deutschen Geschichte unsers Jahrhunderts zusammenhinge als dieses. Wie stark die politische Stimmung auf den Fortgang der Arbeit einwirkte, dafür nur ein Beispiel. Als Baudel 1852 den damaligen hannoverschen Minister von Malortie um seinen Beistand bei der Förderung des Denkmalprojekts bitten wollte, ant¬ wortete ihm dieser: „Ich fürchte, der französische Gesandte könnte das als eine Demonstration ansehen." Das ist bezeichnend sür die Beweggründe, von denen sich die Minister der damaligen deutschen Kleinstaaten leiten ließen! Dazu kamen dann die ewigen Reibereien, die Bärbel mit den Hand¬ werksmeistern der Umgegend und dem Detmolder Denkmalverein hatte. Auch hier scheint der Verfasser, dem die Akten des Vereins vorgelegen haben, die Verhältnisse richtig zu beurteilen. Er giebt wohl zu, daß Bärbel durch sein selbstbewußtes Auftreten vieles verdorben, vor allen Dingen dnrch seine Weige¬ rung, einen genauen Kostenanschlag aufzustellen, dem Verein große Schwierig¬ keiten bereitet habe. Aber andrerseits hebt er doch auch hervor, daß der Verein mehr auf des Künstlers Ideen hätte eingehen müssen. War es doch Bärbel gewesen, der den Plan gefaßt, das Modell entworfen, den Platz aus¬ gesucht, die Errichtung des Unterbaus geleitet hatte. Mit größter Selbst¬ losigkeit hatte er seine künstlerische Arbeit dem Unternehmen unentgeltlich gewidmet, seine Laufbahn als Künstler dadurch in Frage gestellt, die Bequem¬ lichkeit seiner Familie, sein Vermögen der guten Sache geopfert. Wie muß ihm da die Zumutung erschienen sein, einen Entwurf von Schinkel und Rauch, der von Berlin aus vorgeschoben wurde, anstatt des seinigen zur Ausführung zu bringen! Wie schmerzlich muß es ihn berührt haben, als man eine freie Konkurrenz forderte, wo es sich doch um einen Plan handelte, der ganz aus seinem Kopfe entsprungen war, mit seiner Person stehen und fallen mußte! Aber der Verein betrachtete ihn als seinen Beauftragten und scheute sich sogar nicht, sich in technische Fragen einzumischen, indem er z. B. die Partei jenes Kupferschmiedes in Lemgo nahm, dessen getriebne Arbeiten Bärbel für voll¬ kommen ungenügend erklärt hatte. Können wir es da Bärbel verdenken, daß er sich alles Hineinreden und Bevvrmundschaften in künstlerischer Beziehung verbat, ja daß er es schließlich zum Bruch mit dem Verein kommen ließ?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/43>, abgerufen am 06.01.2025.