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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Nötigung zu regelmäßigem Erscheinen nur darin bestehen kann, daß die Unter¬
weisung selbst nicht zu schwierig, sondern einfach und -- man möchte sagen --
handgreiflich nutzbringend im Rahmen der eignen Lebensführung der un¬
bemittelten Schülerinnen gehalten wird. Doch giebt es neben diesem festesten
Kitt des Schulbesuchs noch andre Bindemittel für die Mädchenschar.

Die Frankfurter Haushaltungsschulen werden von heimischen und aus¬
wärtigen Gästen viel besichtigt, und es wird manche Frage gestellt, um über
Einzelheiten des Unterrichtsbetriebs Auskunft zu erhalten. Eine der häufigsten
lautet: "Was macht ihr mit dem hergestellten Essen?" Diese Frage findet ihre
augenfällige Beantwortung um zwölf Uhr mittags und um neun Uhr abends,
am Schlüsse der Unterrichtsstunden. Die Mädchen essen das von ihnen Zu¬
bereitete selbst; die Kochschülerinneu, jene zehn von den dreißig, die sich gerade
in der Küche befinden, kochen für sich selbst und für die im Bügelrcmm
und Handarbeitssaal beschäftigten Genossinnen. Zwar ist keine gezwungen,
an der Abend- und Mittagsmahlzeit, die täglich mit zehn Pfennigen vergütet
werden muß, teilzunehmen; besondre Umstände, z. V. ein weiter Rückweg,
veranlassen einzelne Schülerinnen, sich mit dem Glockenschlage zwölf und neu"
Uhr nach Hause zu begeben. Doch sind das Ausnahmen gegenüber denen,
die sich nach den Mühen des Unterrichts das unter Anleitung der Kochlehrerin
hergestellte Essen munden lassen, wobei von jedem der kleinen Kochherde die
Kochälteste auch die Tischülteste ist und an einem der Tische die Anstellung
besorgt. Zu deu erwähnten Bindemitteln der Anstalt gehört diese leiblich kräf¬
tigende, gesellig stimmende Mahlzeit sicherlich auch.

Wichtiger ist eine andre Frage, nämlich die: "Was kosten denn solche
Schulen?" aber sie bietet einer allseitig befriedigenden Beantwortung viele
Schwierigkeiten. Der Vorstand des Frankfurter Vereins weiß freilich genau,
was ihn seine Schulen und die Einzelkurse kosten an Miete der Schnllokale,
an Gehalten der Lehrkräfte, an Führung des Schulhaushalts zu Unterrichts¬
zwecken und den andern großen und kleinen Erfordernissen des Schnlbetriebs
und der Vereinsführung. Auch kennt er die Einnahmen an Schulgeld: eine
Mark monatlich für den täglichen Besuch, und an Eßgeld die täglich zu
zahlenden zehn Pfennige. Er hat auch noch eine besondre Mittagsspeisung
eingerichtet, d. h. er läßt Abendschülerinnen, die mittags in ihrer kurzen Ar¬
beitspause von zwölf bis ein Uhr nicht nach Hause gehn können, mit den
Morgenschülerinnen speisen und erhebt dafür zwanzig Pfennige Eßgeld, einen
Betrag, der ihm die Herstellungskosten deckt. Er mag hierbei sogar einen kleinen
Überschuß haben, hat aber andrerseits den großen Fehlbetrag zu decken, den
sonst die beiden Einnahmen aus Schulgeld und Eßgeld gegenüber all den Aus¬
gaben lassen. Er kaun auch, da seine Schülerinnen unbemittelte Mädchen sind,
das Gleichgewicht von Soll und Haben nicht durch eine Erhöhung dieser Ein¬
nahmen herstellen. Die Einnahmen des Schulbetriebes werden eine solche


Nötigung zu regelmäßigem Erscheinen nur darin bestehen kann, daß die Unter¬
weisung selbst nicht zu schwierig, sondern einfach und — man möchte sagen —
handgreiflich nutzbringend im Rahmen der eignen Lebensführung der un¬
bemittelten Schülerinnen gehalten wird. Doch giebt es neben diesem festesten
Kitt des Schulbesuchs noch andre Bindemittel für die Mädchenschar.

Die Frankfurter Haushaltungsschulen werden von heimischen und aus¬
wärtigen Gästen viel besichtigt, und es wird manche Frage gestellt, um über
Einzelheiten des Unterrichtsbetriebs Auskunft zu erhalten. Eine der häufigsten
lautet: „Was macht ihr mit dem hergestellten Essen?" Diese Frage findet ihre
augenfällige Beantwortung um zwölf Uhr mittags und um neun Uhr abends,
am Schlüsse der Unterrichtsstunden. Die Mädchen essen das von ihnen Zu¬
bereitete selbst; die Kochschülerinneu, jene zehn von den dreißig, die sich gerade
in der Küche befinden, kochen für sich selbst und für die im Bügelrcmm
und Handarbeitssaal beschäftigten Genossinnen. Zwar ist keine gezwungen,
an der Abend- und Mittagsmahlzeit, die täglich mit zehn Pfennigen vergütet
werden muß, teilzunehmen; besondre Umstände, z. V. ein weiter Rückweg,
veranlassen einzelne Schülerinnen, sich mit dem Glockenschlage zwölf und neu»
Uhr nach Hause zu begeben. Doch sind das Ausnahmen gegenüber denen,
die sich nach den Mühen des Unterrichts das unter Anleitung der Kochlehrerin
hergestellte Essen munden lassen, wobei von jedem der kleinen Kochherde die
Kochälteste auch die Tischülteste ist und an einem der Tische die Anstellung
besorgt. Zu deu erwähnten Bindemitteln der Anstalt gehört diese leiblich kräf¬
tigende, gesellig stimmende Mahlzeit sicherlich auch.

Wichtiger ist eine andre Frage, nämlich die: „Was kosten denn solche
Schulen?" aber sie bietet einer allseitig befriedigenden Beantwortung viele
Schwierigkeiten. Der Vorstand des Frankfurter Vereins weiß freilich genau,
was ihn seine Schulen und die Einzelkurse kosten an Miete der Schnllokale,
an Gehalten der Lehrkräfte, an Führung des Schulhaushalts zu Unterrichts¬
zwecken und den andern großen und kleinen Erfordernissen des Schnlbetriebs
und der Vereinsführung. Auch kennt er die Einnahmen an Schulgeld: eine
Mark monatlich für den täglichen Besuch, und an Eßgeld die täglich zu
zahlenden zehn Pfennige. Er hat auch noch eine besondre Mittagsspeisung
eingerichtet, d. h. er läßt Abendschülerinnen, die mittags in ihrer kurzen Ar¬
beitspause von zwölf bis ein Uhr nicht nach Hause gehn können, mit den
Morgenschülerinnen speisen und erhebt dafür zwanzig Pfennige Eßgeld, einen
Betrag, der ihm die Herstellungskosten deckt. Er mag hierbei sogar einen kleinen
Überschuß haben, hat aber andrerseits den großen Fehlbetrag zu decken, den
sonst die beiden Einnahmen aus Schulgeld und Eßgeld gegenüber all den Aus¬
gaben lassen. Er kaun auch, da seine Schülerinnen unbemittelte Mädchen sind,
das Gleichgewicht von Soll und Haben nicht durch eine Erhöhung dieser Ein¬
nahmen herstellen. Die Einnahmen des Schulbetriebes werden eine solche


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[0418] Nötigung zu regelmäßigem Erscheinen nur darin bestehen kann, daß die Unter¬ weisung selbst nicht zu schwierig, sondern einfach und — man möchte sagen — handgreiflich nutzbringend im Rahmen der eignen Lebensführung der un¬ bemittelten Schülerinnen gehalten wird. Doch giebt es neben diesem festesten Kitt des Schulbesuchs noch andre Bindemittel für die Mädchenschar. Die Frankfurter Haushaltungsschulen werden von heimischen und aus¬ wärtigen Gästen viel besichtigt, und es wird manche Frage gestellt, um über Einzelheiten des Unterrichtsbetriebs Auskunft zu erhalten. Eine der häufigsten lautet: „Was macht ihr mit dem hergestellten Essen?" Diese Frage findet ihre augenfällige Beantwortung um zwölf Uhr mittags und um neun Uhr abends, am Schlüsse der Unterrichtsstunden. Die Mädchen essen das von ihnen Zu¬ bereitete selbst; die Kochschülerinneu, jene zehn von den dreißig, die sich gerade in der Küche befinden, kochen für sich selbst und für die im Bügelrcmm und Handarbeitssaal beschäftigten Genossinnen. Zwar ist keine gezwungen, an der Abend- und Mittagsmahlzeit, die täglich mit zehn Pfennigen vergütet werden muß, teilzunehmen; besondre Umstände, z. V. ein weiter Rückweg, veranlassen einzelne Schülerinnen, sich mit dem Glockenschlage zwölf und neu» Uhr nach Hause zu begeben. Doch sind das Ausnahmen gegenüber denen, die sich nach den Mühen des Unterrichts das unter Anleitung der Kochlehrerin hergestellte Essen munden lassen, wobei von jedem der kleinen Kochherde die Kochälteste auch die Tischülteste ist und an einem der Tische die Anstellung besorgt. Zu deu erwähnten Bindemitteln der Anstalt gehört diese leiblich kräf¬ tigende, gesellig stimmende Mahlzeit sicherlich auch. Wichtiger ist eine andre Frage, nämlich die: „Was kosten denn solche Schulen?" aber sie bietet einer allseitig befriedigenden Beantwortung viele Schwierigkeiten. Der Vorstand des Frankfurter Vereins weiß freilich genau, was ihn seine Schulen und die Einzelkurse kosten an Miete der Schnllokale, an Gehalten der Lehrkräfte, an Führung des Schulhaushalts zu Unterrichts¬ zwecken und den andern großen und kleinen Erfordernissen des Schnlbetriebs und der Vereinsführung. Auch kennt er die Einnahmen an Schulgeld: eine Mark monatlich für den täglichen Besuch, und an Eßgeld die täglich zu zahlenden zehn Pfennige. Er hat auch noch eine besondre Mittagsspeisung eingerichtet, d. h. er läßt Abendschülerinnen, die mittags in ihrer kurzen Ar¬ beitspause von zwölf bis ein Uhr nicht nach Hause gehn können, mit den Morgenschülerinnen speisen und erhebt dafür zwanzig Pfennige Eßgeld, einen Betrag, der ihm die Herstellungskosten deckt. Er mag hierbei sogar einen kleinen Überschuß haben, hat aber andrerseits den großen Fehlbetrag zu decken, den sonst die beiden Einnahmen aus Schulgeld und Eßgeld gegenüber all den Aus¬ gaben lassen. Er kaun auch, da seine Schülerinnen unbemittelte Mädchen sind, das Gleichgewicht von Soll und Haben nicht durch eine Erhöhung dieser Ein¬ nahmen herstellen. Die Einnahmen des Schulbetriebes werden eine solche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/418>, abgerufen am 08.01.2025.