Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die Handelspolitik unsers Jahrhunderts solchen Falle nichts; wenn wirs sehen, werde" wirs glauben. Würde, was Auch viele nähere Ausführungen jenes Grundgedankens in Bismarcks da¬ Aber, das muß ergänzend beigefügt werden, auch Produzenten sind alle Die Handelspolitik unsers Jahrhunderts solchen Falle nichts; wenn wirs sehen, werde» wirs glauben. Würde, was Auch viele nähere Ausführungen jenes Grundgedankens in Bismarcks da¬ Aber, das muß ergänzend beigefügt werden, auch Produzenten sind alle <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212888"/> <fw type="header" place="top"> Die Handelspolitik unsers Jahrhunderts</fw><lb/> <p xml:id="ID_1372" prev="#ID_1371"> solchen Falle nichts; wenn wirs sehen, werde» wirs glauben. Würde, was<lb/> Owen seinerzeit für England vorgeschlagen hat, das ganze Land in lauter kleine<lb/> Grundstücke zerteilt, die von den Eigentümern mit dein Spaten bearbeitet<lb/> würden, dann vermöchte unser Vaterland vielleicht sogar hundert Millionen<lb/> zu ernähren, und so ist es ja wohl auch in den bevölkertsten Provinzen Chinas;<lb/> aber bei der heutigen Verteilung des Grundbesitzes und bei seiner lediglich<lb/> nach Rentabilitatsrücksichten eingerichteten Bewirtschaftung ist nicht daran zu<lb/> denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1373"> Auch viele nähere Ausführungen jenes Grundgedankens in Bismarcks da¬<lb/> maligen Reden und Briefen sind von bleibendem praktischen Wert. So z. B.<lb/> hatte eine der deutschen Regierungen vom Standpunkte der Konsumenten aus<lb/> Bedenken geäußert gegen Zolle ans Gegenstände des Massenverbrauchs. Bis-<lb/> marck versah das Schriftstück mit folgender Randbemerkung: „Der Vorschlag<lb/> mag Bedenken erregen bei der Konsumtion, aber nur der geheimrätlichen und<lb/> jeder von dessen I^des Produzenten? es scheint etwas ausgefallen zu seinj Ge-<lb/> fallen sorgenfrei existirenden. Auch der aber werden die Subsidien ausgehen,<lb/> wenn sie sich nicht entschließt, die Lage der produzirenden Bevölkerung zu be¬<lb/> rücksichtigen. Ist diese erst verarmt, so ist es auch der Staat. Wer soll denu<lb/> schließlich die Staatslasten tragen? Der Produzent allein? Konsumenten<lb/> sind alle."</p><lb/> <p xml:id="ID_1374" next="#ID_1375"> Aber, das muß ergänzend beigefügt werden, auch Produzenten sind alle<lb/> mit Ausnahme der Rentner, Geldwucherer, Börsenjobber, Spitzbuben und<lb/> andrer Schmarotzer. Damals stellten sich dem Auge des leitenden Staats¬<lb/> manns die Großindustrielle!« und die Großgrundbesitzer als vornehmste Pro¬<lb/> duzenten dar. Die bilden aber doch nur einen kleinen Bruchteil der schaffenden<lb/> Bevölkerung. Diese Auffassung findet ihre Korrektur in dein von Lotz auf¬<lb/> gestellten Ideal, das wir ebenfalls, aber ebenfalls nicht ohne Korrektur gelten<lb/> lassen. Die Schutzzöllner haben, verlegen um eine wissenschaftliche Autorität,<lb/> Friedrich List für sich angerufen. Lotz behauptet nun, daß sie kein Recht dazu<lb/> hätten, weil List den Schutzzoll ganz anders gemeint habe. Er fragt, wie der<lb/> große patriotische Volkswirt wohl sprechen würde, wenn er heute aus dem<lb/> Grabe aufstünde, und läßt ihn eine Rede halten, an deren Schlüsse es heißt:<lb/> „Ihr habt die Idee, die ich euch vor fünfzig Jahren zurief: Deutschlands<lb/> Zukunft sei, em exportirender Industriestaat zu werden, euch noch nicht völlig<lb/> aneignen wollen. Deutschland tastet noch in der Entwicklung zwischen Acker-<lb/> baustant und Industriestaat, gerade wie England nach 1815 noch tastete, und<lb/> mit ähnlichen Kämpfen und Gefahren. Wie wäre es sonst erklärlich, daß nicht<lb/> in erster Linie bisher das jeweilige industrielle Interesse den Ausschlag in<lb/> eurer Handelspolitik gab, sondern daß in den Koalitionen die Grundbesitzer<lb/> des Ostens die Entscheidung bestimmten? Deutschland war freihändlerisch,<lb/> solange die Großgrundbesitzer des Ostens freihändlerisch interessirt waren; es</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Die Handelspolitik unsers Jahrhunderts
solchen Falle nichts; wenn wirs sehen, werde» wirs glauben. Würde, was
Owen seinerzeit für England vorgeschlagen hat, das ganze Land in lauter kleine
Grundstücke zerteilt, die von den Eigentümern mit dein Spaten bearbeitet
würden, dann vermöchte unser Vaterland vielleicht sogar hundert Millionen
zu ernähren, und so ist es ja wohl auch in den bevölkertsten Provinzen Chinas;
aber bei der heutigen Verteilung des Grundbesitzes und bei seiner lediglich
nach Rentabilitatsrücksichten eingerichteten Bewirtschaftung ist nicht daran zu
denken.
Auch viele nähere Ausführungen jenes Grundgedankens in Bismarcks da¬
maligen Reden und Briefen sind von bleibendem praktischen Wert. So z. B.
hatte eine der deutschen Regierungen vom Standpunkte der Konsumenten aus
Bedenken geäußert gegen Zolle ans Gegenstände des Massenverbrauchs. Bis-
marck versah das Schriftstück mit folgender Randbemerkung: „Der Vorschlag
mag Bedenken erregen bei der Konsumtion, aber nur der geheimrätlichen und
jeder von dessen I^des Produzenten? es scheint etwas ausgefallen zu seinj Ge-
fallen sorgenfrei existirenden. Auch der aber werden die Subsidien ausgehen,
wenn sie sich nicht entschließt, die Lage der produzirenden Bevölkerung zu be¬
rücksichtigen. Ist diese erst verarmt, so ist es auch der Staat. Wer soll denu
schließlich die Staatslasten tragen? Der Produzent allein? Konsumenten
sind alle."
Aber, das muß ergänzend beigefügt werden, auch Produzenten sind alle
mit Ausnahme der Rentner, Geldwucherer, Börsenjobber, Spitzbuben und
andrer Schmarotzer. Damals stellten sich dem Auge des leitenden Staats¬
manns die Großindustrielle!« und die Großgrundbesitzer als vornehmste Pro¬
duzenten dar. Die bilden aber doch nur einen kleinen Bruchteil der schaffenden
Bevölkerung. Diese Auffassung findet ihre Korrektur in dein von Lotz auf¬
gestellten Ideal, das wir ebenfalls, aber ebenfalls nicht ohne Korrektur gelten
lassen. Die Schutzzöllner haben, verlegen um eine wissenschaftliche Autorität,
Friedrich List für sich angerufen. Lotz behauptet nun, daß sie kein Recht dazu
hätten, weil List den Schutzzoll ganz anders gemeint habe. Er fragt, wie der
große patriotische Volkswirt wohl sprechen würde, wenn er heute aus dem
Grabe aufstünde, und läßt ihn eine Rede halten, an deren Schlüsse es heißt:
„Ihr habt die Idee, die ich euch vor fünfzig Jahren zurief: Deutschlands
Zukunft sei, em exportirender Industriestaat zu werden, euch noch nicht völlig
aneignen wollen. Deutschland tastet noch in der Entwicklung zwischen Acker-
baustant und Industriestaat, gerade wie England nach 1815 noch tastete, und
mit ähnlichen Kämpfen und Gefahren. Wie wäre es sonst erklärlich, daß nicht
in erster Linie bisher das jeweilige industrielle Interesse den Ausschlag in
eurer Handelspolitik gab, sondern daß in den Koalitionen die Grundbesitzer
des Ostens die Entscheidung bestimmten? Deutschland war freihändlerisch,
solange die Großgrundbesitzer des Ostens freihändlerisch interessirt waren; es
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