Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Lrnst von Bärbel Solche Künstler bedürfen ganz besonders eines liebevollen Biographen. Bärbel war von Natur nicht ohne künstlerische Gaben. Er hat zwar Kurz zuvor war Cornelius vom Kronprinzen Ludwig nach München be¬ Lrnst von Bärbel Solche Künstler bedürfen ganz besonders eines liebevollen Biographen. Bärbel war von Natur nicht ohne künstlerische Gaben. Er hat zwar Kurz zuvor war Cornelius vom Kronprinzen Ludwig nach München be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212516"/> <fw type="header" place="top"> Lrnst von Bärbel</fw><lb/> <p xml:id="ID_80"> Solche Künstler bedürfen ganz besonders eines liebevollen Biographen.<lb/> Ihr äußerer Lebensgang, ihre Briefe, ihr sonstiger schriftlicher Nachlaß gehören<lb/> dazu, um sie ganz zu verstehen. Wir wollen nicht nur wissen, was sie ge¬<lb/> macht haben, sondern auch, was sie gewesen sind. Ihr Leben und ihre Werke<lb/> gehen uicht in einander auf. Einen solchen Biographen hat Baudel in dem<lb/> Verfasser gefunden. Als Hannoveraner, als Freund der greisen noch lebende»<lb/> Witwe Bärtels, war er ganz besonders geeignet, diese Biographie zu schreiben.<lb/> Mit großem Fleiß hat er alle schriftlichen Quellen für Bärtels Leben ge¬<lb/> sammelt, seine Werke in Originalen, Gipsabgüssen oder Photographien nach¬<lb/> geprüft, und man kann ihm das Lob nicht versagen, daß er aus diesem Material<lb/> ein fesselndes Lebensbild zusammengestellt hat, das man mit Spannung liest<lb/> und mit Befriedigung aus der Hand legt. Ein frischer nationaler Zug weht<lb/> durch das Ganze, und nur selten läßt sich der Verfasser bei der Schilderung<lb/> der Werke seines Helden zu einer schwungvollern Tonart hinreißen, als sie<lb/> der Gegenstand zu fordern scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_81"> Bärbel war von Natur nicht ohne künstlerische Gaben. Er hat zwar<lb/> erst spät zeichnen lernen, aber früh modellirt und überhaupt für werkthätiges<lb/> Schaffen schou als Knabe Sinu gehabt. Dennoch kam er verhältnismäßig<lb/> spät und nicht ohne Schwankungen in die Künstlerlanfbahn hinein. Er selbst<lb/> wäre am liebsten Soldat geworden, was bei seinem kräftigen Naturell und<lb/> den Anregungen der nnpoleonischen Zeit wohl begreiflich ist. Aber sein Vater,<lb/> der in Ansbach preußischer Regierungsdirektor, später bairischer Appellations¬<lb/> gerichtsdirektor war. litt es nicht, und ihm zu Liebe mußte er sich für die Forst-<lb/> karricre entscheiden. Als Vierzehnjähriger kam er zur Vorbereitung für diesen<lb/> Beruf nach Nürnberg auf die höhere Realschule. Aber eine Reise, die er von<lb/> dort aus nach München unternahm, entschied über sein Schicksal. Er wurde<lb/> mit dem Architekten Karl von Fischer bekannt, der damals gerade das könig¬<lb/> liche Theater baute, und trat schon mit achtzehn Jahren als besoldeter<lb/> Hofbauzcichner in dessen Bureau ein. Als dann Fischer schon nach zwei<lb/> Jahren starb und man Bärbel anbot, Schüler von Leo von Klenze zu<lb/> werden, weigerte er sich, da ihm Klenze unsympathisch war, entschieden und<lb/> sattelte gleichzeitig, um seiner Meinung nach rascher vorwärts zu kommen, zur<lb/> Malerei um. Als Schüler der beiden Langer, von denen der Vater damals<lb/> Akademiedirektor war, trat er in die Akademie ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_82" next="#ID_83"> Kurz zuvor war Cornelius vom Kronprinzen Ludwig nach München be¬<lb/> rufen worden, um die Säle der Glyptothek mit Fresken zu schmücken. Wir<lb/> verdanken Bärbel eine interessante Schilderung des Gegensatzes, der sich damals<lb/> zwischen den Schülern von Langer und Cornelius bildete. Die neue Romantik<lb/> und der alte akademische Klassizismus konnten sich nicht verstehen. „Die<lb/> Akademie sagte: Bursche, lernt erst gehen, ehe ihr tanzen wollt. Die cor-<lb/> uelianische Schule aber sagte: Acht Tage im Gebirge ist besser als Mouate</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Lrnst von Bärbel
Solche Künstler bedürfen ganz besonders eines liebevollen Biographen.
Ihr äußerer Lebensgang, ihre Briefe, ihr sonstiger schriftlicher Nachlaß gehören
dazu, um sie ganz zu verstehen. Wir wollen nicht nur wissen, was sie ge¬
macht haben, sondern auch, was sie gewesen sind. Ihr Leben und ihre Werke
gehen uicht in einander auf. Einen solchen Biographen hat Baudel in dem
Verfasser gefunden. Als Hannoveraner, als Freund der greisen noch lebende»
Witwe Bärtels, war er ganz besonders geeignet, diese Biographie zu schreiben.
Mit großem Fleiß hat er alle schriftlichen Quellen für Bärtels Leben ge¬
sammelt, seine Werke in Originalen, Gipsabgüssen oder Photographien nach¬
geprüft, und man kann ihm das Lob nicht versagen, daß er aus diesem Material
ein fesselndes Lebensbild zusammengestellt hat, das man mit Spannung liest
und mit Befriedigung aus der Hand legt. Ein frischer nationaler Zug weht
durch das Ganze, und nur selten läßt sich der Verfasser bei der Schilderung
der Werke seines Helden zu einer schwungvollern Tonart hinreißen, als sie
der Gegenstand zu fordern scheint.
Bärbel war von Natur nicht ohne künstlerische Gaben. Er hat zwar
erst spät zeichnen lernen, aber früh modellirt und überhaupt für werkthätiges
Schaffen schou als Knabe Sinu gehabt. Dennoch kam er verhältnismäßig
spät und nicht ohne Schwankungen in die Künstlerlanfbahn hinein. Er selbst
wäre am liebsten Soldat geworden, was bei seinem kräftigen Naturell und
den Anregungen der nnpoleonischen Zeit wohl begreiflich ist. Aber sein Vater,
der in Ansbach preußischer Regierungsdirektor, später bairischer Appellations¬
gerichtsdirektor war. litt es nicht, und ihm zu Liebe mußte er sich für die Forst-
karricre entscheiden. Als Vierzehnjähriger kam er zur Vorbereitung für diesen
Beruf nach Nürnberg auf die höhere Realschule. Aber eine Reise, die er von
dort aus nach München unternahm, entschied über sein Schicksal. Er wurde
mit dem Architekten Karl von Fischer bekannt, der damals gerade das könig¬
liche Theater baute, und trat schon mit achtzehn Jahren als besoldeter
Hofbauzcichner in dessen Bureau ein. Als dann Fischer schon nach zwei
Jahren starb und man Bärbel anbot, Schüler von Leo von Klenze zu
werden, weigerte er sich, da ihm Klenze unsympathisch war, entschieden und
sattelte gleichzeitig, um seiner Meinung nach rascher vorwärts zu kommen, zur
Malerei um. Als Schüler der beiden Langer, von denen der Vater damals
Akademiedirektor war, trat er in die Akademie ein.
Kurz zuvor war Cornelius vom Kronprinzen Ludwig nach München be¬
rufen worden, um die Säle der Glyptothek mit Fresken zu schmücken. Wir
verdanken Bärbel eine interessante Schilderung des Gegensatzes, der sich damals
zwischen den Schülern von Langer und Cornelius bildete. Die neue Romantik
und der alte akademische Klassizismus konnten sich nicht verstehen. „Die
Akademie sagte: Bursche, lernt erst gehen, ehe ihr tanzen wollt. Die cor-
uelianische Schule aber sagte: Acht Tage im Gebirge ist besser als Mouate
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