Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.jenes anhaltende, stetige Feuer künstlerischer Begeisterung, das von dem Die Gründe dieses Mißlingens waren zum großen Teil persönlicher Art. jenes anhaltende, stetige Feuer künstlerischer Begeisterung, das von dem Die Gründe dieses Mißlingens waren zum großen Teil persönlicher Art. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212515"/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> <p xml:id="ID_78" prev="#ID_77"> jenes anhaltende, stetige Feuer künstlerischer Begeisterung, das von dem<lb/> allgemeinen zum einzelnen, von der Idee zur Durchführung herabzusteigen<lb/> und den Geist in die sinnliche Form zu bannen weiß. Die Kunstgeschichte<lb/> kennt ihn so gut wie gar nicht, selbst in ausführlichen Schilderungen der<lb/> modernen Kunst findet er keine oder nur eine flüchtige Erwähnung, lind<lb/> doch ist er interessant wegen der Ideale, die ihn erfüllten. Was gegenwärtig<lb/> unsre Kunst bewegt, hat Bärbel schon vor mehr als einem halben Jahr¬<lb/> hundert gewollt, geahnt, mit begeisterten Worten gefordert. Der nationale<lb/> Zug, das gesunde Naturempfinden, die Abkehr vom Klassizismus und von<lb/> ausländischen Vorbildern, kurz alles, was wir unsrer heutigen Kunst wünschen<lb/> möchten, hat schon in ihm einen Propheten gefunden. Freilich einen Pro¬<lb/> pheten in der Theorie, nicht in der Praxis. Denn nichts von all den schönen<lb/> Ideen einer nationalen, modernen, volkstümlichen Kunst, die ihn erfüllten, hat<lb/> er zur Ausführung gebracht. Wohl hat er von einer deutschen Kunst der<lb/> Zukunft geträumt — und er selbst wollte ihr Hauptvertreter werden. Aber<lb/> seine Werke sind in einem leeren Klassizismus stecken geblieben, der in nichts<lb/> über den Stil der herrschenden Schule hinausgeht. Wohl hat er gefühlt,<lb/> daß Nachahmung der Natur das Höchste in der Kunst sei. Aber er hat nicht<lb/> die Kraft gehabt, sich über die idealistische Schablone zu erheben und mit<lb/> dein Naturstudium Ernst zu machen- Wohl hat er die Schwächen der da¬<lb/> maligen Kunst klar erkannt. Aber es blieb ihm versagt, diese Erkenntnis<lb/> in die Praxis umzusetzen, ein Reformator der deutschen Kunst zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_79"> Die Gründe dieses Mißlingens waren zum großen Teil persönlicher Art.<lb/> Der Verfasser hat gut gethan, aus dem Titel seines Buchs den „deutschen<lb/> Mann" vor den „Künstler" zu stellen. In der That war in Vaudel der<lb/> Mann stärker entwickelt als der Künstler. Ein Überschuß an Charakter schadete<lb/> seinen Fähigkeiten. Das klingt paradox und ist doch richtig. Nur Idealisten<lb/> glauben noch das Märchen, daß Charakter und Talent notwendig zu einander<lb/> gehörten. Es wäre gewiß schön, wenn es so wäre, aber die Künstler- und<lb/> Gelehrtengeschichte beweist das Gegenteil. Wohl schließen sich Talent und<lb/> Charakter nicht geradezu aus. Aber bei vielen Naturen ergiebt sich aus der<lb/> einseitigen Entwicklung der Verstandes- und Phantasiekräfte geradezu eine<lb/> Verkümmerung der sittlichen Fähigkeiten. Wie viele Künstler kennt die Kunst¬<lb/> geschichte, die im Leben geradezu verächtlich waren und doch von der<lb/> Nachwelt vergöttert wurden! Ihre schlimmen Charaktereigenschaften wurden<lb/> eben bald nach ihrem Tode vergessen, ihre Werke dagegen dauerten fort und<lb/> verkündeten ihren Ruhm. Bei Bärbel war es umgekehrt. Das beste Teil<lb/> von ihm, sein frischer, natürlicher Sinn, sein männlicher Charakter, sein kern¬<lb/> deutsches Wesen, ging mit ihm zu Grabe. Es blieben nur die unglücklichen<lb/> Erzeugnisse seiner Kunst, die uns sein Bild in ganz unvollkommner Weise<lb/> wiederspiegeln.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
jenes anhaltende, stetige Feuer künstlerischer Begeisterung, das von dem
allgemeinen zum einzelnen, von der Idee zur Durchführung herabzusteigen
und den Geist in die sinnliche Form zu bannen weiß. Die Kunstgeschichte
kennt ihn so gut wie gar nicht, selbst in ausführlichen Schilderungen der
modernen Kunst findet er keine oder nur eine flüchtige Erwähnung, lind
doch ist er interessant wegen der Ideale, die ihn erfüllten. Was gegenwärtig
unsre Kunst bewegt, hat Bärbel schon vor mehr als einem halben Jahr¬
hundert gewollt, geahnt, mit begeisterten Worten gefordert. Der nationale
Zug, das gesunde Naturempfinden, die Abkehr vom Klassizismus und von
ausländischen Vorbildern, kurz alles, was wir unsrer heutigen Kunst wünschen
möchten, hat schon in ihm einen Propheten gefunden. Freilich einen Pro¬
pheten in der Theorie, nicht in der Praxis. Denn nichts von all den schönen
Ideen einer nationalen, modernen, volkstümlichen Kunst, die ihn erfüllten, hat
er zur Ausführung gebracht. Wohl hat er von einer deutschen Kunst der
Zukunft geträumt — und er selbst wollte ihr Hauptvertreter werden. Aber
seine Werke sind in einem leeren Klassizismus stecken geblieben, der in nichts
über den Stil der herrschenden Schule hinausgeht. Wohl hat er gefühlt,
daß Nachahmung der Natur das Höchste in der Kunst sei. Aber er hat nicht
die Kraft gehabt, sich über die idealistische Schablone zu erheben und mit
dein Naturstudium Ernst zu machen- Wohl hat er die Schwächen der da¬
maligen Kunst klar erkannt. Aber es blieb ihm versagt, diese Erkenntnis
in die Praxis umzusetzen, ein Reformator der deutschen Kunst zu werden.
Die Gründe dieses Mißlingens waren zum großen Teil persönlicher Art.
Der Verfasser hat gut gethan, aus dem Titel seines Buchs den „deutschen
Mann" vor den „Künstler" zu stellen. In der That war in Vaudel der
Mann stärker entwickelt als der Künstler. Ein Überschuß an Charakter schadete
seinen Fähigkeiten. Das klingt paradox und ist doch richtig. Nur Idealisten
glauben noch das Märchen, daß Charakter und Talent notwendig zu einander
gehörten. Es wäre gewiß schön, wenn es so wäre, aber die Künstler- und
Gelehrtengeschichte beweist das Gegenteil. Wohl schließen sich Talent und
Charakter nicht geradezu aus. Aber bei vielen Naturen ergiebt sich aus der
einseitigen Entwicklung der Verstandes- und Phantasiekräfte geradezu eine
Verkümmerung der sittlichen Fähigkeiten. Wie viele Künstler kennt die Kunst¬
geschichte, die im Leben geradezu verächtlich waren und doch von der
Nachwelt vergöttert wurden! Ihre schlimmen Charaktereigenschaften wurden
eben bald nach ihrem Tode vergessen, ihre Werke dagegen dauerten fort und
verkündeten ihren Ruhm. Bei Bärbel war es umgekehrt. Das beste Teil
von ihm, sein frischer, natürlicher Sinn, sein männlicher Charakter, sein kern¬
deutsches Wesen, ging mit ihm zu Grabe. Es blieben nur die unglücklichen
Erzeugnisse seiner Kunst, die uns sein Bild in ganz unvollkommner Weise
wiederspiegeln.
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