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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Zolas Ariegsroman Dud^cZls

der Kaserne, die rohen, ihm widerwärtigen Kameraden, sein Vorgesetzter, der
ungebildete Bauernknecht Jean Macquart, die Entbehrungen und Strapazen
auf den Märschen passen dem verwöhnten und verweichlichten Lebemanne nicht.
Und so trügt er sein selbstgewähltes Schicksal düster und schweigsam.

Von den französischen Offizieren werden uns zwei Typen vorgeführt. In
Leutnant Rochas finden wir den altgedienter Kommißoffizier, 1'oKoisr as kor-
tnns, der sich durch bloßes Drciufgehn vom Gemeinen zu seinem Range empor¬
geschwungen hat. In Algier, bei Sebastopvl und bei Solferino hat er sieg¬
reich gefochten, überall sind die Feinde geschlagen worden, und so zweifelt er
keinen Augenblick, daß eines die Deutschen Prügel bekommen werden. Mit
einem Fußtritt will er sie heimschicken. Zola nennt ihn den Don Quichote
der alten französischen s'lon'6, 1o trouvisr ani g, eomznis 1<z morals kntrv 8-t
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Gegensatz dazu bildet der feinerzogne Hauptmann Beaudvin, der Stutzer von
Saint-Chr, der als Offizier von der Kriegsschule gekommen ist, sich aber das
Vertrauen und die Neigung seiner Leute uicht zu erwerben versteht; sie nennen
ihn un pöw-hoc. Um so mehr Glück hat er aber bei den Frauen. Als Bei¬
spiel eines völlig unfähigen Truppenführers stellt Zola den Brigadegeneral
Bourgain-Desfeuilles hin. Seine krähende Stimme ist überall zu hören, be¬
sonders dann, wenn dieser Lebemann seine Bequemlichkeiten vermißt, nicht gut
und im Überfluß zu essen hat und sich in der Gegend nicht zurechtfinden kaun,
weil er keine einzige Karte von Frankreich, sondern nur die von Deutsch¬
land besitzt.

Den würdigen Abschluß dieser militärischen Charakterzeichnungen bildet
der Kaiser Napoleon selbst. Er ist kein richtiger Soldat, er ist ein Träumer,
dem es im entscheidenden Augenblick an der nötigen Willenskraft fehlt; er steht
schweigend, machtlos, wie gelähmt da vor all den unerwarteten Schlägen. Er
ist überdies ein kranker Manu, der in den Krieg zieht, ohne eine Ahnung von
seinen Strapazen zu haben; er kann nicht essen, nicht trinken (wieder das
Magenmotiv!): um Aravivr clans ig, clair et'un noinnnz se los einpirsL s'eorou-
tönt. Die Soldaten schimpfen auf ihn und nennen ihn Badinguet -- so hieß
der Maurer, in dessen Kleidung Napoleon als Prinz aus der Festung ge¬
flohen war. Und wenn vor den Truppen der Weg versperrt ist, und der
Marsch stockt, so rufen sie sich zu: O'ost <ZL eoollcm ä'ompörsur azul est ig,-
das, su travsrs as ig. rorcks, avoe ses "gAg^es, xour von" Motor. Und dann
fahren sie fort: dieser erbärmliche Kaiser, dieser arme Teufel, der in seinem
großen Reiche keinen Platz mehr hat, wird zwischen den Gepäckwagen der Armee
wie ein unnützer Ballast mitgeschleppt. Welch ein Hohn! Hinter ihm zieht die
ganze Pracht seines kaiserlichen Hauses, seine Leibwache, seine Staatswagen, seine
Pferde, seine Koche, die Prvviantwngen mit den herrlichen Silbergerüten und den
unzähligen Weinflaschen kreuz und quer auf den Heerstraßen der Niederlage.


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der Kaserne, die rohen, ihm widerwärtigen Kameraden, sein Vorgesetzter, der
ungebildete Bauernknecht Jean Macquart, die Entbehrungen und Strapazen
auf den Märschen passen dem verwöhnten und verweichlichten Lebemanne nicht.
Und so trügt er sein selbstgewähltes Schicksal düster und schweigsam.

Von den französischen Offizieren werden uns zwei Typen vorgeführt. In
Leutnant Rochas finden wir den altgedienter Kommißoffizier, 1'oKoisr as kor-
tnns, der sich durch bloßes Drciufgehn vom Gemeinen zu seinem Range empor¬
geschwungen hat. In Algier, bei Sebastopvl und bei Solferino hat er sieg¬
reich gefochten, überall sind die Feinde geschlagen worden, und so zweifelt er
keinen Augenblick, daß eines die Deutschen Prügel bekommen werden. Mit
einem Fußtritt will er sie heimschicken. Zola nennt ihn den Don Quichote
der alten französischen s'lon'6, 1o trouvisr ani g, eomznis 1<z morals kntrv 8-t
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Gegensatz dazu bildet der feinerzogne Hauptmann Beaudvin, der Stutzer von
Saint-Chr, der als Offizier von der Kriegsschule gekommen ist, sich aber das
Vertrauen und die Neigung seiner Leute uicht zu erwerben versteht; sie nennen
ihn un pöw-hoc. Um so mehr Glück hat er aber bei den Frauen. Als Bei¬
spiel eines völlig unfähigen Truppenführers stellt Zola den Brigadegeneral
Bourgain-Desfeuilles hin. Seine krähende Stimme ist überall zu hören, be¬
sonders dann, wenn dieser Lebemann seine Bequemlichkeiten vermißt, nicht gut
und im Überfluß zu essen hat und sich in der Gegend nicht zurechtfinden kaun,
weil er keine einzige Karte von Frankreich, sondern nur die von Deutsch¬
land besitzt.

Den würdigen Abschluß dieser militärischen Charakterzeichnungen bildet
der Kaiser Napoleon selbst. Er ist kein richtiger Soldat, er ist ein Träumer,
dem es im entscheidenden Augenblick an der nötigen Willenskraft fehlt; er steht
schweigend, machtlos, wie gelähmt da vor all den unerwarteten Schlägen. Er
ist überdies ein kranker Manu, der in den Krieg zieht, ohne eine Ahnung von
seinen Strapazen zu haben; er kann nicht essen, nicht trinken (wieder das
Magenmotiv!): um Aravivr clans ig, clair et'un noinnnz se los einpirsL s'eorou-
tönt. Die Soldaten schimpfen auf ihn und nennen ihn Badinguet — so hieß
der Maurer, in dessen Kleidung Napoleon als Prinz aus der Festung ge¬
flohen war. Und wenn vor den Truppen der Weg versperrt ist, und der
Marsch stockt, so rufen sie sich zu: O'ost <ZL eoollcm ä'ompörsur azul est ig,-
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fahren sie fort: dieser erbärmliche Kaiser, dieser arme Teufel, der in seinem
großen Reiche keinen Platz mehr hat, wird zwischen den Gepäckwagen der Armee
wie ein unnützer Ballast mitgeschleppt. Welch ein Hohn! Hinter ihm zieht die
ganze Pracht seines kaiserlichen Hauses, seine Leibwache, seine Staatswagen, seine
Pferde, seine Koche, die Prvviantwngen mit den herrlichen Silbergerüten und den
unzähligen Weinflaschen kreuz und quer auf den Heerstraßen der Niederlage.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/366>, abgerufen am 09.01.2025.