Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aolas Ariegsroman O>;b-oeil) Wer nun mit solchen Lüstlingshofsnungen seinen neuen Roman Ilg. vö- Zola hat nie einen Krieg mitgemacht, ist nie Soldat gewesen und stand Aolas Ariegsroman O>;b-oeil) Wer nun mit solchen Lüstlingshofsnungen seinen neuen Roman Ilg. vö- Zola hat nie einen Krieg mitgemacht, ist nie Soldat gewesen und stand <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212839"/> <fw type="header" place="top"> Aolas Ariegsroman O>;b-oeil)</fw><lb/> <p xml:id="ID_1216"> Wer nun mit solchen Lüstlingshofsnungen seinen neuen Roman Ilg. vö-<lb/> dilvlo in die Hand nimmt, wird bald enttäuscht sein. Denn Zoln hat hier<lb/> nicht die geringsten Zugeständnisse an den verdorbnen Geschmack seiner litte¬<lb/> rarischen Gemeinde gemacht, selbst da nicht, wo alle Voraussetzungen zu den<lb/> bekannten Orgien vorhanden zu sein schienen. Die paar Szenen, wo die leicht¬<lb/> fertige, sinnliche Madame Gilberte Delaherche in Sedan Freund und Feind<lb/> ihre Gunst schenkt, sind so leicht, fast romantisch gezeichnet, daß der Leser<lb/> kaum merkt, Zola habe in diesem sittlich zerfreßnen Franeucharakter das weib¬<lb/> liche Geschlecht des zweiten Kaiserreichs geißeln wollen. Der ernste, düstre<lb/> Hintergrund des ganzen Romans, die Zertrümmerung eines scheinbar fest¬<lb/> gefugten Staatsbaues, die furchtbare Demütigung Frankreichs scheinen ihn so<lb/> mächtig ergriffen und seine Phantasie so gewaltsam von den alten Motiven<lb/> geschlechtlicher Aufregung abgezogen zu haben, daß er in I^g, volmols jeder<lb/> Schilderung dieser Art fast ängstlich aus dem Wege geht. Der kricgsgeschicht-<lb/> liche Stoff dringt mit überwältigender Macht und Fülle auf ihn ein, und so<lb/> behält er kaum Platz genug, den Charakter seiner beiden Helden Jean Macquart<lb/> und Maurice Levasseur klar und widerspruchslos zu entwickeln und unsre<lb/> Teilnahme an dem Schicksal dieser Menschen bis zum Schluß wach zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1217" next="#ID_1218"> Zola hat nie einen Krieg mitgemacht, ist nie Soldat gewesen und stand<lb/> mit seinen frühern Studien und Arbeiten der Kriegsgeschichte ganz fern. So<lb/> ist er denn an den Stoff des vorliegenden Romans mit derselben kecken<lb/> Unbefangenheit getreten, die wir schon früher bei der Besprechung seines Ro¬<lb/> mans 1^ ?6rrs an ihm haben kennen lernen. Er hat sich in seinen kritischen<lb/> Schriften einmal über seine Arbeitsweise ausgesprochen, und die müssen wir<lb/> kennen, um zu verstehen, wie es ihm auch hier gelungen ist, trotz seiner<lb/> mangelhaften Bildung in militärischen Dingen einen lesbaren Roman fertig<lb/> zu bringen. „Einer unsrer Romanschriftsteller — sagt er — will z. V. einen<lb/> Roman über die Theaterwelt schreiben. Von dieser allgemeinen Idee geht<lb/> er aus, ohne eine bestimmte Thatsache oder eine Persönlichkeit vor Augen zu<lb/> haben. Dann ist es seine erste Sorge, über alles, was er von der zu beschrei¬<lb/> benden Welt erfahren kann, Notizen zu sammeln. Er hat diesen oder jenen<lb/> Schauspieler kennen lernen und ist bei dieser oder jener Aufführung zugegen<lb/> gewesen. Das sind schon »Dokumente,« und zwar die besten, wenn sie all¬<lb/> mählich in ihm reif werden. Dann beginnt er den eigentlichen Feldzug; er<lb/> unterhält sich mit Personen, die am besten über den Stoffe Bescheid wissen,<lb/> er stellt die Schlagwörter zusammen, die Geschichten, die Porträts. Aber<lb/> das ist noch nicht alles: er geht auch zu den geschriebn«.'« Dokumenten und<lb/> liest alles, was ihm irgendwie von Nutzen sein könnte. Endlich besucht er<lb/> die Orte, lebt einige Tage in einem Theater, um die entlegensten Winkel<lb/> kennen zu lernen, verbringt seine Abende in der Loge einer Schauspielerin<lb/> und umgiebt sich so viel wie möglich mit der ganzen charakteristischen Luft.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
Aolas Ariegsroman O>;b-oeil)
Wer nun mit solchen Lüstlingshofsnungen seinen neuen Roman Ilg. vö-
dilvlo in die Hand nimmt, wird bald enttäuscht sein. Denn Zoln hat hier
nicht die geringsten Zugeständnisse an den verdorbnen Geschmack seiner litte¬
rarischen Gemeinde gemacht, selbst da nicht, wo alle Voraussetzungen zu den
bekannten Orgien vorhanden zu sein schienen. Die paar Szenen, wo die leicht¬
fertige, sinnliche Madame Gilberte Delaherche in Sedan Freund und Feind
ihre Gunst schenkt, sind so leicht, fast romantisch gezeichnet, daß der Leser
kaum merkt, Zola habe in diesem sittlich zerfreßnen Franeucharakter das weib¬
liche Geschlecht des zweiten Kaiserreichs geißeln wollen. Der ernste, düstre
Hintergrund des ganzen Romans, die Zertrümmerung eines scheinbar fest¬
gefugten Staatsbaues, die furchtbare Demütigung Frankreichs scheinen ihn so
mächtig ergriffen und seine Phantasie so gewaltsam von den alten Motiven
geschlechtlicher Aufregung abgezogen zu haben, daß er in I^g, volmols jeder
Schilderung dieser Art fast ängstlich aus dem Wege geht. Der kricgsgeschicht-
liche Stoff dringt mit überwältigender Macht und Fülle auf ihn ein, und so
behält er kaum Platz genug, den Charakter seiner beiden Helden Jean Macquart
und Maurice Levasseur klar und widerspruchslos zu entwickeln und unsre
Teilnahme an dem Schicksal dieser Menschen bis zum Schluß wach zu halten.
Zola hat nie einen Krieg mitgemacht, ist nie Soldat gewesen und stand
mit seinen frühern Studien und Arbeiten der Kriegsgeschichte ganz fern. So
ist er denn an den Stoff des vorliegenden Romans mit derselben kecken
Unbefangenheit getreten, die wir schon früher bei der Besprechung seines Ro¬
mans 1^ ?6rrs an ihm haben kennen lernen. Er hat sich in seinen kritischen
Schriften einmal über seine Arbeitsweise ausgesprochen, und die müssen wir
kennen, um zu verstehen, wie es ihm auch hier gelungen ist, trotz seiner
mangelhaften Bildung in militärischen Dingen einen lesbaren Roman fertig
zu bringen. „Einer unsrer Romanschriftsteller — sagt er — will z. V. einen
Roman über die Theaterwelt schreiben. Von dieser allgemeinen Idee geht
er aus, ohne eine bestimmte Thatsache oder eine Persönlichkeit vor Augen zu
haben. Dann ist es seine erste Sorge, über alles, was er von der zu beschrei¬
benden Welt erfahren kann, Notizen zu sammeln. Er hat diesen oder jenen
Schauspieler kennen lernen und ist bei dieser oder jener Aufführung zugegen
gewesen. Das sind schon »Dokumente,« und zwar die besten, wenn sie all¬
mählich in ihm reif werden. Dann beginnt er den eigentlichen Feldzug; er
unterhält sich mit Personen, die am besten über den Stoffe Bescheid wissen,
er stellt die Schlagwörter zusammen, die Geschichten, die Porträts. Aber
das ist noch nicht alles: er geht auch zu den geschriebn«.'« Dokumenten und
liest alles, was ihm irgendwie von Nutzen sein könnte. Endlich besucht er
die Orte, lebt einige Tage in einem Theater, um die entlegensten Winkel
kennen zu lernen, verbringt seine Abende in der Loge einer Schauspielerin
und umgiebt sich so viel wie möglich mit der ganzen charakteristischen Luft.
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