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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Gesamtwirtschaft des Landes mehr oder minder mit sich führt; vor dem Wechsel
dadurch, daß die in mancher Hinsicht zweifellos allzuharte spezifische Wechsel¬
strenge auf den Check keine Anwendung findet. Und doch wollte das Werk
nicht von der Stelle. Die Ursache lag, wie gesagt, darin, daß es gerade der
Handelsstand zum Te-it an den nötigen Anregungen fehlen ließ, zum Teil sich
sogar in entgegengesetztem Sinne aussprach, indem er die gesetzliche Regelung
dieser bedeutenden wirtschaftlichen Erscheinung nicht als empfehlenswert hin¬
stellte und in unangebrachtem Selbstbewußtsein nur verlangte, daß die Gesetz¬
gebung ihrer Weiterentwicklung dnrch Handelsbrauch nicht störend in den Weg
treten solle.")

Die leicht vorauszusehende Folge war, daß Rechtsunsicherheit und Willkür
in der Behandlung dieses Stoffs in Theorie und Rechtsprechung Platz griff
und bedenkliche Differenzen das Emporkeimen der jungen Einrichtung ungünstig
beeinflußten. Mag es nun dieser Umstand, oder mag es das allmählich klarer
aufdämmernde Verständnis gewesen sein, daß wir in dem Check das wichtigste
Zahlungsmittel, vielleicht das Zahlungsmittel der Zukunft vor uns haben:
genug, seit der Mitte der achtziger Jahre tritt ein langsamer Umschwung in
einem kleinen, aber maßgebenden Teil der deutschen Handelswelt hervor. Ohne
daß sich die allgemeine Abneigung gegen eine gesetzgeberische Regelung ge¬
mindert hätte, traten doch einzelne Hmidelskammcrn in ihren Gutachten und
Beschlüssen mit Entschiedenheit für die Notwendigkeit eines Checkgesetzes für
das einheitliche deutsche Wirtschaftsgebiet ein, und selbst der deutsche Handels¬
tag, der kurz vorher uoch in deu Reihen der Gegner gestanden hatte, machte
energisch Kehrt und glaubte in einer Resolution betonen zu müssen, daß nur
ein Gesetz durch positive Feststellung von Formen und Fristen dem Checkverkehr
die zur Förderung des Kredits notwendige Sicherheit schaffen könne. Mit¬
gewirkt an dieser Sinnesänderung mag auch der Vorgang von Nachbarländern
haben, wie Frankreich,"") Belgien,""") Italien, f) der Schweiz,ff) Ländern,
denen Deutschland an wirtschaftlicher Bedeutung teils überlegen war, teils
wenigstens nicht nachstand.

In ihrer Mehrzahl aber beharrten die Vertretungen der deutschen Handels¬
welt trotz der eifrigen Bestrebungen, die für den Gedanken eines Checkgesetzes
in der juristischen und volkswirtschaftlichen Litteratur hervortraten, bis zur







") Eine Ausnahme machte die Braunschweiger Handelskammer, die im September 1879
einen Entwurf zu einem Checkgesetz aufstellte; ihr folgte die Mannheimer Handelskammer mit
einem Entwurf aus der Feder ihres Sekretärs Dr. Landgraf. Ein dritter Entwurf entstand
in einer Konferenz von Delegirten deutscher Handelskammern im Jahre 1879 in Braun¬
schweig; ein vierter wurde im Jahre 1880 von Dr. Funk im amtlichen Austrage der öster¬
reichischen Regierung ausgearbeitet.
**) Gesetz vom 14. Juni 1865.
***) Gesetz vom 20. Juni 1873.
1') Handelsgesetzbuch
vom 2. April 1883. if) Bundesgesetz über das Obligationenrecht Art. 830 bis 837.

Gesamtwirtschaft des Landes mehr oder minder mit sich führt; vor dem Wechsel
dadurch, daß die in mancher Hinsicht zweifellos allzuharte spezifische Wechsel¬
strenge auf den Check keine Anwendung findet. Und doch wollte das Werk
nicht von der Stelle. Die Ursache lag, wie gesagt, darin, daß es gerade der
Handelsstand zum Te-it an den nötigen Anregungen fehlen ließ, zum Teil sich
sogar in entgegengesetztem Sinne aussprach, indem er die gesetzliche Regelung
dieser bedeutenden wirtschaftlichen Erscheinung nicht als empfehlenswert hin¬
stellte und in unangebrachtem Selbstbewußtsein nur verlangte, daß die Gesetz¬
gebung ihrer Weiterentwicklung dnrch Handelsbrauch nicht störend in den Weg
treten solle.")

Die leicht vorauszusehende Folge war, daß Rechtsunsicherheit und Willkür
in der Behandlung dieses Stoffs in Theorie und Rechtsprechung Platz griff
und bedenkliche Differenzen das Emporkeimen der jungen Einrichtung ungünstig
beeinflußten. Mag es nun dieser Umstand, oder mag es das allmählich klarer
aufdämmernde Verständnis gewesen sein, daß wir in dem Check das wichtigste
Zahlungsmittel, vielleicht das Zahlungsmittel der Zukunft vor uns haben:
genug, seit der Mitte der achtziger Jahre tritt ein langsamer Umschwung in
einem kleinen, aber maßgebenden Teil der deutschen Handelswelt hervor. Ohne
daß sich die allgemeine Abneigung gegen eine gesetzgeberische Regelung ge¬
mindert hätte, traten doch einzelne Hmidelskammcrn in ihren Gutachten und
Beschlüssen mit Entschiedenheit für die Notwendigkeit eines Checkgesetzes für
das einheitliche deutsche Wirtschaftsgebiet ein, und selbst der deutsche Handels¬
tag, der kurz vorher uoch in deu Reihen der Gegner gestanden hatte, machte
energisch Kehrt und glaubte in einer Resolution betonen zu müssen, daß nur
ein Gesetz durch positive Feststellung von Formen und Fristen dem Checkverkehr
die zur Förderung des Kredits notwendige Sicherheit schaffen könne. Mit¬
gewirkt an dieser Sinnesänderung mag auch der Vorgang von Nachbarländern
haben, wie Frankreich,"") Belgien,""") Italien, f) der Schweiz,ff) Ländern,
denen Deutschland an wirtschaftlicher Bedeutung teils überlegen war, teils
wenigstens nicht nachstand.

In ihrer Mehrzahl aber beharrten die Vertretungen der deutschen Handels¬
welt trotz der eifrigen Bestrebungen, die für den Gedanken eines Checkgesetzes
in der juristischen und volkswirtschaftlichen Litteratur hervortraten, bis zur







") Eine Ausnahme machte die Braunschweiger Handelskammer, die im September 1879
einen Entwurf zu einem Checkgesetz aufstellte; ihr folgte die Mannheimer Handelskammer mit
einem Entwurf aus der Feder ihres Sekretärs Dr. Landgraf. Ein dritter Entwurf entstand
in einer Konferenz von Delegirten deutscher Handelskammern im Jahre 1879 in Braun¬
schweig; ein vierter wurde im Jahre 1880 von Dr. Funk im amtlichen Austrage der öster¬
reichischen Regierung ausgearbeitet.
**) Gesetz vom 14. Juni 1865.
***) Gesetz vom 20. Juni 1873.
1') Handelsgesetzbuch
vom 2. April 1883. if) Bundesgesetz über das Obligationenrecht Art. 830 bis 837.
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[0310] Gesamtwirtschaft des Landes mehr oder minder mit sich führt; vor dem Wechsel dadurch, daß die in mancher Hinsicht zweifellos allzuharte spezifische Wechsel¬ strenge auf den Check keine Anwendung findet. Und doch wollte das Werk nicht von der Stelle. Die Ursache lag, wie gesagt, darin, daß es gerade der Handelsstand zum Te-it an den nötigen Anregungen fehlen ließ, zum Teil sich sogar in entgegengesetztem Sinne aussprach, indem er die gesetzliche Regelung dieser bedeutenden wirtschaftlichen Erscheinung nicht als empfehlenswert hin¬ stellte und in unangebrachtem Selbstbewußtsein nur verlangte, daß die Gesetz¬ gebung ihrer Weiterentwicklung dnrch Handelsbrauch nicht störend in den Weg treten solle.") Die leicht vorauszusehende Folge war, daß Rechtsunsicherheit und Willkür in der Behandlung dieses Stoffs in Theorie und Rechtsprechung Platz griff und bedenkliche Differenzen das Emporkeimen der jungen Einrichtung ungünstig beeinflußten. Mag es nun dieser Umstand, oder mag es das allmählich klarer aufdämmernde Verständnis gewesen sein, daß wir in dem Check das wichtigste Zahlungsmittel, vielleicht das Zahlungsmittel der Zukunft vor uns haben: genug, seit der Mitte der achtziger Jahre tritt ein langsamer Umschwung in einem kleinen, aber maßgebenden Teil der deutschen Handelswelt hervor. Ohne daß sich die allgemeine Abneigung gegen eine gesetzgeberische Regelung ge¬ mindert hätte, traten doch einzelne Hmidelskammcrn in ihren Gutachten und Beschlüssen mit Entschiedenheit für die Notwendigkeit eines Checkgesetzes für das einheitliche deutsche Wirtschaftsgebiet ein, und selbst der deutsche Handels¬ tag, der kurz vorher uoch in deu Reihen der Gegner gestanden hatte, machte energisch Kehrt und glaubte in einer Resolution betonen zu müssen, daß nur ein Gesetz durch positive Feststellung von Formen und Fristen dem Checkverkehr die zur Förderung des Kredits notwendige Sicherheit schaffen könne. Mit¬ gewirkt an dieser Sinnesänderung mag auch der Vorgang von Nachbarländern haben, wie Frankreich,"") Belgien,""") Italien, f) der Schweiz,ff) Ländern, denen Deutschland an wirtschaftlicher Bedeutung teils überlegen war, teils wenigstens nicht nachstand. In ihrer Mehrzahl aber beharrten die Vertretungen der deutschen Handels¬ welt trotz der eifrigen Bestrebungen, die für den Gedanken eines Checkgesetzes in der juristischen und volkswirtschaftlichen Litteratur hervortraten, bis zur ") Eine Ausnahme machte die Braunschweiger Handelskammer, die im September 1879 einen Entwurf zu einem Checkgesetz aufstellte; ihr folgte die Mannheimer Handelskammer mit einem Entwurf aus der Feder ihres Sekretärs Dr. Landgraf. Ein dritter Entwurf entstand in einer Konferenz von Delegirten deutscher Handelskammern im Jahre 1879 in Braun¬ schweig; ein vierter wurde im Jahre 1880 von Dr. Funk im amtlichen Austrage der öster¬ reichischen Regierung ausgearbeitet. **) Gesetz vom 14. Juni 1865. ***) Gesetz vom 20. Juni 1873. 1') Handelsgesetzbuch vom 2. April 1883. if) Bundesgesetz über das Obligationenrecht Art. 830 bis 837.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/310>, abgerufen am 08.01.2025.