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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Der Entwurf eines dentschen Lheckgesetzes

esse nur volkswirtschaftliche und juristische Kreise beteiligen, während ihr die
Handelswelt kühl und teilnahmlos gegenübersteht, obwohl es sich doch gerade
hier nur eine Sache handelt, die in das Innerste ihres Lebens tief eingreift.
Leider kann man dieser Abneigung eine gewisse Berechtigung nicht ab¬
sprechen. Die Gesetzgebung des deutschen Reichs hat in dem letzten und in
der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrzehnts einen Übereifer um deu Tag ge¬
legt, der unvorteilhaft absticht von der sichern Bedächtigkeit, die sie früher
stets ausgezeichnet hat. Einzelfälle sind zum Anlaß genommen worden für
Gesetzentwürfe, die, wenn sie das Licht der Öffentlichkeit erblickten und in das
Feuer der allgemeinen Erörterung geführt wurden, schneller verschwanden, als
sie gekommen waren. Wir erinnern nur an die Gesetzvorlage zur Bekämpfung
der Unsittlichkeit oder an die Gesetzanträge, die aus Anlaß der vorjährigen
Vankbrüche eine einseitige Beschränkung des Bank- und Börsenverkehrs be¬
zweckten. Besonders hat sich die Voreiligkeit bei den gewaltigen sozialpoli¬
tischen Gesetzen, die dem Ende unsers Jahrhunderts ihren Stempel aufdrücken,
gerächt. Bald machen sich "authentische Interpretationen" nötig, die der
Schöpfer seinem Werke nachfolgen lassen muß, bald Änderungen, Streichungen
und Zusätze, wie sie vou Jahr zu Jahr eine stündige Rubrik in der Tages¬
ordnung der parlamentarischen Körperschaften und des Bundesrath bilden.
Wenn sich aber hiermit, ganz abgesehn von den trüben Erfcchrnugen, die
Handel und Industrie mit dem Aktiengesetz und seinen Novellen gemacht haben,
das Mißtrauen des Handelsstandes gegen ein Eingreifen der Gesetzgebung
einigermaßen rechtfertigen läßt, so ist doch diese Stimmung, wenn sie so, wie
es geschieht, unterschiedlos allen Maßnahmen der Gesetzgebung entgegentritt,
tief bedauerlich; sie erschwert dem Gesetzgeber seine ohnehin mühevolle Arbeit,
sie mindert seine Arbeitslust, und eine schwere Schädigung der Sicherheit in
Verkehr und Kredit ist ihre letzte und notwendige Folge.

Diese Gedanken drängen sich jedem, der die einschlägigen Verhältnisse
einigermaßen zu übersehen Gelegenheit hat, in besonderm Maße ans, wenn er
der Geschichte des Checkverkehrs in Deutschland und der Versuche, diesem auf
dem Boden der Gesetzgebung eine feste Unterlage zu geben, nachgeht. Die
reichsgesetzliche Regelung des Checkverkehrs wird in Deutschland seit länger
als zwei Jahrzehnten von berufenster Stelle aus angestrebt. Längst hatte
mau die hohe Bedeutung des Checks als eines Zahlungsmittels erster Ord¬
nung und sein Bedürfnis für das gesamte Wirtschafts- und Verkehrs leben er¬
kannt. Längst hatte man die Vorzüge würdigen gelernt, die dieser Art der
kaufmännischen Anweisung den Vorrang vor ähnlichen Kreditpapieren und wirt¬
schaftlichen Gebilden verliehen: vor der Banknote dadurch, daß der Check erstens
anwrtisirbar, mithin weniger einer Verlustgcfahr ausgesetzt ist als diese, daß
er ferner keine Vermehrung der Zirkulationsmittel des Landes bedeutet und
damit die Gefahren vermeidet, die ein allzu ausgedehnter Notenumlauf für die


Der Entwurf eines dentschen Lheckgesetzes

esse nur volkswirtschaftliche und juristische Kreise beteiligen, während ihr die
Handelswelt kühl und teilnahmlos gegenübersteht, obwohl es sich doch gerade
hier nur eine Sache handelt, die in das Innerste ihres Lebens tief eingreift.
Leider kann man dieser Abneigung eine gewisse Berechtigung nicht ab¬
sprechen. Die Gesetzgebung des deutschen Reichs hat in dem letzten und in
der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrzehnts einen Übereifer um deu Tag ge¬
legt, der unvorteilhaft absticht von der sichern Bedächtigkeit, die sie früher
stets ausgezeichnet hat. Einzelfälle sind zum Anlaß genommen worden für
Gesetzentwürfe, die, wenn sie das Licht der Öffentlichkeit erblickten und in das
Feuer der allgemeinen Erörterung geführt wurden, schneller verschwanden, als
sie gekommen waren. Wir erinnern nur an die Gesetzvorlage zur Bekämpfung
der Unsittlichkeit oder an die Gesetzanträge, die aus Anlaß der vorjährigen
Vankbrüche eine einseitige Beschränkung des Bank- und Börsenverkehrs be¬
zweckten. Besonders hat sich die Voreiligkeit bei den gewaltigen sozialpoli¬
tischen Gesetzen, die dem Ende unsers Jahrhunderts ihren Stempel aufdrücken,
gerächt. Bald machen sich „authentische Interpretationen" nötig, die der
Schöpfer seinem Werke nachfolgen lassen muß, bald Änderungen, Streichungen
und Zusätze, wie sie vou Jahr zu Jahr eine stündige Rubrik in der Tages¬
ordnung der parlamentarischen Körperschaften und des Bundesrath bilden.
Wenn sich aber hiermit, ganz abgesehn von den trüben Erfcchrnugen, die
Handel und Industrie mit dem Aktiengesetz und seinen Novellen gemacht haben,
das Mißtrauen des Handelsstandes gegen ein Eingreifen der Gesetzgebung
einigermaßen rechtfertigen läßt, so ist doch diese Stimmung, wenn sie so, wie
es geschieht, unterschiedlos allen Maßnahmen der Gesetzgebung entgegentritt,
tief bedauerlich; sie erschwert dem Gesetzgeber seine ohnehin mühevolle Arbeit,
sie mindert seine Arbeitslust, und eine schwere Schädigung der Sicherheit in
Verkehr und Kredit ist ihre letzte und notwendige Folge.

Diese Gedanken drängen sich jedem, der die einschlägigen Verhältnisse
einigermaßen zu übersehen Gelegenheit hat, in besonderm Maße ans, wenn er
der Geschichte des Checkverkehrs in Deutschland und der Versuche, diesem auf
dem Boden der Gesetzgebung eine feste Unterlage zu geben, nachgeht. Die
reichsgesetzliche Regelung des Checkverkehrs wird in Deutschland seit länger
als zwei Jahrzehnten von berufenster Stelle aus angestrebt. Längst hatte
mau die hohe Bedeutung des Checks als eines Zahlungsmittels erster Ord¬
nung und sein Bedürfnis für das gesamte Wirtschafts- und Verkehrs leben er¬
kannt. Längst hatte man die Vorzüge würdigen gelernt, die dieser Art der
kaufmännischen Anweisung den Vorrang vor ähnlichen Kreditpapieren und wirt¬
schaftlichen Gebilden verliehen: vor der Banknote dadurch, daß der Check erstens
anwrtisirbar, mithin weniger einer Verlustgcfahr ausgesetzt ist als diese, daß
er ferner keine Vermehrung der Zirkulationsmittel des Landes bedeutet und
damit die Gefahren vermeidet, die ein allzu ausgedehnter Notenumlauf für die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/309>, abgerufen am 06.01.2025.