Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß deutung für den Gang des Prozesses gewesen wäre, wer wagte das zu be¬ Grenzboten 111 18KL 38
Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß deutung für den Gang des Prozesses gewesen wäre, wer wagte das zu be¬ Grenzboten 111 18KL 38
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212781"/> <fw type="header" place="top"> Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß</fw><lb/> <p xml:id="ID_997" prev="#ID_996"> deutung für den Gang des Prozesses gewesen wäre, wer wagte das zu be¬<lb/> haupten? Nach Jahresfrist aber fiel die Unmöglichkeit, Tier- und Menschen¬<lb/> blut, Blut- und Rauchslecke zu unterscheiden, sehr für den Angeschuldigten in<lb/> die Wagschale. Ferner: hat nach Anlage des Hauses Hegemann in das Haus<lb/> hineingezogen werden können? und ist es geschehn? Als Zeugen stehen ein¬<lb/> ander gegenüber Mölders mit dem kleinen Heister und der nicht gerade gut<lb/> beleumundete Ullenboom. Mölders wird als Säufer und daher als verdäch¬<lb/> tiger Zeuge behandelt. Nach seinem frühern Leben befragt, sagt ein Arbeit¬<lb/> geber aus, Mölders habe wohl einmal einen über den Durst getrunken, sonst<lb/> sei er aber ein ganz ordentlicher Mensch gewesen. Eine Frau erklärt freilich,<lb/> sie habe ihn einmal nach einem Feste auf der Straße tanzen sehen. Nun<lb/> handelt es sich aber um die Zeit von zehn Uhr morgens, und es wird fest¬<lb/> gestellt, daß Mölders nur in einer Schenke gewesen und da ein oder zwei<lb/> Glas Schnaps getrunken hat. Und doch gilt seine Behauptung als erlogen.<lb/> Als er dann mit dem kleinen Heister dem Gerichtshof vormachte, wie damals<lb/> Hegemann ins Haus gezogen worden sei, da heißt es: „Das ist dem Heister<lb/> eingepaukt." Dem Ullenboom aber und den andern Zeugen des Alibibeweises<lb/> wird alles, was sie uach so langem Zeitraume aussagen, geglaubt. Überhaupt<lb/> mögen die Zeugen gegen Buschoff eidlich aussagen, was sie wollen, z. B.<lb/> daß Buschoff mit seinem Sohne Siegmund sich über den Mord unterhalten<lb/> habe, oder dergleichen mehr, sofort widersprechen alle Zeugen zu Gunsten des<lb/> Angeklagten: „Dessen entsinne ich mich nicht" oder „Das ist nicht der Fall" u.s.w.<lb/> Und wenn die Zeugen auch uoch uach diesem Leugnen bei ihrer Aussage bleiben:<lb/> „Es ist aber doch so," so sichren die Zeugnisse sür Buschoff doch zum Schluß<lb/> zu seiner Unschnldserklärung. Wenn Vuschoff etwas aussagt, so ist der stete<lb/> Refrain: „Buschoff hats gesagt, und Buschhoff ist ein ehrenwerter Mann."<lb/> Er hat die Äußerung gethan: „Wie sollte ich ein Kind ermorden? Ich habe<lb/> selbst zwei verloren; ich weiß, wie weh das thut." Wie konnte ein Mörder<lb/> eine so harmlose Bemerkung machen! Aus die Bekundung eines Zeugen, Buschoff<lb/> sei im Garten auf und ab gegangen und habe sich immer wie verzweifelt<lb/> den Kopf gehalten, weiß der Angeklagte die Erklärung, er wisse das nicht<lb/> "lehr, übrigens leide er oft an Zahnweh. Dann wird als allseitig aufgefallen<lb/> bezeichnet, daß Buschoff am Abende des Mordtags, während beim Kegeln<lb/> nur von dem Morde und dem etwaigen Mörder geredet worden sei, gegen<lb/> seine sonstige Gewohnheit sehr still und ernst gewesen sei. Zu seiner Ver¬<lb/> teidigung wird dann hervorgehoben, das gehe allen Menschen einmal so, daß<lb/> sie nicht gleich gut disponirt wären. luersciibiio äiew! Was für Entschul¬<lb/> digungen werden sonst noch für ihn vorgebracht? „Er ist völlig ruhig, zeigt<lb/> nicht die Spur von Erregung oder Angst." Hat man bei Erbe, dem Genossen<lb/> der Buntrvck, diese Ruhe, diese Sicherheit zu seinem Vorteil ausgelegt? Der<lb/> wurde trotz alles Leuguens zum Tode verurteilt.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 111 18KL 38</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß
deutung für den Gang des Prozesses gewesen wäre, wer wagte das zu be¬
haupten? Nach Jahresfrist aber fiel die Unmöglichkeit, Tier- und Menschen¬
blut, Blut- und Rauchslecke zu unterscheiden, sehr für den Angeschuldigten in
die Wagschale. Ferner: hat nach Anlage des Hauses Hegemann in das Haus
hineingezogen werden können? und ist es geschehn? Als Zeugen stehen ein¬
ander gegenüber Mölders mit dem kleinen Heister und der nicht gerade gut
beleumundete Ullenboom. Mölders wird als Säufer und daher als verdäch¬
tiger Zeuge behandelt. Nach seinem frühern Leben befragt, sagt ein Arbeit¬
geber aus, Mölders habe wohl einmal einen über den Durst getrunken, sonst
sei er aber ein ganz ordentlicher Mensch gewesen. Eine Frau erklärt freilich,
sie habe ihn einmal nach einem Feste auf der Straße tanzen sehen. Nun
handelt es sich aber um die Zeit von zehn Uhr morgens, und es wird fest¬
gestellt, daß Mölders nur in einer Schenke gewesen und da ein oder zwei
Glas Schnaps getrunken hat. Und doch gilt seine Behauptung als erlogen.
Als er dann mit dem kleinen Heister dem Gerichtshof vormachte, wie damals
Hegemann ins Haus gezogen worden sei, da heißt es: „Das ist dem Heister
eingepaukt." Dem Ullenboom aber und den andern Zeugen des Alibibeweises
wird alles, was sie uach so langem Zeitraume aussagen, geglaubt. Überhaupt
mögen die Zeugen gegen Buschoff eidlich aussagen, was sie wollen, z. B.
daß Buschoff mit seinem Sohne Siegmund sich über den Mord unterhalten
habe, oder dergleichen mehr, sofort widersprechen alle Zeugen zu Gunsten des
Angeklagten: „Dessen entsinne ich mich nicht" oder „Das ist nicht der Fall" u.s.w.
Und wenn die Zeugen auch uoch uach diesem Leugnen bei ihrer Aussage bleiben:
„Es ist aber doch so," so sichren die Zeugnisse sür Buschoff doch zum Schluß
zu seiner Unschnldserklärung. Wenn Vuschoff etwas aussagt, so ist der stete
Refrain: „Buschoff hats gesagt, und Buschhoff ist ein ehrenwerter Mann."
Er hat die Äußerung gethan: „Wie sollte ich ein Kind ermorden? Ich habe
selbst zwei verloren; ich weiß, wie weh das thut." Wie konnte ein Mörder
eine so harmlose Bemerkung machen! Aus die Bekundung eines Zeugen, Buschoff
sei im Garten auf und ab gegangen und habe sich immer wie verzweifelt
den Kopf gehalten, weiß der Angeklagte die Erklärung, er wisse das nicht
"lehr, übrigens leide er oft an Zahnweh. Dann wird als allseitig aufgefallen
bezeichnet, daß Buschoff am Abende des Mordtags, während beim Kegeln
nur von dem Morde und dem etwaigen Mörder geredet worden sei, gegen
seine sonstige Gewohnheit sehr still und ernst gewesen sei. Zu seiner Ver¬
teidigung wird dann hervorgehoben, das gehe allen Menschen einmal so, daß
sie nicht gleich gut disponirt wären. luersciibiio äiew! Was für Entschul¬
digungen werden sonst noch für ihn vorgebracht? „Er ist völlig ruhig, zeigt
nicht die Spur von Erregung oder Angst." Hat man bei Erbe, dem Genossen
der Buntrvck, diese Ruhe, diese Sicherheit zu seinem Vorteil ausgelegt? Der
wurde trotz alles Leuguens zum Tode verurteilt.
Grenzboten 111 18KL 38
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