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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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ist, daß darin nichts von Ritualmord stehe. Und dies negative Urteil wird
als positiv bejubelt, wegen dieses Urteils erhält er schon vorher einen netten
Posten Geld! Würde man nicht einen Juristen laut auslachen, der das Urteil
abgäbe: "Ich habe freilich das ganze Oorxus surik nicht gelesen, aber ich bin
überzeugt: dies oder jenes steht nicht darin"?

Wenn es aber schon für die Herren vom Gericht vom größten Wert hätte
sein müssen, den wirklichen Thäter zu finden, um wie viel mehr für die Juden!
Ein Jude ist als Mörder eines Christenknaben angeklagt, die gesamte Juden-
schaft, ferner alle, die ans äußern Gründen oder aus Grundsatz sich zu An¬
wälten der Juden aufwerfen, rufen empört: Das ist nicht wahr! Man schent
keine Mittel in Wort und Geld, zu beweisen, daß der Jude Vuschoff nicht
der Mörder sei. Weshalb triumphirt die ganze jüdische und verjudete Presse
über dies doch nur negative Ergebnis? Wenn dieser Buschoff nicht der
Thäter war, so kann es doch noch immer ein andrer Jude gewesen sein.
Müßte ihnen nicht alles daran gelegen sein, ans Sonnenlicht zu bringen,
wer der Thäter gewesen ist? Dann könnten sie ins Horn stoßen und aus¬
posaunen: Es war alles Autisemitenhetze! Haben Semiten und Philosemiten
auch nur den geringsten Versuch dazu gemacht? Wenn nicht, warum denn
nicht? Hätten sie es nicht gekonnt? Wenn sie alle die Mühe, all das Geld,
das sie zur Rechtfertigung Buschoffs oder jetzt zu eiuer Gratifikation ver¬
wandt haben, dazu verwandt hätten, sie hätten es sicherlich herausgebracht!
Der Mord ist in eiuer kleinen Stadt begangen worden, wo sich alles unter
einander kennt, der Knabe ist unter besondern Umständen hingeschlachtet worden,
ein Lustmord liegt uicht vor. Da hätte doch einmal die Judenschaft ihre
Allmacht zeigen und sich dadurch für ewige Zeiten von der Anklage, Christen¬
blut zu gewissen Zwecken zu gebrauche", rein waschen können.

Also Buschoffs Unschuld ist klar erwiesen. Woraufhin denn? Wes¬
halb hat der Mord nicht in seinem Hause geschehen sein können? Er hätte
nnr im Keller vorgenommen werden können, und man hat festgestellt, daß
der Keller rein von Blut war. Eine Scheuerfrau wird verhört, die die
größern Reinigungen vorzunehmen pflegt; diese sagt aus, sie habe vor Ostern
den Keller gründlich gereinigt, seitdem nicht. Was für eine Bedeutung hat
dieses Zeugnis! Als ob ein Mörder, um seinen Keller von Blut zu säubern,
sich dazu eine Schenerfrau kommen ließe! Zweitens, heißt es, hätte man
draußen Schreien oder Wimmern hören müssen. Was für ein Schluß! Also
einem fünfjährigen Knaben kann man nicht dnrch einen Kuchen den Mund
stopfen oder durch ein Taschentuch oder einen andern Knebel oder den Mund
mit der Hand zuhalten? Ob wohl das Haus der angeschuldigten Familie von
Anfang an gründlich untersucht worden ist? Um von den verschiednen Messern,
die man erst später hinter Schränken u. s. w. steckend gefunden hat, zu schweigen:
nach Jahresfrist wird erst der bewußte Sack gefunden! Ob dieser von Be-


ist, daß darin nichts von Ritualmord stehe. Und dies negative Urteil wird
als positiv bejubelt, wegen dieses Urteils erhält er schon vorher einen netten
Posten Geld! Würde man nicht einen Juristen laut auslachen, der das Urteil
abgäbe: „Ich habe freilich das ganze Oorxus surik nicht gelesen, aber ich bin
überzeugt: dies oder jenes steht nicht darin"?

Wenn es aber schon für die Herren vom Gericht vom größten Wert hätte
sein müssen, den wirklichen Thäter zu finden, um wie viel mehr für die Juden!
Ein Jude ist als Mörder eines Christenknaben angeklagt, die gesamte Juden-
schaft, ferner alle, die ans äußern Gründen oder aus Grundsatz sich zu An¬
wälten der Juden aufwerfen, rufen empört: Das ist nicht wahr! Man schent
keine Mittel in Wort und Geld, zu beweisen, daß der Jude Vuschoff nicht
der Mörder sei. Weshalb triumphirt die ganze jüdische und verjudete Presse
über dies doch nur negative Ergebnis? Wenn dieser Buschoff nicht der
Thäter war, so kann es doch noch immer ein andrer Jude gewesen sein.
Müßte ihnen nicht alles daran gelegen sein, ans Sonnenlicht zu bringen,
wer der Thäter gewesen ist? Dann könnten sie ins Horn stoßen und aus¬
posaunen: Es war alles Autisemitenhetze! Haben Semiten und Philosemiten
auch nur den geringsten Versuch dazu gemacht? Wenn nicht, warum denn
nicht? Hätten sie es nicht gekonnt? Wenn sie alle die Mühe, all das Geld,
das sie zur Rechtfertigung Buschoffs oder jetzt zu eiuer Gratifikation ver¬
wandt haben, dazu verwandt hätten, sie hätten es sicherlich herausgebracht!
Der Mord ist in eiuer kleinen Stadt begangen worden, wo sich alles unter
einander kennt, der Knabe ist unter besondern Umständen hingeschlachtet worden,
ein Lustmord liegt uicht vor. Da hätte doch einmal die Judenschaft ihre
Allmacht zeigen und sich dadurch für ewige Zeiten von der Anklage, Christen¬
blut zu gewissen Zwecken zu gebrauche», rein waschen können.

Also Buschoffs Unschuld ist klar erwiesen. Woraufhin denn? Wes¬
halb hat der Mord nicht in seinem Hause geschehen sein können? Er hätte
nnr im Keller vorgenommen werden können, und man hat festgestellt, daß
der Keller rein von Blut war. Eine Scheuerfrau wird verhört, die die
größern Reinigungen vorzunehmen pflegt; diese sagt aus, sie habe vor Ostern
den Keller gründlich gereinigt, seitdem nicht. Was für eine Bedeutung hat
dieses Zeugnis! Als ob ein Mörder, um seinen Keller von Blut zu säubern,
sich dazu eine Schenerfrau kommen ließe! Zweitens, heißt es, hätte man
draußen Schreien oder Wimmern hören müssen. Was für ein Schluß! Also
einem fünfjährigen Knaben kann man nicht dnrch einen Kuchen den Mund
stopfen oder durch ein Taschentuch oder einen andern Knebel oder den Mund
mit der Hand zuhalten? Ob wohl das Haus der angeschuldigten Familie von
Anfang an gründlich untersucht worden ist? Um von den verschiednen Messern,
die man erst später hinter Schränken u. s. w. steckend gefunden hat, zu schweigen:
nach Jahresfrist wird erst der bewußte Sack gefunden! Ob dieser von Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/304>, abgerufen am 09.01.2025.