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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß

sowie die beiden Staatsanwälte in diesem Allgenblick nicht gewußt, was das
Gesetz sagt -- und Juristen in dieser hohen Stellung so etwas zuzutrauen,
wäre doch einfach eine Injurie --, oder sie haben es nicht für angebracht ge¬
halten, dem Obmann der Geschwornen so zu antworten, wie es das Gesetz
befiehlt.

Als dann der Gerichsrat Vrixius, als Zeuge aufgerufen, sich in einer
glänzenden Verteidigungs- und Lobrede Vuschoffs und aller derer, die sür
ihn Zeugnis abgelegt hatten, erging, alle Gegenzengen aber und deren Aus¬
sagen verdächtigte und angriff, als er die Gelegenheit benutzte, sein Herz
über die Judenfrage überhaupt auszuschütten, ist er nicht darauf aufmerksam
gemacht worden, daß dies extin <zän8g,in liege. Herr Brixius erklärt selbst,
er habe nicht freiwillig als Untersuchungsrichter zurücktreten wollen, obgleich
ihm doch das Gefühl hätte sagen müssen, daß er gegen den alten Brauch
verstoße, der verbietet, daß Richter und Verteidiger nahe Verwandte seien.
Er setzt ferner mit schneidiger Sicherheit auseinander, daß alle Zeugen gegen
Buschoff die Unwahrheit gesagt haben, d. h. doch wissentlich oder unwissent-
lich Lügner und Meineidige find. Er demonstrirt dann seinerseits an der
Thür des Sitzungssaales, daß die Aussagen Mölders und des kleinen Heister
falsch seien, daß die Konstruktion der Hausthür derart sei, daß ein Hinein¬
ziehen durch einen Arm unmöglich gewesen sei u. s. w. Darauf führt der
ganze Gerichtshof nach Xanten, Heister muß zeigen, auf welchem Prellstein er
gesessen hat, Mvlder, wo er vorbeigegangen ist u. s. w., die Thür des Hauses
wird geschlossen, geöffnet, und siehe! es wird durch die That dargethan, daß
die Demonstration des ersten Untersuchungsrichters falsch war. Und der
ganze Gerichtshof setzt sich wieder ans die Eisenbahn und fährt nach Cleve,
und Buschoff ist und bleibt mit seiner Familie unschuldig.

Was endlich den Herrn Professor Nöldecke betrifft, so hat dieser selbst
öffentlich erklärt, ihm sei vor seinem Gutachten über die Talmudfrage von
den Verteidigern eine so hohe Summe als Honorar zugeschickt worden, daß
er sie nicht habe annehmen wollen, um etwaigen Verdächtigungen zu entgehen.
Wer hat je gehört, daß jemand vor Ausstellung eines Gutachtens ein Honorar
annähme? Was würden wir von einem Arzte sagen, der das thäte vor Aus¬
fertigung eines Attestes, von einem Anwalt vor Beglaubigung einer Sache,
welcher Lehrer bekommt vor Erledigung von Privatbemühungen Geld? Wes¬
halb fürchtet sich denn der Herr Professor überhaupt vor übler Nachrede?
Es ist ihm vorgeworfen worden, er habe in dem Prozeß Rodung gegen
35000 Mark für sein Gutachten erhalten, er hat aber die Erklärung ab¬
gegeben, daß er diese Summe nicht für sich allein erhalten habe. Wie viel
er davon genommen, oder wem er davon abgegeben hat, darüber schweigt er.
Wofür aber hat er dieses Geld eingesteckt? Nach seiner gerichtlichen Aussage
dafür, daß er nicht den ganzen Talmud gelesen hat, daß er aber überzeugt


Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß

sowie die beiden Staatsanwälte in diesem Allgenblick nicht gewußt, was das
Gesetz sagt — und Juristen in dieser hohen Stellung so etwas zuzutrauen,
wäre doch einfach eine Injurie —, oder sie haben es nicht für angebracht ge¬
halten, dem Obmann der Geschwornen so zu antworten, wie es das Gesetz
befiehlt.

Als dann der Gerichsrat Vrixius, als Zeuge aufgerufen, sich in einer
glänzenden Verteidigungs- und Lobrede Vuschoffs und aller derer, die sür
ihn Zeugnis abgelegt hatten, erging, alle Gegenzengen aber und deren Aus¬
sagen verdächtigte und angriff, als er die Gelegenheit benutzte, sein Herz
über die Judenfrage überhaupt auszuschütten, ist er nicht darauf aufmerksam
gemacht worden, daß dies extin <zän8g,in liege. Herr Brixius erklärt selbst,
er habe nicht freiwillig als Untersuchungsrichter zurücktreten wollen, obgleich
ihm doch das Gefühl hätte sagen müssen, daß er gegen den alten Brauch
verstoße, der verbietet, daß Richter und Verteidiger nahe Verwandte seien.
Er setzt ferner mit schneidiger Sicherheit auseinander, daß alle Zeugen gegen
Buschoff die Unwahrheit gesagt haben, d. h. doch wissentlich oder unwissent-
lich Lügner und Meineidige find. Er demonstrirt dann seinerseits an der
Thür des Sitzungssaales, daß die Aussagen Mölders und des kleinen Heister
falsch seien, daß die Konstruktion der Hausthür derart sei, daß ein Hinein¬
ziehen durch einen Arm unmöglich gewesen sei u. s. w. Darauf führt der
ganze Gerichtshof nach Xanten, Heister muß zeigen, auf welchem Prellstein er
gesessen hat, Mvlder, wo er vorbeigegangen ist u. s. w., die Thür des Hauses
wird geschlossen, geöffnet, und siehe! es wird durch die That dargethan, daß
die Demonstration des ersten Untersuchungsrichters falsch war. Und der
ganze Gerichtshof setzt sich wieder ans die Eisenbahn und fährt nach Cleve,
und Buschoff ist und bleibt mit seiner Familie unschuldig.

Was endlich den Herrn Professor Nöldecke betrifft, so hat dieser selbst
öffentlich erklärt, ihm sei vor seinem Gutachten über die Talmudfrage von
den Verteidigern eine so hohe Summe als Honorar zugeschickt worden, daß
er sie nicht habe annehmen wollen, um etwaigen Verdächtigungen zu entgehen.
Wer hat je gehört, daß jemand vor Ausstellung eines Gutachtens ein Honorar
annähme? Was würden wir von einem Arzte sagen, der das thäte vor Aus¬
fertigung eines Attestes, von einem Anwalt vor Beglaubigung einer Sache,
welcher Lehrer bekommt vor Erledigung von Privatbemühungen Geld? Wes¬
halb fürchtet sich denn der Herr Professor überhaupt vor übler Nachrede?
Es ist ihm vorgeworfen worden, er habe in dem Prozeß Rodung gegen
35000 Mark für sein Gutachten erhalten, er hat aber die Erklärung ab¬
gegeben, daß er diese Summe nicht für sich allein erhalten habe. Wie viel
er davon genommen, oder wem er davon abgegeben hat, darüber schweigt er.
Wofür aber hat er dieses Geld eingesteckt? Nach seiner gerichtlichen Aussage
dafür, daß er nicht den ganzen Talmud gelesen hat, daß er aber überzeugt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/303>, abgerufen am 08.01.2025.