Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß einer Sache, wo es sich um Blut handelte, vorgekommen, daß man nicht alle Noch ein Punkt. Als der Vorsitzende des Gerichtshofs den Geschwor¬ Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß einer Sache, wo es sich um Blut handelte, vorgekommen, daß man nicht alle Noch ein Punkt. Als der Vorsitzende des Gerichtshofs den Geschwor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212778"/> <fw type="header" place="top"> Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß</fw><lb/> <p xml:id="ID_989" prev="#ID_988"> einer Sache, wo es sich um Blut handelte, vorgekommen, daß man nicht alle<lb/> Mittel angewandt hätte, um des Mörders habhaft zu werden? Man könnte<lb/> versucht sein, zu glauben, daß man hier von vornherein alles habe vermeiden<lb/> Wollen, den Urheber der ruchlosen That zu finden. Hätte dem Präsidenten<lb/> und den Staatsanwälten nicht alles daran liegen müssen, schon deshalb die<lb/> dunkle That an den Tag zu bringen, damit Buschoffs Unschuld aller Welt<lb/> sonnenklar würde? Haben die Staatsanwälte, hat der Präsident, denen man<lb/> doch eine derartige Routine zutrauen darf, auch nur ein einzigesmal mit dein<lb/> Angeklagten, seinem Sohne, der doch einen widerlichen Eindruck gemacht hat,<lb/> seiner Familie oder mit den für Busch off auftretenden Zeugen ein Kreuz¬<lb/> verhör vorgenommen? Haben sie an diese je verfängliche Fragen gerichtet?<lb/> Es war z. B. von zwei Seiten angezeigt worden, der kleine Hegemann sei<lb/> von einem Arme in Vnschoffs Haus hineingezogen worden. Hätte sich da<lb/> Buschoff nicht über deu Verbleib des Knaben rechtfertigen müssen? Ist ferner<lb/> energisch nachgeforscht worden, wer der fremde Jude gewesen ist, den man in<lb/> das Haus hat treten sehen? Einen geradezu peinlichen Eindruck macht es,<lb/> wenn fast vor jeder Sitzung der Präsident oder die Staatsanwälte, von den<lb/> Verteidigern gar uicht zu reden, sich gegen anonyme Briefe und gegen Zeitungs¬<lb/> berichte rechtfertige», wenn sie immer wieder ihre strengste Unparteilichkeit<lb/> hervorheben. Ist es soweit in Deutschland gekommen, daß die höchsten Justiz¬<lb/> beamten in diesem Umfange vou deu Anschuldigungen der Parteilichkeit Notiz<lb/> nehmen? Haben wir bisher nicht ein so hohes Vertrauen zu unsern Gerichten<lb/> gehabt, daß wir nicht daran zweifeln, der Präsident eines Geschwornengerichts<lb/> und die Staatsanwälte seien so erhaben über andre Rücksichten, daß, zumal<lb/> wenn es sich um den Mord eines unschuldigen Knaben handelt, eine wieder¬<lb/> holte Selbstverteidigung, ein Betonen der Unparteilichkeit gerade Mißtrauen<lb/> erregen muß? Ist es nicht eigentlich die schwerste Selbstbeleidigung, wenn<lb/> Männer, die im Namen des Königs, im Namen des heiligen Gottes Recht<lb/> sprechen, die Versicherung geben, sie brächen nicht das Recht? Worin unter¬<lb/> schieden sich zum Teil die Reden der Staatsanwülte von denen der Ver¬<lb/> teidiger? Und als sich nun der lange, schwere Prozeß seinem Ende nahte, er¬<lb/> gingen sich beide Staatsanwülte in Frende darüber, daß Buschoff als nicht<lb/> schuldig erfunden worden sei. Also das war alles, was sie herausgebracht<lb/> hatten, was sie herauszubringen sich bemüht hatten? Weshalb sagt der Staats¬<lb/> anwalt: „Es ist die Unschuld des Buschoff erwiesen"? Würde es nicht völlig<lb/> genügt haben, wenn er gesagt Hütte: „Buschoff ist nicht als schuldig befunden<lb/> worden" ?</p><lb/> <p xml:id="ID_990" next="#ID_991"> Noch ein Punkt. Als der Vorsitzende des Gerichtshofs den Geschwor¬<lb/> nen die Schuldfrage auf Mord vorlegt, erhebt sich der Obmann, Graf Los,<lb/> und erkundigt sich, ob nicht anch die Frage auf Mitwissenschaft zu stellen<lb/> sei, und der Präsident verneint dies. Entweder haben also der Präsident</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Gedanken eines Laien über den Buschoffschen Prozeß
einer Sache, wo es sich um Blut handelte, vorgekommen, daß man nicht alle
Mittel angewandt hätte, um des Mörders habhaft zu werden? Man könnte
versucht sein, zu glauben, daß man hier von vornherein alles habe vermeiden
Wollen, den Urheber der ruchlosen That zu finden. Hätte dem Präsidenten
und den Staatsanwälten nicht alles daran liegen müssen, schon deshalb die
dunkle That an den Tag zu bringen, damit Buschoffs Unschuld aller Welt
sonnenklar würde? Haben die Staatsanwälte, hat der Präsident, denen man
doch eine derartige Routine zutrauen darf, auch nur ein einzigesmal mit dein
Angeklagten, seinem Sohne, der doch einen widerlichen Eindruck gemacht hat,
seiner Familie oder mit den für Busch off auftretenden Zeugen ein Kreuz¬
verhör vorgenommen? Haben sie an diese je verfängliche Fragen gerichtet?
Es war z. B. von zwei Seiten angezeigt worden, der kleine Hegemann sei
von einem Arme in Vnschoffs Haus hineingezogen worden. Hätte sich da
Buschoff nicht über deu Verbleib des Knaben rechtfertigen müssen? Ist ferner
energisch nachgeforscht worden, wer der fremde Jude gewesen ist, den man in
das Haus hat treten sehen? Einen geradezu peinlichen Eindruck macht es,
wenn fast vor jeder Sitzung der Präsident oder die Staatsanwälte, von den
Verteidigern gar uicht zu reden, sich gegen anonyme Briefe und gegen Zeitungs¬
berichte rechtfertige», wenn sie immer wieder ihre strengste Unparteilichkeit
hervorheben. Ist es soweit in Deutschland gekommen, daß die höchsten Justiz¬
beamten in diesem Umfange vou deu Anschuldigungen der Parteilichkeit Notiz
nehmen? Haben wir bisher nicht ein so hohes Vertrauen zu unsern Gerichten
gehabt, daß wir nicht daran zweifeln, der Präsident eines Geschwornengerichts
und die Staatsanwälte seien so erhaben über andre Rücksichten, daß, zumal
wenn es sich um den Mord eines unschuldigen Knaben handelt, eine wieder¬
holte Selbstverteidigung, ein Betonen der Unparteilichkeit gerade Mißtrauen
erregen muß? Ist es nicht eigentlich die schwerste Selbstbeleidigung, wenn
Männer, die im Namen des Königs, im Namen des heiligen Gottes Recht
sprechen, die Versicherung geben, sie brächen nicht das Recht? Worin unter¬
schieden sich zum Teil die Reden der Staatsanwülte von denen der Ver¬
teidiger? Und als sich nun der lange, schwere Prozeß seinem Ende nahte, er¬
gingen sich beide Staatsanwülte in Frende darüber, daß Buschoff als nicht
schuldig erfunden worden sei. Also das war alles, was sie herausgebracht
hatten, was sie herauszubringen sich bemüht hatten? Weshalb sagt der Staats¬
anwalt: „Es ist die Unschuld des Buschoff erwiesen"? Würde es nicht völlig
genügt haben, wenn er gesagt Hütte: „Buschoff ist nicht als schuldig befunden
worden" ?
Noch ein Punkt. Als der Vorsitzende des Gerichtshofs den Geschwor¬
nen die Schuldfrage auf Mord vorlegt, erhebt sich der Obmann, Graf Los,
und erkundigt sich, ob nicht anch die Frage auf Mitwissenschaft zu stellen
sei, und der Präsident verneint dies. Entweder haben also der Präsident
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