Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Dene sakrische Preiße is bigott an nit beizkvmme, ma avant, die Kalbe Ich versprach ihnen gern meine Dienste; ich sei selber froh, den weiten Er habe Recht, fiel ihm hier der Tuttlinger in die Rede; wenn die Aber die württembergischen Anführer schienen andrer Meinung; denn Dene sakrische Preiße is bigott an nit beizkvmme, ma avant, die Kalbe Ich versprach ihnen gern meine Dienste; ich sei selber froh, den weiten Er habe Recht, fiel ihm hier der Tuttlinger in die Rede; wenn die Aber die württembergischen Anführer schienen andrer Meinung; denn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212771"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_968"> Dene sakrische Preiße is bigott an nit beizkvmme, ma avant, die Kalbe<lb/> hättet de Deifel im Leib, klagte der Tuttlinger. Der Hannpeter dagegen war<lb/> sehr nachdenklich geworden; er meinte, es sei höchste Zeit, daß man über seine<lb/> eigne Lage zu Rate gehe. Das Städtchen sei von den Preußen genommen,<lb/> und wenn diese am Abend kämen, um Heu für ihre Pferde zu holen, und<lb/> zwei Württemberger Jäger im Futter fänden, so würde das ein schönes Fressen<lb/> für sie sein. Um keinen Preis aber wolle er sich von diesen Hungerleidern<lb/> gefangen nehmen lassen. Lieber laß ich mich von ihnen totschießen wie einen<lb/> tollen Hund! rief er in kühner Aufwallung aus. Dann gestand er, bereits<lb/> einen Plan ausgedacht zu haben, und ich müsse ihm dabei behilflich sein. Ich<lb/> brauchte nur mit dem Eigentümer der Scheune zu reden, der würde ihnen<lb/> gegen ihre Waffen und Uniformen gern alte Werkelkleider austauschen. So<lb/> könnten wir uusern Versteck gefahrlos als Bauern verlassen und gehn, wohin<lb/> wir wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_969"> Ich versprach ihnen gern meine Dienste; ich sei selber froh, den weiten<lb/> Weg nach Hinterwinkel nicht allein machen zu müssen. Aber da wurde der<lb/> Hannpeter bös. Ob ich ihn denn für einen schlechten Soldaten, für einen<lb/> Ausreißer hielte, für einen Desserteur. Nicht nach Hinterwinkel, nein, zu<lb/> seiner Kompagnie wolle er. Und er lachte laut. Nach Hinterwinkel zum<lb/> Blesfenvogt, da käme er gerad recht zur Ernte. Nein, Wenns auch gar nicht<lb/> wegen des Dessertirens wär, nach Hinterwinkel ginge er nicht, fiele ihm gar<lb/> nicht ein; im Feldlager sei es schöner, und besonders in den Quartieren.<lb/> Er habe schon lang kein so lustiges Leben geführt wie die letzten vier<lb/> Wochen. Gut Essen und Trinken in Freundesland, in jedem Ort hübschere<lb/> Mädchen, und kein Feind weit und breit. Den ersten Preußen habe er heut<lb/> zu Gesicht bekommen. Warum es denn nicht wieder so werden könne. Die<lb/> Preußen ärgerten sich ja am meisten, wenn man ihnen vorsichtig aus dem<lb/> Schuß gehe.</p><lb/> <p xml:id="ID_970"> Er habe Recht, fiel ihm hier der Tuttlinger in die Rede; wenn die<lb/> Preußen drei Tage lang ihre Zündnadel nicht losdrücken dürften, ärgerten sie<lb/> sich zu Tode, es sei also ganz unnötig, sie tot zu schießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_971" next="#ID_972"> Aber die württembergischen Anführer schienen andrer Meinung; denn<lb/> eben begann draußen der Tanz zum drittcnmcile. Einige vereinzelte Schüsse<lb/> Präludirten, und sofort erhob sich ein höllisches Geknall und Geknatter, zu dem<lb/> die Kanonen den Baß brummten. Auf den Dächern umher, auch auf unserm<lb/> eignen hörte man von Zeit zu Zeit ein Prasseln, als ob es Feldsteine hagelte.<lb/> Uns allen ward unheimlich zu Mute. Der Tuttlinger versuchte zwar einen<lb/> Witz zu macheu, aber das Wort ward ihm vom Mund abgeschnitten. Es ge¬<lb/> schah ein Krachen, wie ich noch nie gehört hatte, und zugleich wurde es taghell<lb/> um uns. In die Lehmwand unsrer Scheune war ein großes Loch gerissen.<lb/> Eine Granate, kaum drei Schritte davon geplatzt, hatte einen mächtigen Splitter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
Dene sakrische Preiße is bigott an nit beizkvmme, ma avant, die Kalbe
hättet de Deifel im Leib, klagte der Tuttlinger. Der Hannpeter dagegen war
sehr nachdenklich geworden; er meinte, es sei höchste Zeit, daß man über seine
eigne Lage zu Rate gehe. Das Städtchen sei von den Preußen genommen,
und wenn diese am Abend kämen, um Heu für ihre Pferde zu holen, und
zwei Württemberger Jäger im Futter fänden, so würde das ein schönes Fressen
für sie sein. Um keinen Preis aber wolle er sich von diesen Hungerleidern
gefangen nehmen lassen. Lieber laß ich mich von ihnen totschießen wie einen
tollen Hund! rief er in kühner Aufwallung aus. Dann gestand er, bereits
einen Plan ausgedacht zu haben, und ich müsse ihm dabei behilflich sein. Ich
brauchte nur mit dem Eigentümer der Scheune zu reden, der würde ihnen
gegen ihre Waffen und Uniformen gern alte Werkelkleider austauschen. So
könnten wir uusern Versteck gefahrlos als Bauern verlassen und gehn, wohin
wir wollten.
Ich versprach ihnen gern meine Dienste; ich sei selber froh, den weiten
Weg nach Hinterwinkel nicht allein machen zu müssen. Aber da wurde der
Hannpeter bös. Ob ich ihn denn für einen schlechten Soldaten, für einen
Ausreißer hielte, für einen Desserteur. Nicht nach Hinterwinkel, nein, zu
seiner Kompagnie wolle er. Und er lachte laut. Nach Hinterwinkel zum
Blesfenvogt, da käme er gerad recht zur Ernte. Nein, Wenns auch gar nicht
wegen des Dessertirens wär, nach Hinterwinkel ginge er nicht, fiele ihm gar
nicht ein; im Feldlager sei es schöner, und besonders in den Quartieren.
Er habe schon lang kein so lustiges Leben geführt wie die letzten vier
Wochen. Gut Essen und Trinken in Freundesland, in jedem Ort hübschere
Mädchen, und kein Feind weit und breit. Den ersten Preußen habe er heut
zu Gesicht bekommen. Warum es denn nicht wieder so werden könne. Die
Preußen ärgerten sich ja am meisten, wenn man ihnen vorsichtig aus dem
Schuß gehe.
Er habe Recht, fiel ihm hier der Tuttlinger in die Rede; wenn die
Preußen drei Tage lang ihre Zündnadel nicht losdrücken dürften, ärgerten sie
sich zu Tode, es sei also ganz unnötig, sie tot zu schießen.
Aber die württembergischen Anführer schienen andrer Meinung; denn
eben begann draußen der Tanz zum drittcnmcile. Einige vereinzelte Schüsse
Präludirten, und sofort erhob sich ein höllisches Geknall und Geknatter, zu dem
die Kanonen den Baß brummten. Auf den Dächern umher, auch auf unserm
eignen hörte man von Zeit zu Zeit ein Prasseln, als ob es Feldsteine hagelte.
Uns allen ward unheimlich zu Mute. Der Tuttlinger versuchte zwar einen
Witz zu macheu, aber das Wort ward ihm vom Mund abgeschnitten. Es ge¬
schah ein Krachen, wie ich noch nie gehört hatte, und zugleich wurde es taghell
um uns. In die Lehmwand unsrer Scheune war ein großes Loch gerissen.
Eine Granate, kaum drei Schritte davon geplatzt, hatte einen mächtigen Splitter
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