Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Weltgeschichte in Hinterminkel als Unterländer so komisch erschien, in der Finsternis des Heubodens, wo mein Hol mich der Teufel, da ist ja unser Herr Student! rief plötzlich der andre Aber gelt, hier nützt alles Latein nix, fiel der gesprächige Tuttlinger ein. Wenn er nur draußen wäre, statt in dem finstern Loch da, meinte der Helf Gott, Tuttlinger! sagte er lachend und schimpfte über den Heustaub, Ich weiß nicht, woher ich das Herz nahm, zu bemerken, daß ja gar nie¬ Der Tuttlinger lachte und verbarg seinen Ärger; das behaupte ein Darauf begannen die zwei zu Politisiren. Es sei kein Zusammenhaltens Da begann draußen wieder das Feuer. Gebt acht, unsre Leid kommet Ein gewaltiges Geknatter ließ sich hören, und so nahe, als ob das Gefecht Weltgeschichte in Hinterminkel als Unterländer so komisch erschien, in der Finsternis des Heubodens, wo mein Hol mich der Teufel, da ist ja unser Herr Student! rief plötzlich der andre Aber gelt, hier nützt alles Latein nix, fiel der gesprächige Tuttlinger ein. Wenn er nur draußen wäre, statt in dem finstern Loch da, meinte der Helf Gott, Tuttlinger! sagte er lachend und schimpfte über den Heustaub, Ich weiß nicht, woher ich das Herz nahm, zu bemerken, daß ja gar nie¬ Der Tuttlinger lachte und verbarg seinen Ärger; das behaupte ein Darauf begannen die zwei zu Politisiren. Es sei kein Zusammenhaltens Da begann draußen wieder das Feuer. Gebt acht, unsre Leid kommet Ein gewaltiges Geknatter ließ sich hören, und so nahe, als ob das Gefecht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212770"/> <fw type="header" place="top"> Weltgeschichte in Hinterminkel</fw><lb/> <p xml:id="ID_958" prev="#ID_957"> als Unterländer so komisch erschien, in der Finsternis des Heubodens, wo mein<lb/> sich nur hören, aber nicht sehn konnte. Einmal mußte ich lant herauslachen,<lb/> so wenig mir auch darnach zu Mute war.</p><lb/> <p xml:id="ID_959"> Hol mich der Teufel, da ist ja unser Herr Student! rief plötzlich der andre<lb/> Soldat, der sich bisher stumm verhalten hatte. Student hieß man mich wegen<lb/> meiner lateinischen Stunden beim Pfarrer. Der aber so gesprochen hatte, war<lb/> der Hannpeter, der Knecht des Vlessenvogts, und wir freuten uns beide des<lb/> Wiedersehns, wenigstens des Wiederhörens.</p><lb/> <p xml:id="ID_960"> Aber gelt, hier nützt alles Latein nix, fiel der gesprächige Tuttlinger ein.<lb/> Diese Kalbe von Preiße, die redet denses mit eim.</p><lb/> <p xml:id="ID_961"> Wenn er nur draußen wäre, statt in dem finstern Loch da, meinte der<lb/> Hannpeter; er wollte auch ein Wörtlein mit ihnen reden. Der Tutt¬<lb/> linger nieste.</p><lb/> <p xml:id="ID_962"> Helf Gott, Tuttlinger! sagte er lachend und schimpfte über den Heustaub,<lb/> der einen in der Nase kitzle. Aber man müsse froh sein, wenn einen über¬<lb/> haupt noch etwas kitzle; wär ihnen die Scheuer nicht im Weg gestanden, gäbs<lb/> jetzt für sie alle drei kein Helf Gott mehr, im besten Falle Pumpernickel und<lb/> schmutziges Wasser in der Festung zu Spandau.</p><lb/> <p xml:id="ID_963"> Ich weiß nicht, woher ich das Herz nahm, zu bemerken, daß ja gar nie¬<lb/> mand hinter ihnen drein gewesen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_964"> Der Tuttlinger lachte und verbarg seinen Ärger; das behaupte ein<lb/> Schneiderjung, der vor Angst einen Kirchturm und eine Pickelhaube nicht<lb/> mehr habe unterscheiden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Darauf begannen die zwei zu Politisiren. Es sei kein Zusammenhaltens<lb/> in dem Krieg, und darum kein Glück. Die obersten Anführer, allesamt Prinzen,<lb/> bis auf den ihrigen, den ehrlichen Hardcgg, steckten mit Preußen unter einer<lb/> Decke und führten den Krieg nur zum Schein. Es sei auch schon im voraus<lb/> unter ihnen abgekartet gewesen, daß die Preußen siegen sollten. Am verdäch¬<lb/> tigsten von allen sei der badische; der stünde immer beiseite und wollte nie<lb/> mit thun. Heute habe er sich, wie man von Bauern erfahren, eine Stunde<lb/> thalabwärts postirt, und wahrscheinlich habe er die Preußen vorher benach¬<lb/> richtigt, daß sie nicht zu ihm kämen, sondern zu deu Württembergern.</p><lb/> <p xml:id="ID_966"> Da begann draußen wieder das Feuer. Gebt acht, unsre Leid kommet<lb/> zurück, die Preiße krieget no ihre Hieb, flüsterte der Tuttlinger.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Ein gewaltiges Geknatter ließ sich hören, und so nahe, als ob das Gefecht<lb/> rings um die Scheune stattfände. Zugleich erhoben die Geschütze ihre Stimmen<lb/> — bum — bum — immer häufiger, immer rascher hinter einander. Aber so<lb/> heftig wie das Schießen begonnen hatte, so schnell hörte es auch wieder auf.<lb/> Offenbar hatten unsre Landsleute dem Zündnadelgewehr nicht Stand halten<lb/> können und sich schleunigst wieder hinter ihre Deckung zurückgezogen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
Weltgeschichte in Hinterminkel
als Unterländer so komisch erschien, in der Finsternis des Heubodens, wo mein
sich nur hören, aber nicht sehn konnte. Einmal mußte ich lant herauslachen,
so wenig mir auch darnach zu Mute war.
Hol mich der Teufel, da ist ja unser Herr Student! rief plötzlich der andre
Soldat, der sich bisher stumm verhalten hatte. Student hieß man mich wegen
meiner lateinischen Stunden beim Pfarrer. Der aber so gesprochen hatte, war
der Hannpeter, der Knecht des Vlessenvogts, und wir freuten uns beide des
Wiedersehns, wenigstens des Wiederhörens.
Aber gelt, hier nützt alles Latein nix, fiel der gesprächige Tuttlinger ein.
Diese Kalbe von Preiße, die redet denses mit eim.
Wenn er nur draußen wäre, statt in dem finstern Loch da, meinte der
Hannpeter; er wollte auch ein Wörtlein mit ihnen reden. Der Tutt¬
linger nieste.
Helf Gott, Tuttlinger! sagte er lachend und schimpfte über den Heustaub,
der einen in der Nase kitzle. Aber man müsse froh sein, wenn einen über¬
haupt noch etwas kitzle; wär ihnen die Scheuer nicht im Weg gestanden, gäbs
jetzt für sie alle drei kein Helf Gott mehr, im besten Falle Pumpernickel und
schmutziges Wasser in der Festung zu Spandau.
Ich weiß nicht, woher ich das Herz nahm, zu bemerken, daß ja gar nie¬
mand hinter ihnen drein gewesen wäre.
Der Tuttlinger lachte und verbarg seinen Ärger; das behaupte ein
Schneiderjung, der vor Angst einen Kirchturm und eine Pickelhaube nicht
mehr habe unterscheiden können.
Darauf begannen die zwei zu Politisiren. Es sei kein Zusammenhaltens
in dem Krieg, und darum kein Glück. Die obersten Anführer, allesamt Prinzen,
bis auf den ihrigen, den ehrlichen Hardcgg, steckten mit Preußen unter einer
Decke und führten den Krieg nur zum Schein. Es sei auch schon im voraus
unter ihnen abgekartet gewesen, daß die Preußen siegen sollten. Am verdäch¬
tigsten von allen sei der badische; der stünde immer beiseite und wollte nie
mit thun. Heute habe er sich, wie man von Bauern erfahren, eine Stunde
thalabwärts postirt, und wahrscheinlich habe er die Preußen vorher benach¬
richtigt, daß sie nicht zu ihm kämen, sondern zu deu Württembergern.
Da begann draußen wieder das Feuer. Gebt acht, unsre Leid kommet
zurück, die Preiße krieget no ihre Hieb, flüsterte der Tuttlinger.
Ein gewaltiges Geknatter ließ sich hören, und so nahe, als ob das Gefecht
rings um die Scheune stattfände. Zugleich erhoben die Geschütze ihre Stimmen
— bum — bum — immer häufiger, immer rascher hinter einander. Aber so
heftig wie das Schießen begonnen hatte, so schnell hörte es auch wieder auf.
Offenbar hatten unsre Landsleute dem Zündnadelgewehr nicht Stand halten
können und sich schleunigst wieder hinter ihre Deckung zurückgezogen.
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