Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Aufklärungen über studentische Dinge gegen die Korps: Vertretung der Gleichberechtigung aller Studenten. Manche Aufklärungen über studentische Dinge gegen die Korps: Vertretung der Gleichberechtigung aller Studenten. Manche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212505"/> <fw type="header" place="top"> Aufklärungen über studentische Dinge</fw><lb/> <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51" next="#ID_53"> gegen die Korps: Vertretung der Gleichberechtigung aller Studenten. Manche<lb/> von den heutigen burschenschaftlichen Verbindungen kümmern sich freilich gar<lb/> nicht mehr um diesen Satz, die Jenaer Burschenschafter machen sogar mit den<lb/> Korps darin gemeinsame Sache, die ganze übrige Studentenschaft Jenas<lb/> niederzuducken, andre begnügen sich mit der grauen Theorie, aber hie und da<lb/> versucht doch eine ehrliche und wohlmeinende Burschenschaft, besonders wenn<lb/> sie einen ideal angelegten und prinzipieneifrigen Leiter hat, den alten Grund¬<lb/> satz bei allgemeinen studentischen Gelegenheiten, in sogenannten Ausschüssen<lb/> und bei Berührungen mit andern Verbindungen oder einzelnen „Finken" (Nicht-<lb/> verbindungsstndenten) praktisch zur Geltung zu bringen. Das ist freilich eine<lb/> sehr schwere Sache, und kein Mensch weiß recht, wie es gemacht werden soll.<lb/> Wohlgemerkt: es handelt sich nicht um die bloße Anerkennung jener Gleich¬<lb/> berechtigung— das wäre ja eine ganz vernünftige und einfache Sache —, viel¬<lb/> mehr um ihre positive Vertretung. Man stelle sich vor: eine Verbindung,<lb/> festgeschlossen, mit starren Ausnahmebestimmungen (Einhelligkeit oder Vierfünftel¬<lb/> mehrheit bei den Mitglieder!?), mit vollberechtigter Burschen und mehr oder<lb/> minder rechtlosen Füchsen, mit Mütze und Band, mit Bierzipfel, Ringen,<lb/> Kravattenncideln und anderen mehr oder weniger geckenhaften Farben- und<lb/> Zirkeltand, mit der Forderung unbedingter Satisfaktion, mit der angemaßten<lb/> Strafgewalt der Verrufserklärungeu n. f. w. giebt vor, der Teil der Studenten¬<lb/> schaft zu sein, der die Gleichberechtigung, die l^auto aller akademischen Bürger<lb/> ganz besonders vertrete! Und was sagt denn die Studentenschaft selbst dazu?<lb/> Die übrigen Verbindungsgruppen haben alle, hie und da mit einer papiernen<lb/> Wendung gegen die Korps in ihren Statuten, den »tru^lo lor Ule auf ihre<lb/> Fahnen geschrieben und suchen in der studentischen Rangordnung eine möglichst<lb/> hohe Stufe zu erklimmen. Das Entgegenkommen der einen oder andern für<lb/> Gleichberechtigung kämpfenden Burschenschaft nehmen sie dabei sehr gern an.<lb/> Aber wenn die Sache dem lokalen d (den .Korps) irgendwie bedrohlich<lb/> oder nicht genehm sein sollte, so braucht er nur einen einzigen Gnadenblick<lb/> nach der mit den Burschenschaftern fraternisirenden Verbindung herüberzu¬<lb/> senden, oder, auch ohne absichtliches Zuthun des 8. 0., es braucht nur einmal<lb/> ein Mitglied jener sonstigen Verbindung in den Ferien Gelegenheit zu haben,<lb/> mit einem alten Mitschüler, der Kvrpsfnchs geworden ist, zu verkehren, so<lb/> ist alles wieder aus, die Burschenschaft hat für jene dritte Verbindung ihre<lb/> Schuldigkeit gethan und kann gehen, und der hohe L. (I braucht gar keine<lb/> weitern Gnadenblicke mehr zu verschwenden. In noch weit höherm Grade ist<lb/> der 'Finke ein schmachtender Korpsbewundrer, und wenn er sich gar zufällig in<lb/> der Ehre wiegt, irgend einen Korpsier auf der Straße grüßen zu dürfen, so<lb/> pfeift er auf die Gleichberechtigung und thut vou seiner menschlichen Höhe herab<lb/> die Burschenschaft als eine doch nur ruppige Bande in seinen persönlichen<lb/> Verruf. Es liegt an den Jämmerlichkeiten der menschlichen Natur, wenn unter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Aufklärungen über studentische Dinge
gegen die Korps: Vertretung der Gleichberechtigung aller Studenten. Manche
von den heutigen burschenschaftlichen Verbindungen kümmern sich freilich gar
nicht mehr um diesen Satz, die Jenaer Burschenschafter machen sogar mit den
Korps darin gemeinsame Sache, die ganze übrige Studentenschaft Jenas
niederzuducken, andre begnügen sich mit der grauen Theorie, aber hie und da
versucht doch eine ehrliche und wohlmeinende Burschenschaft, besonders wenn
sie einen ideal angelegten und prinzipieneifrigen Leiter hat, den alten Grund¬
satz bei allgemeinen studentischen Gelegenheiten, in sogenannten Ausschüssen
und bei Berührungen mit andern Verbindungen oder einzelnen „Finken" (Nicht-
verbindungsstndenten) praktisch zur Geltung zu bringen. Das ist freilich eine
sehr schwere Sache, und kein Mensch weiß recht, wie es gemacht werden soll.
Wohlgemerkt: es handelt sich nicht um die bloße Anerkennung jener Gleich¬
berechtigung— das wäre ja eine ganz vernünftige und einfache Sache —, viel¬
mehr um ihre positive Vertretung. Man stelle sich vor: eine Verbindung,
festgeschlossen, mit starren Ausnahmebestimmungen (Einhelligkeit oder Vierfünftel¬
mehrheit bei den Mitglieder!?), mit vollberechtigter Burschen und mehr oder
minder rechtlosen Füchsen, mit Mütze und Band, mit Bierzipfel, Ringen,
Kravattenncideln und anderen mehr oder weniger geckenhaften Farben- und
Zirkeltand, mit der Forderung unbedingter Satisfaktion, mit der angemaßten
Strafgewalt der Verrufserklärungeu n. f. w. giebt vor, der Teil der Studenten¬
schaft zu sein, der die Gleichberechtigung, die l^auto aller akademischen Bürger
ganz besonders vertrete! Und was sagt denn die Studentenschaft selbst dazu?
Die übrigen Verbindungsgruppen haben alle, hie und da mit einer papiernen
Wendung gegen die Korps in ihren Statuten, den »tru^lo lor Ule auf ihre
Fahnen geschrieben und suchen in der studentischen Rangordnung eine möglichst
hohe Stufe zu erklimmen. Das Entgegenkommen der einen oder andern für
Gleichberechtigung kämpfenden Burschenschaft nehmen sie dabei sehr gern an.
Aber wenn die Sache dem lokalen d (den .Korps) irgendwie bedrohlich
oder nicht genehm sein sollte, so braucht er nur einen einzigen Gnadenblick
nach der mit den Burschenschaftern fraternisirenden Verbindung herüberzu¬
senden, oder, auch ohne absichtliches Zuthun des 8. 0., es braucht nur einmal
ein Mitglied jener sonstigen Verbindung in den Ferien Gelegenheit zu haben,
mit einem alten Mitschüler, der Kvrpsfnchs geworden ist, zu verkehren, so
ist alles wieder aus, die Burschenschaft hat für jene dritte Verbindung ihre
Schuldigkeit gethan und kann gehen, und der hohe L. (I braucht gar keine
weitern Gnadenblicke mehr zu verschwenden. In noch weit höherm Grade ist
der 'Finke ein schmachtender Korpsbewundrer, und wenn er sich gar zufällig in
der Ehre wiegt, irgend einen Korpsier auf der Straße grüßen zu dürfen, so
pfeift er auf die Gleichberechtigung und thut vou seiner menschlichen Höhe herab
die Burschenschaft als eine doch nur ruppige Bande in seinen persönlichen
Verruf. Es liegt an den Jämmerlichkeiten der menschlichen Natur, wenn unter
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