Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
ärztliche Studium der Frauen

sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werdeu.
Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der Hähern Mädchenschule und
weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich
haben, werden dann anch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das
Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge
zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Exameubüffelu in
ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer sür den zukünftigen Beruf
wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt
werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher,
französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so
ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme
wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden.

Wo und wie aber werden solche dreijährige Vvrbereitungskurse einzu¬
richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen¬
schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe
der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit
einer Borbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden.
Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten
Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbilduugskurse ein¬
gerichtet werden. Ich nenne als solche Orte, die bereits vvllausgebaute höhere
Mädchenschule,: besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An
diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei¬
jährigen Vorbcreitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht
für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen¬
schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es
handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern
Orten durch Privatstudinm oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle¬
rinnen zuströmei? würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Nickert
äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden
auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen
dnrch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu
tragen. Im übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe
und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre,
jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen.

Ich setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche
Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch
aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche
Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen
medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche
Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands
mit Erfolg aufzusuchen.


ärztliche Studium der Frauen

sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werdeu.
Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der Hähern Mädchenschule und
weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich
haben, werden dann anch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das
Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge
zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Exameubüffelu in
ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer sür den zukünftigen Beruf
wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt
werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher,
französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so
ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme
wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden.

Wo und wie aber werden solche dreijährige Vvrbereitungskurse einzu¬
richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen¬
schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe
der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit
einer Borbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden.
Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten
Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbilduugskurse ein¬
gerichtet werden. Ich nenne als solche Orte, die bereits vvllausgebaute höhere
Mädchenschule,: besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An
diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei¬
jährigen Vorbcreitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht
für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen¬
schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es
handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern
Orten durch Privatstudinm oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle¬
rinnen zuströmei? würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Nickert
äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden
auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen
dnrch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu
tragen. Im übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe
und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre,
jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen.

Ich setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche
Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch
aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche
Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen
medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche
Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands
mit Erfolg aufzusuchen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212740"/>
          <fw type="header" place="top"> ärztliche Studium der Frauen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_861" prev="#ID_860"> sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werdeu.<lb/>
Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der Hähern Mädchenschule und<lb/>
weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich<lb/>
haben, werden dann anch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das<lb/>
Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge<lb/>
zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Exameubüffelu in<lb/>
ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer sür den zukünftigen Beruf<lb/>
wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt<lb/>
werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher,<lb/>
französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so<lb/>
ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme<lb/>
wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_862"> Wo und wie aber werden solche dreijährige Vvrbereitungskurse einzu¬<lb/>
richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen¬<lb/>
schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe<lb/>
der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit<lb/>
einer Borbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden.<lb/>
Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten<lb/>
Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbilduugskurse ein¬<lb/>
gerichtet werden. Ich nenne als solche Orte, die bereits vvllausgebaute höhere<lb/>
Mädchenschule,: besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An<lb/>
diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei¬<lb/>
jährigen Vorbcreitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht<lb/>
für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen¬<lb/>
schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es<lb/>
handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern<lb/>
Orten durch Privatstudinm oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle¬<lb/>
rinnen zuströmei? würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Nickert<lb/>
äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden<lb/>
auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen<lb/>
dnrch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu<lb/>
tragen. Im übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe<lb/>
und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre,<lb/>
jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_863"> Ich setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche<lb/>
Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch<lb/>
aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche<lb/>
Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen<lb/>
medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche<lb/>
Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands<lb/>
mit Erfolg aufzusuchen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0264] ärztliche Studium der Frauen sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werdeu. Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der Hähern Mädchenschule und weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich haben, werden dann anch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Exameubüffelu in ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer sür den zukünftigen Beruf wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher, französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden. Wo und wie aber werden solche dreijährige Vvrbereitungskurse einzu¬ richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen¬ schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit einer Borbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden. Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbilduugskurse ein¬ gerichtet werden. Ich nenne als solche Orte, die bereits vvllausgebaute höhere Mädchenschule,: besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei¬ jährigen Vorbcreitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen¬ schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern Orten durch Privatstudinm oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle¬ rinnen zuströmei? würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Nickert äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen dnrch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu tragen. Im übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre, jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen. Ich setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands mit Erfolg aufzusuchen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/264
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/264>, abgerufen am 08.01.2025.