Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Ich denke mir eine derartige Vvrbereitnngsanstalt als eine vollausgebaute Ist dann die Arbeitsaufgabe der oben aufgesetzten drei Jahrgänge durch¬ Ich denke mir eine derartige Vvrbereitnngsanstalt als eine vollausgebaute Ist dann die Arbeitsaufgabe der oben aufgesetzten drei Jahrgänge durch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212739"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_859"> Ich denke mir eine derartige Vvrbereitnngsanstalt als eine vollausgebaute<lb/> zehuklassige höhere Mädchenschule, die ihre Schülerinnen mindestens bis zum<lb/> vollendeten sechzehnten Lebensjahre beschäftigt. Sie hat zunächst die Aufgabe,<lb/> den Mädchen eine allgemeine Bildung, wie sie die Gegenwart fordert, mit¬<lb/> zugeben durch das allmähliche Aufsteigen vom elementaren Lernen zu mehr<lb/> wissenschaftlicher Durcharbeitung des Lehrstoffs. Hauptfächer sind: Religion,<lb/> Deutsch, Französisch, Englisch, Welt- und vaterländische Geschichte, dazu die<lb/> andern Schulfächer. Der Grundstock der Schülerinnen tritt vor oder mit<lb/> Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs aus. Für die zukünftigen Studentinnen<lb/> der Medizin werden noch drei weitere Klaffen aufgesetzt. In diesen werden<lb/> die wissenschaftlichen Hauptfächer weitergeführt und vertieft bis zu tüchtiger<lb/> Kenntnis, wobei die schriftliche und mündliche Beherrschung den beiden fremden<lb/> Sprachen erstrebt wird. Dazu kommt ausgiebig Naturwissenschaft, also Pflanzen¬<lb/> kunde, Chemie, Phhsik, Gesundheitslehre, ebenso zur Schärfung der Denk¬<lb/> thätigkeit Mathematik, jedoch nicht in der Ausdehnung wie in den Oberklassen<lb/> der Knabenschulen. Ob für das Nczeptiren und das Verständnis der Pharma-<lb/> kopöe ein Jahreskurs des Lateinischen, für die allgemeine Ausbildung ein<lb/> Jahrgang der Psychologie empfehlenswert sei. mag hier wenigstens frageweise<lb/> angedeutet werden. In diese dreiklassige Oberstufe können auch auswärts<lb/> vorgebildete Schülerinnen eintreten, doch nur uach dem Nachweis einer durch¬<lb/> aus genügenden Vorbereitung. Ebenso können diese drei Klassen ohne den<lb/> Unterbau einer zehnjährigen Hähern Mädchenschule eingerichtet werden; aber<lb/> auch da ist eine scharfe Aufnahmeprüfung erstes Erfordernis. Auch in den<lb/> Versetzungen muß Strenge herrschen, es muß strauuue Arbeit gefordert werden;<lb/> nicht auf viele Stunden, sondern auf Anleitung zu eigner Thätigkeit kommt<lb/> es ein. Natürlich würde dieser dreijährige Fortbildungs- oder Vorbereitungs¬<lb/> kursus auch gediegne Lehrkräfte und wirklich wissenschaftliche Vertiefung des<lb/> Unterrichtsstoffes fordern, denn es ist durchaus festzuhalten: die künftige<lb/> Ärztin bedarf zum Wettbewerb mit dem an den alten Sprachen geschulten<lb/> Jüngling eines wohl ausgestatteten Schulsackes, einer tüchtigen, gründlich<lb/> wissenschaftlichen Vorbildung. Es giebt keinen Königsweg zur Mathematik,<lb/> und es giebt keinen bequemen Frauenweg zu einem so hochverantwvrtlichcn<lb/> Berufe, wie es der ärztliche ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_860" next="#ID_861"> Ist dann die Arbeitsaufgabe der oben aufgesetzten drei Jahrgänge durch¬<lb/> gearbeitet, hat die Schülerin mindestens das neunzehnte Lebensjahr vollendet,<lb/> so folgt die Reifeprüfung vor einer besonders dazu niedergesetzten Kommission.<lb/> Festzustellen, was in dieser Prüfung zu fordern sei, wird Sache der staatlichen Be¬<lb/> hörden sein; treten an die Stelle der alten die neuen Sprachen, an die Stelle der<lb/> Mathematik die Naturwissenschaften, so wird die Gleichheit der Anforderungen<lb/> zwischen gymnasialer und moderner Bildung wohl hergestellt sein, besonders<lb/> wenn wir bedenken, daß die Abiturienten der Gymnasien teilweise Mittelkräfte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Ich denke mir eine derartige Vvrbereitnngsanstalt als eine vollausgebaute
zehuklassige höhere Mädchenschule, die ihre Schülerinnen mindestens bis zum
vollendeten sechzehnten Lebensjahre beschäftigt. Sie hat zunächst die Aufgabe,
den Mädchen eine allgemeine Bildung, wie sie die Gegenwart fordert, mit¬
zugeben durch das allmähliche Aufsteigen vom elementaren Lernen zu mehr
wissenschaftlicher Durcharbeitung des Lehrstoffs. Hauptfächer sind: Religion,
Deutsch, Französisch, Englisch, Welt- und vaterländische Geschichte, dazu die
andern Schulfächer. Der Grundstock der Schülerinnen tritt vor oder mit
Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs aus. Für die zukünftigen Studentinnen
der Medizin werden noch drei weitere Klaffen aufgesetzt. In diesen werden
die wissenschaftlichen Hauptfächer weitergeführt und vertieft bis zu tüchtiger
Kenntnis, wobei die schriftliche und mündliche Beherrschung den beiden fremden
Sprachen erstrebt wird. Dazu kommt ausgiebig Naturwissenschaft, also Pflanzen¬
kunde, Chemie, Phhsik, Gesundheitslehre, ebenso zur Schärfung der Denk¬
thätigkeit Mathematik, jedoch nicht in der Ausdehnung wie in den Oberklassen
der Knabenschulen. Ob für das Nczeptiren und das Verständnis der Pharma-
kopöe ein Jahreskurs des Lateinischen, für die allgemeine Ausbildung ein
Jahrgang der Psychologie empfehlenswert sei. mag hier wenigstens frageweise
angedeutet werden. In diese dreiklassige Oberstufe können auch auswärts
vorgebildete Schülerinnen eintreten, doch nur uach dem Nachweis einer durch¬
aus genügenden Vorbereitung. Ebenso können diese drei Klassen ohne den
Unterbau einer zehnjährigen Hähern Mädchenschule eingerichtet werden; aber
auch da ist eine scharfe Aufnahmeprüfung erstes Erfordernis. Auch in den
Versetzungen muß Strenge herrschen, es muß strauuue Arbeit gefordert werden;
nicht auf viele Stunden, sondern auf Anleitung zu eigner Thätigkeit kommt
es ein. Natürlich würde dieser dreijährige Fortbildungs- oder Vorbereitungs¬
kursus auch gediegne Lehrkräfte und wirklich wissenschaftliche Vertiefung des
Unterrichtsstoffes fordern, denn es ist durchaus festzuhalten: die künftige
Ärztin bedarf zum Wettbewerb mit dem an den alten Sprachen geschulten
Jüngling eines wohl ausgestatteten Schulsackes, einer tüchtigen, gründlich
wissenschaftlichen Vorbildung. Es giebt keinen Königsweg zur Mathematik,
und es giebt keinen bequemen Frauenweg zu einem so hochverantwvrtlichcn
Berufe, wie es der ärztliche ist.
Ist dann die Arbeitsaufgabe der oben aufgesetzten drei Jahrgänge durch¬
gearbeitet, hat die Schülerin mindestens das neunzehnte Lebensjahr vollendet,
so folgt die Reifeprüfung vor einer besonders dazu niedergesetzten Kommission.
Festzustellen, was in dieser Prüfung zu fordern sei, wird Sache der staatlichen Be¬
hörden sein; treten an die Stelle der alten die neuen Sprachen, an die Stelle der
Mathematik die Naturwissenschaften, so wird die Gleichheit der Anforderungen
zwischen gymnasialer und moderner Bildung wohl hergestellt sein, besonders
wenn wir bedenken, daß die Abiturienten der Gymnasien teilweise Mittelkräfte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |