Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Lurn Pascha und die deutsche Kolonialpolitik und wichtige Lage ihm von Dr. Karl Peters empfohlen worden war, eine Lurn Pascha und die deutsche Kolonialpolitik und wichtige Lage ihm von Dr. Karl Peters empfohlen worden war, eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212727"/> <fw type="header" place="top"> Lurn Pascha und die deutsche Kolonialpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_835" prev="#ID_834"> und wichtige Lage ihm von Dr. Karl Peters empfohlen worden war, eine<lb/> Station zu gründen, und er hat sich ein Verdienst erworben, indem er diese<lb/> Station allein Anschein nach in musterhafter Weise anlegte. Dann wollte er<lb/> das Karawanendurchzugsland Kciragwe womöglich dem deutschen Handel ge¬<lb/> winnen, ans jeden Fall aber dem deutschen Einflüsse sichern und endlich ein<lb/> von Europäern nie zuvor betretues, sagenumwobnes Land erschließen, Ruanda,<lb/> dessen kräftige Bewohner selbst die sogenannten Araber, was Emin in einem<lb/> seiner Briefe erwähnte, und was man mit Unrecht angezweifelt hat, bis jetzt<lb/> von ihren Grenzen fern zu halten gewußt habe». Das waren die ihm vor¬<lb/> schwebenden und mit aller Deutlichkeit vorher bezeichneten Ziele. Über das<lb/> dem Expeditionsführer durch die Stärke seiner Mannschaft auferlegte Maß von<lb/> Veschräukuug müssen die Meinungen notwendig verschieden ausfallen. Der<lb/> Vertreter des Reichskvmmisfars hielt seine Macht zur Errichtung und Be¬<lb/> setzung einiger größern Stationen für ausreichend; Wißmann selbst war der<lb/> Ansicht, daß Emin durch den geringen Umfang seiner Expedition in seinen<lb/> Bewegungen eingeengt sei. Nachdem nun Emin an der Grenze der Landschaft<lb/> Ruanda angekommen war, mußten sich alle die Schwierigkeiten, die einst auch<lb/> Stanley veranlaßt hatten, seitwärts auszuweichen, vor ihm auftürmen, mußte<lb/> wiederum die Wahrscheinlichkeit zu Tage treten, daß der gerade Weg durch<lb/> dies feindliche Gebiet nicht erzwungen werden könnte, sodaß sich der Versuch<lb/> einer Lösung der Aufgabe mit einer Umgehung der Hindernisse empfehlen<lb/> mochte. Als sich eben in diesem Zeitpunkte Gerüchte verbreiteten, daß<lb/> Emins ehemalige sudanesische Soldaten in der Nähe seien, lag wohl nichts<lb/> näher, als eine Rekognoszirung in nördlicher Richtung zu unternehmen,<lb/> wozu übrigens verschiedne Gründe raten konnten, nicht bloß der Wunsch,<lb/> eine den Eingebornen überlegne Truppe anzuwerben, sondern auch die Not¬<lb/> wendigkeit, die vielleicht von den Mahdisten und unter Umstünden auch von<lb/> den „Ägyptern" gefährdete Rnckzngslinie offen zu halten. Bekanntlich haben<lb/> es die Engländer unterdessen nicht verschmäht, die ehemals ägyptischen Sol¬<lb/> daten, die ein gänzlich unabhängiges Leben führten und zu der Regierung<lb/> des Khedive, nachdem sie Stanleys letzter Aufforderung zur Rückkehr, seinem<lb/> Ultimatum nicht nachgekommen waren, in keinerlei Beziehung standen, mit<lb/> offnen Armen aufzunehmen und gegen die widerspenstigen Waganda zu ver¬<lb/> wenden. Auch an Emins Karawane schlössen sich eine Anzahl Sudanesen an,<lb/> aber er scheint allerdings vergebens nach einer vorteilhaften Gelegenheit in<lb/> den Ländern am Albert-Eduard- und Albertsee ausgeschaut zu haben; er war<lb/> gezwungen, nach Süden umzukehren, ohne auf der West- und Nordwestseite<lb/> von Ruanda etwas wesentliches ausgerichtet zu haben. Auf alle Fälle hat<lb/> aber doch sein Zug den nicht verächtlichen Wert einer Nekognoszirungsfahrt,<lb/> durch die wir über die uns von den Mahdisten, Arabern und Eingebornen<lb/> drohenden Gefahren aufgeklärt worden sind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Lurn Pascha und die deutsche Kolonialpolitik
und wichtige Lage ihm von Dr. Karl Peters empfohlen worden war, eine
Station zu gründen, und er hat sich ein Verdienst erworben, indem er diese
Station allein Anschein nach in musterhafter Weise anlegte. Dann wollte er
das Karawanendurchzugsland Kciragwe womöglich dem deutschen Handel ge¬
winnen, ans jeden Fall aber dem deutschen Einflüsse sichern und endlich ein
von Europäern nie zuvor betretues, sagenumwobnes Land erschließen, Ruanda,
dessen kräftige Bewohner selbst die sogenannten Araber, was Emin in einem
seiner Briefe erwähnte, und was man mit Unrecht angezweifelt hat, bis jetzt
von ihren Grenzen fern zu halten gewußt habe». Das waren die ihm vor¬
schwebenden und mit aller Deutlichkeit vorher bezeichneten Ziele. Über das
dem Expeditionsführer durch die Stärke seiner Mannschaft auferlegte Maß von
Veschräukuug müssen die Meinungen notwendig verschieden ausfallen. Der
Vertreter des Reichskvmmisfars hielt seine Macht zur Errichtung und Be¬
setzung einiger größern Stationen für ausreichend; Wißmann selbst war der
Ansicht, daß Emin durch den geringen Umfang seiner Expedition in seinen
Bewegungen eingeengt sei. Nachdem nun Emin an der Grenze der Landschaft
Ruanda angekommen war, mußten sich alle die Schwierigkeiten, die einst auch
Stanley veranlaßt hatten, seitwärts auszuweichen, vor ihm auftürmen, mußte
wiederum die Wahrscheinlichkeit zu Tage treten, daß der gerade Weg durch
dies feindliche Gebiet nicht erzwungen werden könnte, sodaß sich der Versuch
einer Lösung der Aufgabe mit einer Umgehung der Hindernisse empfehlen
mochte. Als sich eben in diesem Zeitpunkte Gerüchte verbreiteten, daß
Emins ehemalige sudanesische Soldaten in der Nähe seien, lag wohl nichts
näher, als eine Rekognoszirung in nördlicher Richtung zu unternehmen,
wozu übrigens verschiedne Gründe raten konnten, nicht bloß der Wunsch,
eine den Eingebornen überlegne Truppe anzuwerben, sondern auch die Not¬
wendigkeit, die vielleicht von den Mahdisten und unter Umstünden auch von
den „Ägyptern" gefährdete Rnckzngslinie offen zu halten. Bekanntlich haben
es die Engländer unterdessen nicht verschmäht, die ehemals ägyptischen Sol¬
daten, die ein gänzlich unabhängiges Leben führten und zu der Regierung
des Khedive, nachdem sie Stanleys letzter Aufforderung zur Rückkehr, seinem
Ultimatum nicht nachgekommen waren, in keinerlei Beziehung standen, mit
offnen Armen aufzunehmen und gegen die widerspenstigen Waganda zu ver¬
wenden. Auch an Emins Karawane schlössen sich eine Anzahl Sudanesen an,
aber er scheint allerdings vergebens nach einer vorteilhaften Gelegenheit in
den Ländern am Albert-Eduard- und Albertsee ausgeschaut zu haben; er war
gezwungen, nach Süden umzukehren, ohne auf der West- und Nordwestseite
von Ruanda etwas wesentliches ausgerichtet zu haben. Auf alle Fälle hat
aber doch sein Zug den nicht verächtlichen Wert einer Nekognoszirungsfahrt,
durch die wir über die uns von den Mahdisten, Arabern und Eingebornen
drohenden Gefahren aufgeklärt worden sind.
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