Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Weltgeschichte in Hinterminkel sie meinem Vater sagte, daß ich beim Jakob Schmitz von Langacker sei, so Die Henne erklärte sich bereit, die Botschaft zu übernehmen. Sie mache In Schillingsberg stießen noch drei Fuhrwerke zu uns, und die Fahrt In den Fuhrleuten dagegen erweckten diese Dinge etwas andres, näm¬ Ich allein fühlte mehr Durst nach Kriegsschauplätzen als uach Bier und Weltgeschichte in Hinterminkel sie meinem Vater sagte, daß ich beim Jakob Schmitz von Langacker sei, so Die Henne erklärte sich bereit, die Botschaft zu übernehmen. Sie mache In Schillingsberg stießen noch drei Fuhrwerke zu uns, und die Fahrt In den Fuhrleuten dagegen erweckten diese Dinge etwas andres, näm¬ Ich allein fühlte mehr Durst nach Kriegsschauplätzen als uach Bier und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212718"/> <fw type="header" place="top"> Weltgeschichte in Hinterminkel</fw><lb/> <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> sie meinem Vater sagte, daß ich beim Jakob Schmitz von Langacker sei, so<lb/> wisse er mich wohl aufgehoben und habe keine Angst um mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_801"> Die Henne erklärte sich bereit, die Botschaft zu übernehmen. Sie mache<lb/> sich daraus kein Gewissen, sagte siez ich würde meiner Mutter ja doch uicht<lb/> von der Schürze weglaufen; wenn ich nur einmal erst einen Flintenschuß hörte,<lb/> würde ich von selber umkehren und mich nach Hause schleichen, ich sei kein<lb/> Chpricm. Wo das auch herkommen solle bei einem Schneider! Dieser Hanne<lb/> Strohmelker mußte ich zeigen, daß sie sich in mir geirrt habe. Ich unter¬<lb/> drückte alle Bedenken und stieg unverweilt zu Jakob Schmitz auf den Wagen —<lb/> mit klopfendem Herzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_802"> In Schillingsberg stießen noch drei Fuhrwerke zu uns, und die Fahrt<lb/> ging von nun an rascher. Wir kamen in neue, mir noch fremde Gegenden,<lb/> durch unbekannte Dörfer und kleine, alte Landstädte, wo bald der altertüm¬<lb/> liche Bau eines Rathauses, bald die Kirche durch Größe und Schönheit, halv<lb/> ein lang heraushängender Löwe oder Engel, eine Sonne oder eine Rose, ein<lb/> wilder Mann oder drei Mohren in ehrwürdigen Rost oder in neustrahlender<lb/> Vergoldung meine Aufmerksamkeit auf sich lenkten und mein Erstaunen erregten.</p><lb/> <p xml:id="ID_803"> In den Fuhrleuten dagegen erweckten diese Dinge etwas andres, näm¬<lb/> lich die Erinnerung an ihren Durst, wodurch die Fahrt dann immer eine Ver¬<lb/> zögerung erlitt. Der Schmitzenjockel war der Durstigste, er gab jedesmal zuerst<lb/> die Lösung aus. Er war auch ein Schalk. Ihr seid Narren, wiederholte er<lb/> bei jeder Einkehr, wir verlieren dnrch einen kurzen Aufenthalt gar nichts, und<lb/> durch einen langen ebensowenig; denn wenn die Preußen in ein paar Wochen<lb/> von Berlin bis in den Odenwald gelangt sind, brauchen wir uns Wohl nicht<lb/> groß anzustrengen, um mit ihnen zusammen zu stoßen, wir dürfen nur ein<lb/> wenig warten, und das thut man bei dieser Julihitze am besten im kühlen<lb/> Wirtshaus. Kommen wir dann nicht zum Kriegsschauplatz, so wird der<lb/> Kriegsschauplatz zu uns kommen, umgekehrt als bei dem falschen Propheten<lb/> Muhammed, der einem Berge befohlen hatte: Komme! und als der keine Lust<lb/> dazu zeigte, sich selber zu dem Berge auf den Weg machte, eingedenk des<lb/> Sprichworts, daß der Gescheitste nachgiebt. Für die Gescheitsten gelten wir<lb/> Schwaben um gerade nicht, aber vielleicht geben wir diesmal dennoch nach,<lb/> ausnahmsweise. Die andern, gute Patrioten, schimpften wegen solcher Reden;<lb/> aber die Einkehr machten sie jedesmal redlich mit.</p><lb/> <p xml:id="ID_804" next="#ID_805"> Ich allein fühlte mehr Durst nach Kriegsschauplätzen als uach Bier und<lb/> Wein. Aber ich wurde nicht um meine Meinung gefragt und mußte wacker<lb/> mittrinken. Der Jockel besonders bot mir aller Augenblicke sein Glas. Daß<lb/> du Courage kriegst, sagte er lachend. Ich mochte wohl aussehn, als ob ich<lb/> ihrer nötig Hütte; auch war mir in der That nicht ganz wohl zu Mute. Wenn<lb/> ich an meine Mutter dachte und ihre Angst um mich und was der Vater zu<lb/> meinem Auf- und Davvngehn sagen würde, wäre ich am liebsten umgekehrt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Weltgeschichte in Hinterminkel
sie meinem Vater sagte, daß ich beim Jakob Schmitz von Langacker sei, so
wisse er mich wohl aufgehoben und habe keine Angst um mich.
Die Henne erklärte sich bereit, die Botschaft zu übernehmen. Sie mache
sich daraus kein Gewissen, sagte siez ich würde meiner Mutter ja doch uicht
von der Schürze weglaufen; wenn ich nur einmal erst einen Flintenschuß hörte,
würde ich von selber umkehren und mich nach Hause schleichen, ich sei kein
Chpricm. Wo das auch herkommen solle bei einem Schneider! Dieser Hanne
Strohmelker mußte ich zeigen, daß sie sich in mir geirrt habe. Ich unter¬
drückte alle Bedenken und stieg unverweilt zu Jakob Schmitz auf den Wagen —
mit klopfendem Herzen.
In Schillingsberg stießen noch drei Fuhrwerke zu uns, und die Fahrt
ging von nun an rascher. Wir kamen in neue, mir noch fremde Gegenden,
durch unbekannte Dörfer und kleine, alte Landstädte, wo bald der altertüm¬
liche Bau eines Rathauses, bald die Kirche durch Größe und Schönheit, halv
ein lang heraushängender Löwe oder Engel, eine Sonne oder eine Rose, ein
wilder Mann oder drei Mohren in ehrwürdigen Rost oder in neustrahlender
Vergoldung meine Aufmerksamkeit auf sich lenkten und mein Erstaunen erregten.
In den Fuhrleuten dagegen erweckten diese Dinge etwas andres, näm¬
lich die Erinnerung an ihren Durst, wodurch die Fahrt dann immer eine Ver¬
zögerung erlitt. Der Schmitzenjockel war der Durstigste, er gab jedesmal zuerst
die Lösung aus. Er war auch ein Schalk. Ihr seid Narren, wiederholte er
bei jeder Einkehr, wir verlieren dnrch einen kurzen Aufenthalt gar nichts, und
durch einen langen ebensowenig; denn wenn die Preußen in ein paar Wochen
von Berlin bis in den Odenwald gelangt sind, brauchen wir uns Wohl nicht
groß anzustrengen, um mit ihnen zusammen zu stoßen, wir dürfen nur ein
wenig warten, und das thut man bei dieser Julihitze am besten im kühlen
Wirtshaus. Kommen wir dann nicht zum Kriegsschauplatz, so wird der
Kriegsschauplatz zu uns kommen, umgekehrt als bei dem falschen Propheten
Muhammed, der einem Berge befohlen hatte: Komme! und als der keine Lust
dazu zeigte, sich selber zu dem Berge auf den Weg machte, eingedenk des
Sprichworts, daß der Gescheitste nachgiebt. Für die Gescheitsten gelten wir
Schwaben um gerade nicht, aber vielleicht geben wir diesmal dennoch nach,
ausnahmsweise. Die andern, gute Patrioten, schimpften wegen solcher Reden;
aber die Einkehr machten sie jedesmal redlich mit.
Ich allein fühlte mehr Durst nach Kriegsschauplätzen als uach Bier und
Wein. Aber ich wurde nicht um meine Meinung gefragt und mußte wacker
mittrinken. Der Jockel besonders bot mir aller Augenblicke sein Glas. Daß
du Courage kriegst, sagte er lachend. Ich mochte wohl aussehn, als ob ich
ihrer nötig Hütte; auch war mir in der That nicht ganz wohl zu Mute. Wenn
ich an meine Mutter dachte und ihre Angst um mich und was der Vater zu
meinem Auf- und Davvngehn sagen würde, wäre ich am liebsten umgekehrt
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