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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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andre am Fuße des Hindukusch gesucht. Nach der ersten Annahme würde
Arminius soviel wie der Armenier bedeuten. "Wir brauchen aber dafür nicht
soweit zu gehn; dem, der Name der Urias und Arimannen verbreitete sich
nicht nur über das ganze persische Reich bis Baktrien, sondern auch Thrakien
führte im Altertume den Namen Uria, und das ostpreußische Ermland hat
"ach den Ari- oder Hermannen (H<?rmionö8) seineu Namen empfangen. Und
hier liegt die Sache um so bedeutsamer, als bekanntlich die litauische Sprache
unter allen lebenden Sprachen diejenige ist, welche dem Sanskrit am nächsten
steht. Überdem ist für Armenien die Thatsache verhängnisvoll, daß die ältesten
Denkmäler des Landes in einer nichtarischen Sprache abgefaßt sind." Demnach
hätte Litauen am meisten Aussicht, als Urheimat der Arier im engern Sinne
anerkannt zu werden, und so wäre jener Bibelforscher des vorigen Jahr¬
hunderts -- sein Name ist uns entfallen -- gerechtfertigt, der das Paradies
nach Ostpreußen verlegte.

Von Pamir, dem ,,Duch der Welt," meint Krause, konnten die Arier
unmöglich herabgestiegen sein. Denn im Vendidad, im alten Gesetzbuche des
Zoroaster, werde "das Samen- oder Ursprungsland der Arier, Airyana-vaeja",
als ein eisiges Land beschrieben, das zehn Monate Winter und uur zwei
Monate Sommer habe. In Pamir sei freilich der Winter kalt, der Sommer
aber heiß und lang. Auch hätten die Inder ursprünglich, gleich den Nord¬
ländern, in ihrer Zeitrechnung nach Wintern gezählt. Und der alte gemein-
fame Wortschatz der arischen Völker enthalte zwar Ausdrücke für Schnee und
Eis, für Winter und Frühling, nicht aber für Sommer und Herbst. Dem
gegenüber hat Professor A. Hillebrnndt, der auch über Perla sehr abfüllig
urteilt, in der ,,Schlesischen Zeitung" auf Johannes Schmidt, Professor der
indogermanischen Sprachforschung in Berlin, verwiesen, der gezeigt habe, daß
alle der Sprachvergleichung entlehnten Beweise für den europäischen Ursprung
der Arier unhaltbar seien; das ,,gruudsprachliche" Lexikon enthalte auch eine
Bezeichnung für Sommer. Darin wird man Krause beistimmen müsse", daß
die Entstehung einer weißsandiger, blondhaariger und blauäugige" Nasse in
einem heißen Lande physiologisch unmöglich sei.

Bei dem Übergange zum prähistorischen Teile seiner Untersuchungen sagt
Krause: "Es ist die Frage, ob wir nicht aus dem Regen in die Traufe ge¬
raten, wenn wir uns nun mit unsern Zweifeln an die junge Wissenschaft der
Prähistorie wenden. Einer solchen noch in den Kinderschuhen befindlichen
Wissenschaft weittragende Fragen vorzulegen, kaun nicht ohne Bedenken ge¬
schehen." Die Bedenken sind sehr berechtigt, aber nicht deswegen, weil die
Pra Historie eine noch sehr junge Wissenschaft ist, sondern weil sie auch uach
Jahrtausenden niemals wird Geschichte werden können. Unbeschriebne Stein¬
denkmäler, Gräber mit ihrem Inhalt an Gebeinen, Zieraten und Gefäßen,
urweltliche Wohnstätten mit Speiseüberresten und Werkzeugen können uns zwar


andre am Fuße des Hindukusch gesucht. Nach der ersten Annahme würde
Arminius soviel wie der Armenier bedeuten. „Wir brauchen aber dafür nicht
soweit zu gehn; dem, der Name der Urias und Arimannen verbreitete sich
nicht nur über das ganze persische Reich bis Baktrien, sondern auch Thrakien
führte im Altertume den Namen Uria, und das ostpreußische Ermland hat
»ach den Ari- oder Hermannen (H<?rmionö8) seineu Namen empfangen. Und
hier liegt die Sache um so bedeutsamer, als bekanntlich die litauische Sprache
unter allen lebenden Sprachen diejenige ist, welche dem Sanskrit am nächsten
steht. Überdem ist für Armenien die Thatsache verhängnisvoll, daß die ältesten
Denkmäler des Landes in einer nichtarischen Sprache abgefaßt sind." Demnach
hätte Litauen am meisten Aussicht, als Urheimat der Arier im engern Sinne
anerkannt zu werden, und so wäre jener Bibelforscher des vorigen Jahr¬
hunderts — sein Name ist uns entfallen — gerechtfertigt, der das Paradies
nach Ostpreußen verlegte.

Von Pamir, dem ,,Duch der Welt," meint Krause, konnten die Arier
unmöglich herabgestiegen sein. Denn im Vendidad, im alten Gesetzbuche des
Zoroaster, werde „das Samen- oder Ursprungsland der Arier, Airyana-vaeja",
als ein eisiges Land beschrieben, das zehn Monate Winter und uur zwei
Monate Sommer habe. In Pamir sei freilich der Winter kalt, der Sommer
aber heiß und lang. Auch hätten die Inder ursprünglich, gleich den Nord¬
ländern, in ihrer Zeitrechnung nach Wintern gezählt. Und der alte gemein-
fame Wortschatz der arischen Völker enthalte zwar Ausdrücke für Schnee und
Eis, für Winter und Frühling, nicht aber für Sommer und Herbst. Dem
gegenüber hat Professor A. Hillebrnndt, der auch über Perla sehr abfüllig
urteilt, in der ,,Schlesischen Zeitung" auf Johannes Schmidt, Professor der
indogermanischen Sprachforschung in Berlin, verwiesen, der gezeigt habe, daß
alle der Sprachvergleichung entlehnten Beweise für den europäischen Ursprung
der Arier unhaltbar seien; das ,,gruudsprachliche" Lexikon enthalte auch eine
Bezeichnung für Sommer. Darin wird man Krause beistimmen müsse», daß
die Entstehung einer weißsandiger, blondhaariger und blauäugige» Nasse in
einem heißen Lande physiologisch unmöglich sei.

Bei dem Übergange zum prähistorischen Teile seiner Untersuchungen sagt
Krause: „Es ist die Frage, ob wir nicht aus dem Regen in die Traufe ge¬
raten, wenn wir uns nun mit unsern Zweifeln an die junge Wissenschaft der
Prähistorie wenden. Einer solchen noch in den Kinderschuhen befindlichen
Wissenschaft weittragende Fragen vorzulegen, kaun nicht ohne Bedenken ge¬
schehen." Die Bedenken sind sehr berechtigt, aber nicht deswegen, weil die
Pra Historie eine noch sehr junge Wissenschaft ist, sondern weil sie auch uach
Jahrtausenden niemals wird Geschichte werden können. Unbeschriebne Stein¬
denkmäler, Gräber mit ihrem Inhalt an Gebeinen, Zieraten und Gefäßen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/222>, abgerufen am 08.01.2025.