Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das ärztliche Studium der Fraue"

fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehe" würden.
Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um
diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die
Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu¬
dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten
sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser
gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinuen und Theologinnen
ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige
Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der
ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be¬
gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden
Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen¬
stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war
das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen
zu erwärmen.

Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren,
ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen heraufzuführen. In dieser Rich¬
tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frciuenverein Reform, der
seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich
und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau
I. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben
hat, eine Monatsschrift "Frauenberuf" herausgiebt und jedenfalls eine sehr
thatkräftige Fran ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der
Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der ans wissen¬
schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, "und zwar vertritt der
Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller
Wissenschaften Zutritt haben soll, uicht aber auf vereinzelte derselben, wie
Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf." Zu diesem Zwecke
will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchenghmnasien mit
demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben-
schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchenghmnasien, Ab¬
gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu¬
lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern
wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf
wissenschaftlichem Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh¬
migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch
durchführbar ist, und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind.

Schon durch die Bemerkung "soweit das praktisch durchführbar ist" wird
ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt,



D. R, Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Hest Z, 51. Jahrg.
Das ärztliche Studium der Fraue»

fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehe» würden.
Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um
diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die
Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu¬
dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten
sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser
gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinuen und Theologinnen
ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige
Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der
ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be¬
gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden
Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen¬
stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war
das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen
zu erwärmen.

Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren,
ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen heraufzuführen. In dieser Rich¬
tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frciuenverein Reform, der
seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich
und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau
I. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben
hat, eine Monatsschrift „Frauenberuf" herausgiebt und jedenfalls eine sehr
thatkräftige Fran ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der
Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der ans wissen¬
schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, „und zwar vertritt der
Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller
Wissenschaften Zutritt haben soll, uicht aber auf vereinzelte derselben, wie
Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf." Zu diesem Zwecke
will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchenghmnasien mit
demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben-
schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchenghmnasien, Ab¬
gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu¬
lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern
wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf
wissenschaftlichem Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh¬
migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch
durchführbar ist, und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind.

Schon durch die Bemerkung „soweit das praktisch durchführbar ist" wird
ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt,



D. R, Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Hest Z, 51. Jahrg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212691"/>
          <fw type="header" place="top"> Das ärztliche Studium der Fraue»</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_707" prev="#ID_706"> fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehe» würden.<lb/>
Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um<lb/>
diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die<lb/>
Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu¬<lb/>
dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten<lb/>
sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser<lb/>
gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinuen und Theologinnen<lb/>
ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige<lb/>
Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der<lb/>
ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be¬<lb/>
gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden<lb/>
Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen¬<lb/>
stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war<lb/>
das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen<lb/>
zu erwärmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_708"> Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren,<lb/>
ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen heraufzuführen. In dieser Rich¬<lb/>
tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frciuenverein Reform, der<lb/>
seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich<lb/>
und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau<lb/>
I. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben<lb/>
hat, eine Monatsschrift &#x201E;Frauenberuf" herausgiebt und jedenfalls eine sehr<lb/>
thatkräftige Fran ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der<lb/>
Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der ans wissen¬<lb/>
schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, &#x201E;und zwar vertritt der<lb/>
Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller<lb/>
Wissenschaften Zutritt haben soll, uicht aber auf vereinzelte derselben, wie<lb/>
Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf." Zu diesem Zwecke<lb/>
will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchenghmnasien mit<lb/>
demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben-<lb/>
schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchenghmnasien, Ab¬<lb/>
gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu¬<lb/>
lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern<lb/>
wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf<lb/>
wissenschaftlichem Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh¬<lb/>
migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch<lb/>
durchführbar ist, und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_709" next="#ID_710"> Schon durch die Bemerkung &#x201E;soweit das praktisch durchführbar ist" wird<lb/>
ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_14" place="foot"><note type="byline"> D. R,</note> Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Hest Z, 51. Jahrg. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] Das ärztliche Studium der Fraue» fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehe» würden. Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu¬ dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinuen und Theologinnen ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be¬ gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen¬ stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen zu erwärmen. Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren, ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen heraufzuführen. In dieser Rich¬ tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frciuenverein Reform, der seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau I. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben hat, eine Monatsschrift „Frauenberuf" herausgiebt und jedenfalls eine sehr thatkräftige Fran ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der ans wissen¬ schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, „und zwar vertritt der Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller Wissenschaften Zutritt haben soll, uicht aber auf vereinzelte derselben, wie Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf." Zu diesem Zwecke will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchenghmnasien mit demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben- schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchenghmnasien, Ab¬ gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu¬ lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf wissenschaftlichem Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh¬ migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch durchführbar ist, und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind. Schon durch die Bemerkung „soweit das praktisch durchführbar ist" wird ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt, D. R, Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Hest Z, 51. Jahrg.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/215
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/215>, abgerufen am 08.01.2025.