Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die akademische Amistailsstellung in BerlM Inhalt zusammenhängende Konipositivn von Ludwig Dettmcmn. Der Künstler Die akademische Amistailsstellung in BerlM Inhalt zusammenhängende Konipositivn von Ludwig Dettmcmn. Der Künstler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212667"/> <fw type="header" place="top"> Die akademische Amistailsstellung in BerlM</fw><lb/> <p xml:id="ID_596" prev="#ID_595" next="#ID_597"> Inhalt zusammenhängende Konipositivn von Ludwig Dettmcmn. Der Künstler<lb/> hatte bisher in Strand- und Düneulandschaften, in Flußuferpartien, in Schilde¬<lb/> rungen von Wiesen, Feldern und blühenden Obstgarten eine glückliche Be¬<lb/> gabung für die Erfassung des Stimmungsgehalts und ein malerisches Dar¬<lb/> stellungstalent gezeigt, das die Öl-, Aquarell-, Gouache- und Pastelltechnik mit<lb/> gleicher Fertigkeit beherrschte, bisweilen auch in dem Streben nach starker,<lb/> plastischer Wirkung zu tadelnswerten Ausschreitungen neigte. In dem drei¬<lb/> teiliger, in Öl gemalten Bilde, das den Titel „1. Mose 3" trägt, ist der Land¬<lb/> schaft zwar eine hervorragende Stellung eingeräumt, aber die Figuren haben<lb/> daneben eine durchaus selbständige Bedeutung und sind darnach auch mit<lb/> großer Sorgfalt, man möchte fast sagen im großen Stil durchgeführt. Das<lb/> Motiv, der Sündenfall, der Fluch der Erbsünde und die Erlösung durch den<lb/> Mittler, der der Welt Sünde trägt, ist im fünfzehnten und sechzehnten Jahr¬<lb/> hundert ein beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung gewesen. Allgemein<lb/> bekannt sind die cyklischen Bilder der beiden Cranach. Wie ganz anders im<lb/> Vergleich zu jenen pedantischen Schriftauslegungen hat aber der moderne Maler<lb/> diesen Gedanken gestaltet! Im Hintergrunde des linken Flügelbildes steht der<lb/> Engel mit dem flammenden Schwerte vor dem Verlornen Paradiese. Vor ihm<lb/> breitet sich eine dicht mit weißen Lilien, den Sinnbildern der Unschuld, besäte<lb/> Wiese aus, die ein Bächlein von dem Vordergründe scheidet, wo sich im Grase<lb/> die Schlange, die Verführerin, ringelt. Auch ohne die typischen Figuren des<lb/> ersten Elternpaars ist diese Symbolik so deutlich, daß sie überall verständlich<lb/> ist, wo man die Bibel liest und kennt, und mit solchen Voraussetzungen darf<lb/> jeder Künstler rechnen, so lange die menschliche Gesittung und Bildung in dem<lb/> Zusammenhange ihrer Entwicklung noch nicht unterbrochen ist. Es ist gewiß<lb/> bezeichnend, daß selbst ein Künstler, der nach seiner ganzen Naturanschauung<lb/> dnrch und durch Realist ist, die Symbolik nicht entbehren kann, obwohl es<lb/> ihm geglückt ist, für einen uralten Gedanken eine neue und eigentümliche Aus-<lb/> drucksform zu finden. Diese tritt noch stärker in dein Mittelbilde hervor, das<lb/> an und für sich völlig realistisch erfunden und ausgeführt ist, aber durch den<lb/> Zusammenhang mit den Flügelbildern auch eine symbolische Bedeutung erhält.<lb/> Bei Sturm und Regen im Spätherbst bewegt sich ein armseliger Leichenzug<lb/> eine zwischen Feldern bergan führende Landstraße aufwärts: ein von zwei<lb/> Männern gezogner Handwagen mit dem Sarge darauf, zwei andre Leichen¬<lb/> träger dahinter und dann ein paar Leidtragende, die mit aufgespannten Schirmen<lb/> gegen Wind und Regen kämpfen. Links vom Wege Landleute, die beim Kar¬<lb/> toffelausmachen in ihrer Arbeit inne halten, im Hintergrunde ein paar Ge¬<lb/> stalten, die, im Regen und Nebel nur undeutlich sichtbar, scheu zurückblicken.<lb/> Es ist der modern-realistische Kommentar zu den Worten der Schrift: „Ver¬<lb/> flucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren<lb/> dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
Die akademische Amistailsstellung in BerlM
Inhalt zusammenhängende Konipositivn von Ludwig Dettmcmn. Der Künstler
hatte bisher in Strand- und Düneulandschaften, in Flußuferpartien, in Schilde¬
rungen von Wiesen, Feldern und blühenden Obstgarten eine glückliche Be¬
gabung für die Erfassung des Stimmungsgehalts und ein malerisches Dar¬
stellungstalent gezeigt, das die Öl-, Aquarell-, Gouache- und Pastelltechnik mit
gleicher Fertigkeit beherrschte, bisweilen auch in dem Streben nach starker,
plastischer Wirkung zu tadelnswerten Ausschreitungen neigte. In dem drei¬
teiliger, in Öl gemalten Bilde, das den Titel „1. Mose 3" trägt, ist der Land¬
schaft zwar eine hervorragende Stellung eingeräumt, aber die Figuren haben
daneben eine durchaus selbständige Bedeutung und sind darnach auch mit
großer Sorgfalt, man möchte fast sagen im großen Stil durchgeführt. Das
Motiv, der Sündenfall, der Fluch der Erbsünde und die Erlösung durch den
Mittler, der der Welt Sünde trägt, ist im fünfzehnten und sechzehnten Jahr¬
hundert ein beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung gewesen. Allgemein
bekannt sind die cyklischen Bilder der beiden Cranach. Wie ganz anders im
Vergleich zu jenen pedantischen Schriftauslegungen hat aber der moderne Maler
diesen Gedanken gestaltet! Im Hintergrunde des linken Flügelbildes steht der
Engel mit dem flammenden Schwerte vor dem Verlornen Paradiese. Vor ihm
breitet sich eine dicht mit weißen Lilien, den Sinnbildern der Unschuld, besäte
Wiese aus, die ein Bächlein von dem Vordergründe scheidet, wo sich im Grase
die Schlange, die Verführerin, ringelt. Auch ohne die typischen Figuren des
ersten Elternpaars ist diese Symbolik so deutlich, daß sie überall verständlich
ist, wo man die Bibel liest und kennt, und mit solchen Voraussetzungen darf
jeder Künstler rechnen, so lange die menschliche Gesittung und Bildung in dem
Zusammenhange ihrer Entwicklung noch nicht unterbrochen ist. Es ist gewiß
bezeichnend, daß selbst ein Künstler, der nach seiner ganzen Naturanschauung
dnrch und durch Realist ist, die Symbolik nicht entbehren kann, obwohl es
ihm geglückt ist, für einen uralten Gedanken eine neue und eigentümliche Aus-
drucksform zu finden. Diese tritt noch stärker in dein Mittelbilde hervor, das
an und für sich völlig realistisch erfunden und ausgeführt ist, aber durch den
Zusammenhang mit den Flügelbildern auch eine symbolische Bedeutung erhält.
Bei Sturm und Regen im Spätherbst bewegt sich ein armseliger Leichenzug
eine zwischen Feldern bergan führende Landstraße aufwärts: ein von zwei
Männern gezogner Handwagen mit dem Sarge darauf, zwei andre Leichen¬
träger dahinter und dann ein paar Leidtragende, die mit aufgespannten Schirmen
gegen Wind und Regen kämpfen. Links vom Wege Landleute, die beim Kar¬
toffelausmachen in ihrer Arbeit inne halten, im Hintergrunde ein paar Ge¬
stalten, die, im Regen und Nebel nur undeutlich sichtbar, scheu zurückblicken.
Es ist der modern-realistische Kommentar zu den Worten der Schrift: „Ver¬
flucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren
dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut
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