Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dem Universitätsleben und nach links und blieben hart am Rande des Gehölzes stehn. Dann er¬ Ich sprang entsetzt auf und stierte sie wie geistesabwesend an. Ich sah, Meine Wirtin war schon auf und stand da, mit den Fäusten an den So zeterte sie, während ich hastig ihren Milchtopf ergriff und ihn, ohne Als ich erwachte, war es elf Uhr vorbei. Ich sprang erschrocken auf, Ich kam zu spät nach der Universität; die Borlesung hatte schon be¬ Plötzlich hörte ich eine bekannte Stimme: Ah, da treffe ich Sie ja gerade! Ich sah auf, und da stand sie vor mir! Ich war vor Überraschung und Grenzboten III 1892 18
Bilder aus dem Universitätsleben und nach links und blieben hart am Rande des Gehölzes stehn. Dann er¬ Ich sprang entsetzt auf und stierte sie wie geistesabwesend an. Ich sah, Meine Wirtin war schon auf und stand da, mit den Fäusten an den So zeterte sie, während ich hastig ihren Milchtopf ergriff und ihn, ohne Als ich erwachte, war es elf Uhr vorbei. Ich sprang erschrocken auf, Ich kam zu spät nach der Universität; die Borlesung hatte schon be¬ Plötzlich hörte ich eine bekannte Stimme: Ah, da treffe ich Sie ja gerade! Ich sah auf, und da stand sie vor mir! Ich war vor Überraschung und Grenzboten III 1892 18
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Bilder aus dem Universitätsleben
und nach links und blieben hart am Rande des Gehölzes stehn. Dann er¬
schien plötzlich mit mächtigen Sprüngen ein Bock und pflanzte sich mitten in
der Lichtung ans. Ich sah, wie das stolze Tier zu uns herüberblickte, wie es
stutzte — dann — ein furchtbarer Knall, ein Schrei — ich fuhr erschrocken
ans, rieb mir die Augen und sah in der Morgendämmerung vor mir die
Magd des Professors, die bei meinem Anblick vor Schreck den Kohlenkasten
hatte fallen lassen.
Ich sprang entsetzt auf und stierte sie wie geistesabwesend an. Ich sah,
wie sie gelähmt dastand und nach Luft schnappte, um Hilfe zu rufen. Diesen
Augenblick benutzte ich und stürzte Hals über Kopf aus der Thür. Im Vor¬
saal ergriff ich irgend einen Hut, und während mir die gellenden Rufe: Ein
Dieb, ein Dieb! nnchschallten, stürmte ich dnrch den kleinen Garten auf die
Straße. Dann lief ich wie ein gehetztes Wild über den Johannisplatz nach
meiner Wohnung.
Meine Wirtin war schon auf und stand da, mit den Fäusten an den
Hüften und mit einer Miene wie der leibhaftige Satan: El Herrjeeses! Das
nennen Se solid? Sie sin mer e netter „solider Mieter." E Schwiemelante sin
Se! Sich die ganze geschlagne Nacht rumzntreibeu! Und Sie wollen Paster
werden? Schämen sollte» Se sich. Wie sehen Se aus? Wie ne Kalkwcmd!
Nee so was!
So zeterte sie, während ich hastig ihren Milchtopf ergriff und ihn, ohne
abzusetzen, austrank. Dann warf ich mich, wie ich war, ins Bett und
schlief ein.
Als ich erwachte, war es elf Uhr vorbei. Ich sprang erschrocken auf,
denn um elf Uhr begann die Vorlesung bei unserm Dekan, und die wollte ich
wegen des Kouvikts unter keinen Umständen versäumen. Es summte mir im
Kopfe, als ich über den Angustusplatz ging. Das ganze Schillerfest mit seinen
Aufzügen, Reden und Gesängen, die Nachtszene in der Wohnung des Pro¬
fessors, seine Deklamationen, das Schlafzimmer, mein Traum, die Dienstmagd,
meine Flucht, alles ging mir wirr durch einander. Aus diesem Nebel aber
traten immer deutlicher die Umrisse eiuer einzigen Gestalt hervor, die Wolken
sanken, und schließlich sah ich im Geiste weiter nichts, als sie — das holde,
liebenswürdige Geschöpf!
Ich kam zu spät nach der Universität; die Borlesung hatte schon be¬
gonnen, die Höfe waren leer, und ich ging langsam und verstimmt im Kreuz-
gang auf und ab, ohne aufzuschauen.
Plötzlich hörte ich eine bekannte Stimme: Ah, da treffe ich Sie ja gerade!
Ich sah auf, und da stand sie vor mir! Ich war vor Überraschung und
Glück ganz sprachlos und nahm nicht einmal den Hut ab. Aber sie gab mir
die Hand und sagte: Ich wollte eben zum Pedell gehen, um mich uach Ihrer
Wohnung zu erkundigen. Der Vater wollte an Sie schreiben und Sie bitten,
Grenzboten III 1892 18
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