Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bilder aus dem Universitätsleben eines behaglichen Lebensgenusses weiß man nur dann zu schätzen, wenn die Während der Pfarrer den Rest in die Gläser goß, bemerkte Fritz, die Der Pfarrer klopfte den roten Lack von einer neuen Flasche und zog sie Der Pfarrer trat an sein Schreibpult, schloß ein Schubfach auf und Er wollte das Päckchen öffnen, um uns einiges daraus vorzulesen, aber
Du lieber Gott! sagte er lachend, man hatte wohl kein andres Lied, worin Bilder aus dem Universitätsleben eines behaglichen Lebensgenusses weiß man nur dann zu schätzen, wenn die Während der Pfarrer den Rest in die Gläser goß, bemerkte Fritz, die Der Pfarrer klopfte den roten Lack von einer neuen Flasche und zog sie Der Pfarrer trat an sein Schreibpult, schloß ein Schubfach auf und Er wollte das Päckchen öffnen, um uns einiges daraus vorzulesen, aber
Du lieber Gott! sagte er lachend, man hatte wohl kein andres Lied, worin <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212615"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Universitätsleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_395" prev="#ID_394"> eines behaglichen Lebensgenusses weiß man nur dann zu schätzen, wenn die<lb/> Jugend entbehrungsvoll gewesen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_396"> Während der Pfarrer den Rest in die Gläser goß, bemerkte Fritz, die<lb/> leitenden Kreise sollten ja damals gar keine rechte Teilnahme für das Schiller¬<lb/> fest gezeigt haben. Wenigstens habe ihm das sein Vater erzählt.</p><lb/> <p xml:id="ID_397"> Der Pfarrer klopfte den roten Lack von einer neuen Flasche und zog sie<lb/> mit sichtlicher Anstrengung auf, sodaß sein Gesicht ganz rot wurde. Dabei<lb/> stieß er zwischen den Zähnen hervor: In, die da oben! Wir Studenten und<lb/> die Leipziger Bürgerschaft wurden damals durch die Behörden wiederholt auf¬<lb/> gefordert, uns beim Feste nur ja recht ruhig und ordnungsmäßig zu verhalten,<lb/> wie es ehrsamen Staatsbürgern gezieme. Vergessen Sie nicht, die Schiller¬<lb/> feier war nach 48 das erste allgemeine Volksfest in Deutschland, und da<lb/> mochte manchen wohl ein Gruseln über die Haut laufen bei dem Gedanken,<lb/> daß bei diesem Gelegenheitsfeste irgend eine kleine revolutionäre Bewegung<lb/> ausbrechen könnte. Schiller, der Dichter der Freiheit, der Männerwürde und<lb/> der allgemeinen Menschenliebe in. ez--ni.uno8! — die Sache ist ja nicht unwahr¬<lb/> scheinlich. Aber ich gebe Ihnen die Versicherung, in dem gemütlichen Leipzig<lb/> dachte kein Mensch an Revolution. Freilich gab es auch in Leipzig Angst¬<lb/> meier und Schwarzseher genug. Im Annoncenteil des Leipziger Tageblatts<lb/> habe ich damals manche Angriffe gegen „der Kauz und Uhus düstre Schar"<lb/> gelesen, die kein Verständnis für des Dichters „Himmelsfackel" besäßen und<lb/> in dem großen, hehren Feste nur einen „wüsten Lärm" sehen wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_398"> Der Pfarrer trat an sein Schreibpult, schloß ein Schubfach auf und<lb/> nahm ein Päckchen gebrannter Zeitungen heraus. Sehn Sie, hier haben Sie<lb/> das ganze Festprogramm der Leipziger Schillerfeier. Die Tage find für mein<lb/> ganzes Leben fo bedeutungsvoll gewesen, daß ich mir die Blätter sorgfältig<lb/> aufgehoben habe. Dieses rote Seidenbändchen hat meine Frau darumgebunden,<lb/> fügte er mit leuchtenden Angen hinzu.</p><lb/> <p xml:id="ID_399"> Er wollte das Päckchen öffnen, um uns einiges daraus vorzulesen, aber<lb/> wir baten ihn, uns seine Erinnerungen lieber selbst zu erzähle». Und so be¬<lb/> gann er denn fröhlich zu plaudern von all den Vorbereitungen, von der Aus¬<lb/> schmückung der Stadt und von der Vorfeier in Gohlis, wo alle Männer¬<lb/> gesangvereine Leipzigs unter Zöllners Leitung mit bunten Laternen vor dem<lb/> Schillerhänschen erschiene» waren und dort inmitten einer nach Tausenden<lb/> zählenden Volksmenge spät abends das Lied angestimmt hatten:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> Das ist der Tag des Herrn.<lb/> Ich bin allein ans weiter Flur,<lb/> Noch eine Morgenglocke nur.<lb/> Nun Stille nah und fern!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_400" next="#ID_401"> Du lieber Gott! sagte er lachend, man hatte wohl kein andres Lied, worin<lb/> von einem „süßen Grauen" und einem „geheimen Wehn" an einer geweihten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
Bilder aus dem Universitätsleben
eines behaglichen Lebensgenusses weiß man nur dann zu schätzen, wenn die
Jugend entbehrungsvoll gewesen ist.
Während der Pfarrer den Rest in die Gläser goß, bemerkte Fritz, die
leitenden Kreise sollten ja damals gar keine rechte Teilnahme für das Schiller¬
fest gezeigt haben. Wenigstens habe ihm das sein Vater erzählt.
Der Pfarrer klopfte den roten Lack von einer neuen Flasche und zog sie
mit sichtlicher Anstrengung auf, sodaß sein Gesicht ganz rot wurde. Dabei
stieß er zwischen den Zähnen hervor: In, die da oben! Wir Studenten und
die Leipziger Bürgerschaft wurden damals durch die Behörden wiederholt auf¬
gefordert, uns beim Feste nur ja recht ruhig und ordnungsmäßig zu verhalten,
wie es ehrsamen Staatsbürgern gezieme. Vergessen Sie nicht, die Schiller¬
feier war nach 48 das erste allgemeine Volksfest in Deutschland, und da
mochte manchen wohl ein Gruseln über die Haut laufen bei dem Gedanken,
daß bei diesem Gelegenheitsfeste irgend eine kleine revolutionäre Bewegung
ausbrechen könnte. Schiller, der Dichter der Freiheit, der Männerwürde und
der allgemeinen Menschenliebe in. ez--ni.uno8! — die Sache ist ja nicht unwahr¬
scheinlich. Aber ich gebe Ihnen die Versicherung, in dem gemütlichen Leipzig
dachte kein Mensch an Revolution. Freilich gab es auch in Leipzig Angst¬
meier und Schwarzseher genug. Im Annoncenteil des Leipziger Tageblatts
habe ich damals manche Angriffe gegen „der Kauz und Uhus düstre Schar"
gelesen, die kein Verständnis für des Dichters „Himmelsfackel" besäßen und
in dem großen, hehren Feste nur einen „wüsten Lärm" sehen wollten.
Der Pfarrer trat an sein Schreibpult, schloß ein Schubfach auf und
nahm ein Päckchen gebrannter Zeitungen heraus. Sehn Sie, hier haben Sie
das ganze Festprogramm der Leipziger Schillerfeier. Die Tage find für mein
ganzes Leben fo bedeutungsvoll gewesen, daß ich mir die Blätter sorgfältig
aufgehoben habe. Dieses rote Seidenbändchen hat meine Frau darumgebunden,
fügte er mit leuchtenden Angen hinzu.
Er wollte das Päckchen öffnen, um uns einiges daraus vorzulesen, aber
wir baten ihn, uns seine Erinnerungen lieber selbst zu erzähle». Und so be¬
gann er denn fröhlich zu plaudern von all den Vorbereitungen, von der Aus¬
schmückung der Stadt und von der Vorfeier in Gohlis, wo alle Männer¬
gesangvereine Leipzigs unter Zöllners Leitung mit bunten Laternen vor dem
Schillerhänschen erschiene» waren und dort inmitten einer nach Tausenden
zählenden Volksmenge spät abends das Lied angestimmt hatten:
Das ist der Tag des Herrn.
Ich bin allein ans weiter Flur,
Noch eine Morgenglocke nur.
Nun Stille nah und fern!
Du lieber Gott! sagte er lachend, man hatte wohl kein andres Lied, worin
von einem „süßen Grauen" und einem „geheimen Wehn" an einer geweihten
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