Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Die allgemeine Volksschule und die soziale Frage gemacht wird, den Weg zu einer seiner deutlich ausgesprochnen Individualität Auf Grund dieser Erörterungen stellte der Vortragende folgende "Leit¬ Die Schule kann an der Lösung der sozialen Frage dadurch mitarbeiten, daß Die Pädagogischen Vorbedingungen einer so gearteten Schulerziehung können Aus diesen Gründen erhebt der neunte deutsche Lehrertag folgende Forderungen: Staat und Gemeinde sollen für die gemeinsamen Bildungsbedürfnisse auch Insbesondre foll für den allen Kindern notwendigen Elementarunterricht nur Auf diesem gemeinsamen Unterbau der "allgemeinen Volksschule" bauen sich Die vorhandnen Einrichtungen, welche begabten ärmern Kinder" den Besuch Dem Leser werden diese Gedankengänge einigermaßen fremdartig vor¬ Fassen wir zunächst ins Auge, was sich der Lehrertag von der "all¬ Die allgemeine Volksschule und die soziale Frage gemacht wird, den Weg zu einer seiner deutlich ausgesprochnen Individualität Auf Grund dieser Erörterungen stellte der Vortragende folgende „Leit¬ Die Schule kann an der Lösung der sozialen Frage dadurch mitarbeiten, daß Die Pädagogischen Vorbedingungen einer so gearteten Schulerziehung können Aus diesen Gründen erhebt der neunte deutsche Lehrertag folgende Forderungen: Staat und Gemeinde sollen für die gemeinsamen Bildungsbedürfnisse auch Insbesondre foll für den allen Kindern notwendigen Elementarunterricht nur Auf diesem gemeinsamen Unterbau der „allgemeinen Volksschule" bauen sich Die vorhandnen Einrichtungen, welche begabten ärmern Kinder» den Besuch Dem Leser werden diese Gedankengänge einigermaßen fremdartig vor¬ Fassen wir zunächst ins Auge, was sich der Lehrertag von der „all¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212583"/> <fw type="header" place="top"> Die allgemeine Volksschule und die soziale Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> gemacht wird, den Weg zu einer seiner deutlich ausgesprochnen Individualität<lb/> entsprechenden Berufsbildung einzuschlagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_280"> Auf Grund dieser Erörterungen stellte der Vortragende folgende „Leit¬<lb/> sätze" auf:</p><lb/> <p xml:id="ID_281"> Die Schule kann an der Lösung der sozialen Frage dadurch mitarbeiten, daß<lb/> sie, soweit es die ihr zu Gebote stehenden Mittel gestatten, alle Glieder der Nation<lb/> zu möglichst vollkommner Entwicklung ihrer körperlichen, geistigen und sittlichen<lb/> Kräfte im nationalen Sinn und Geist bringt und eine Jugend erzieht, die frei ist<lb/> von Standesöorurteilen und erfüllt ist von edelm Gemeinsinn und echter Vater¬<lb/> landsliebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_282"> Die Pädagogischen Vorbedingungen einer so gearteten Schulerziehung können<lb/> am vollkommensten erfüllt werden durch eine Schulvrgnnisatiou, durch welche die<lb/> Angehörigen aller Stände nach Möglichkeit zusammengeführt werden und sür den<lb/> Übertritt aus den niedern Stufen in die höhern durch den organischen Zusammen¬<lb/> hang aller Schnlnnstalten Sorge getragen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_283"> Aus diesen Gründen erhebt der neunte deutsche Lehrertag folgende Forderungen:</p><lb/> <p xml:id="ID_284"> Staat und Gemeinde sollen für die gemeinsamen Bildungsbedürfnisse auch<lb/> nur gemeinsame, allen in gleicher Weise zugängliche Bildungsanstalten errichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_285"> Insbesondre foll für den allen Kindern notwendigen Elementarunterricht nur<lb/> eine Art von öffentlichen Schulen vorhanden sein, und sollen daneben auf Kosten<lb/> des Staats oder der, Gemeinde besondre Vorschulen für höhere Lehranstalten,<lb/> Mittel- und höhere Mädchenschulen nicht errichtet noch organisch damit verbunden<lb/> werden. Die bestehenden Vorschulen sind aufzuheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_286"> Auf diesem gemeinsamen Unterbau der „allgemeinen Volksschule" bauen sich<lb/> die übrigen Schulen auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_287"> Die vorhandnen Einrichtungen, welche begabten ärmern Kinder» den Besuch<lb/> der höhern Lehranstalten ermöglichen (Befreiung vom Schulgeld, kostenfreie Alum¬<lb/> nate u. f. w.), bedürfen einer weitern Ausdehnung und werden der öffentlichen und<lb/> privaten Fürsorge empfohlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_288"> Dem Leser werden diese Gedankengänge einigermaßen fremdartig vor¬<lb/> kommen. Er wird den Eindruck haben, als seien eine Anzahl von Dingen<lb/> mit einander verbunden worden, von denen man bisher annahm, daß sie nichts<lb/> mit einander zu thun Hütten. Und so ist es auch. In welcher Weise sich die<lb/> verschiednen Schulen aus einander aufbauen sollen, ist eine schultechuische Frage;<lb/> aber sie wird hier nicht unter schultechnischem Gesichtspunkte, sondern unter<lb/> dem der sozialen Frage behandelt. Warum? Die Vorschulen gehören in das<lb/> Gebiet des Gymnasiums; welches Interesse haben die Volksschullehrer daran,<lb/> dein Gymnasium beizubringen? Die Sache verhält sich so: man hat ein per¬<lb/> sönliches Interesse daran, die Volksschule an die Stelle der Vorschule zu setzen,<lb/> und da benutzt mau die soziale Frage als Vorspann.</p><lb/> <p xml:id="ID_289" next="#ID_290"> Fassen wir zunächst ins Auge, was sich der Lehrertag von der „all¬<lb/> gemeinen Volksschule" bei der Lösung der sozialen Frage verspricht. Natür¬<lb/> lich soll die Schule an ihrer Lösung mitarbeiten; sie kann und sie wird diese<lb/> Frage lösen, davon ist Herr Scherer fest überzeugt. Sie wird den Menschen<lb/> zu dem so lange schon schmerzlich vermißten Idealmenschen erziehen, sie wird</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Die allgemeine Volksschule und die soziale Frage
gemacht wird, den Weg zu einer seiner deutlich ausgesprochnen Individualität
entsprechenden Berufsbildung einzuschlagen.
Auf Grund dieser Erörterungen stellte der Vortragende folgende „Leit¬
sätze" auf:
Die Schule kann an der Lösung der sozialen Frage dadurch mitarbeiten, daß
sie, soweit es die ihr zu Gebote stehenden Mittel gestatten, alle Glieder der Nation
zu möglichst vollkommner Entwicklung ihrer körperlichen, geistigen und sittlichen
Kräfte im nationalen Sinn und Geist bringt und eine Jugend erzieht, die frei ist
von Standesöorurteilen und erfüllt ist von edelm Gemeinsinn und echter Vater¬
landsliebe.
Die Pädagogischen Vorbedingungen einer so gearteten Schulerziehung können
am vollkommensten erfüllt werden durch eine Schulvrgnnisatiou, durch welche die
Angehörigen aller Stände nach Möglichkeit zusammengeführt werden und sür den
Übertritt aus den niedern Stufen in die höhern durch den organischen Zusammen¬
hang aller Schnlnnstalten Sorge getragen wird.
Aus diesen Gründen erhebt der neunte deutsche Lehrertag folgende Forderungen:
Staat und Gemeinde sollen für die gemeinsamen Bildungsbedürfnisse auch
nur gemeinsame, allen in gleicher Weise zugängliche Bildungsanstalten errichten.
Insbesondre foll für den allen Kindern notwendigen Elementarunterricht nur
eine Art von öffentlichen Schulen vorhanden sein, und sollen daneben auf Kosten
des Staats oder der, Gemeinde besondre Vorschulen für höhere Lehranstalten,
Mittel- und höhere Mädchenschulen nicht errichtet noch organisch damit verbunden
werden. Die bestehenden Vorschulen sind aufzuheben.
Auf diesem gemeinsamen Unterbau der „allgemeinen Volksschule" bauen sich
die übrigen Schulen auf.
Die vorhandnen Einrichtungen, welche begabten ärmern Kinder» den Besuch
der höhern Lehranstalten ermöglichen (Befreiung vom Schulgeld, kostenfreie Alum¬
nate u. f. w.), bedürfen einer weitern Ausdehnung und werden der öffentlichen und
privaten Fürsorge empfohlen.
Dem Leser werden diese Gedankengänge einigermaßen fremdartig vor¬
kommen. Er wird den Eindruck haben, als seien eine Anzahl von Dingen
mit einander verbunden worden, von denen man bisher annahm, daß sie nichts
mit einander zu thun Hütten. Und so ist es auch. In welcher Weise sich die
verschiednen Schulen aus einander aufbauen sollen, ist eine schultechuische Frage;
aber sie wird hier nicht unter schultechnischem Gesichtspunkte, sondern unter
dem der sozialen Frage behandelt. Warum? Die Vorschulen gehören in das
Gebiet des Gymnasiums; welches Interesse haben die Volksschullehrer daran,
dein Gymnasium beizubringen? Die Sache verhält sich so: man hat ein per¬
sönliches Interesse daran, die Volksschule an die Stelle der Vorschule zu setzen,
und da benutzt mau die soziale Frage als Vorspann.
Fassen wir zunächst ins Auge, was sich der Lehrertag von der „all¬
gemeinen Volksschule" bei der Lösung der sozialen Frage verspricht. Natür¬
lich soll die Schule an ihrer Lösung mitarbeiten; sie kann und sie wird diese
Frage lösen, davon ist Herr Scherer fest überzeugt. Sie wird den Menschen
zu dem so lange schon schmerzlich vermißten Idealmenschen erziehen, sie wird
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