Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Der deutsche Frauenverein Reform genau überein, sie sind gleich groß, haben dieselben Knochen, Muskeln, Blutgefäße, Das vou Frau Kettler angewandte Verfahren ist ebenso bequem wie wohl- Die Natur hat nun einmal, mag es gern gehört werden oder nicht, von Der deutsche Frauenverein Reform genau überein, sie sind gleich groß, haben dieselben Knochen, Muskeln, Blutgefäße, Das vou Frau Kettler angewandte Verfahren ist ebenso bequem wie wohl- Die Natur hat nun einmal, mag es gern gehört werden oder nicht, von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211253"/> <fw type="header" place="top"> Der deutsche Frauenverein Reform</fw><lb/> <p xml:id="ID_240" prev="#ID_239"> genau überein, sie sind gleich groß, haben dieselben Knochen, Muskeln, Blutgefäße,<lb/> Sehnen und Nerven, und das geringere Geschick der linken Hand gegenüber der<lb/> rechten ist nur eine Folge des Mangels an genügender Übung und Ausbildung.<lb/> So, meint Frau Kettler, steht es auch zwischen Männern und Frauen, der Unter¬<lb/> schied ist lediglich „durch verschiedne Erziehung künstlich geschaffen," und es ist<lb/> eine abscheuliche Intrigue des Mannes, „wenn er die Natur der Fran nach dem<lb/> beurteilt, was er aus ihr gemacht hat," und sich darnach erdreistet, die Phrase<lb/> „von der angebornen geistigen Inferiorität des Weibes" in die Welt zu setzen.<lb/> Die miserable Bildung der Fran, die „von den Männern verfügt" wird, ist<lb/> „ein Makel für die ganze Nation," sie führt nur zu „einer mangelhaft entwickelten<lb/> Verstaudesthätigkeit," aber „wie dünnn die Frauen auch sein mögen, so dumm<lb/> sind sie doch uicht," daß ihnen die wahre Ursache ihrer Unterdrückung verborgen<lb/> bliebe, immlich „der unbeugsame Wille des Mannes," den Frauen „die gleiche«<lb/> Menschenrechte, besonders das edelste ans höchste Bildung" vorzuenthalten.<lb/> Und so weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_241"> Das vou Frau Kettler angewandte Verfahren ist ebenso bequem wie wohl-<lb/> feil. Man sertigt sich eine ausgestopfte Figur zum Angriff, dann geht es mit<lb/> eingelegter Lanze im Sturmschritt unter Hurra drauf los, und ist die Stroh¬<lb/> puppe unter den grimmigen Stichen zusammengesunken, dann blickt man<lb/> triumphirend über das Schlachtgefilde und meint einen glänzenden Sieg er¬<lb/> fochten zu habe». Ja wenn es bloß die fluchwürdigen Männer wären, aber<lb/> die Fehde richtet sich gegen die Mutter Natur, und an deren Unerschütterlichkeit<lb/> bricht sich wirkungslos der ganze hitzige Aufruhr.</p><lb/> <p xml:id="ID_242" next="#ID_243"> Die Natur hat nun einmal, mag es gern gehört werden oder nicht, von<lb/> Anfang an einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Mann und Weib fest¬<lb/> gesetzt. Ganz abgesehen vou den Ungleichheiten, die offenkundig vorliegen, ist<lb/> es unbestreitbare Erfahrungsthatsache, daß die Durchschnittsfrau an Körper¬<lb/> größe, Körpergewicht, Festigkeit der Muskeln, Knochen und Sehnen, sowie an<lb/> Größe des Kopfes und Brustkastens dem Durchschnittsmanne nachsteht. Ebenso<lb/> bekannt ist es, daß das Nervensystem der Frau eine weit zartere Organisation<lb/> zeigt, als das des Mannes, und daß bei alleu Völkern ohne Unterschied des<lb/> Kulturzustandes das Gehirn der Frauen nicht bloß absolut, sondern auch relativ<lb/> an Gewicht und Menge hinter dem des Mannes zurückbleibt. Diese Er¬<lb/> scheinungen für eine Folge einer willkürlich differenzirten Behandlung beider<lb/> Geschlechter auszugeben, widerstreitet jeder vernünftigen Überlegung. Die<lb/> Natur sagt damit in nicht mißzuverstehender Weise, daß sie von der Frau<lb/> Nieder körperlich noch geistig die gleichen Kraftanstrengungen verlangt wie von<lb/> dem Manne, sie hat eben ein stärkeres und ein schwächeres Geschlecht hervorge¬<lb/> bracht, deren Unterschied nicht aus der Welt geschafft werden kann. Von der<lb/> Bedeutung des Körpers auch für geistige Arbeit weiß Frau Kettler nichts, ihr<lb/> gilt es gleich, ob die Elektrisirmaschine kräftig oder schwach, die Batterie groß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Der deutsche Frauenverein Reform
genau überein, sie sind gleich groß, haben dieselben Knochen, Muskeln, Blutgefäße,
Sehnen und Nerven, und das geringere Geschick der linken Hand gegenüber der
rechten ist nur eine Folge des Mangels an genügender Übung und Ausbildung.
So, meint Frau Kettler, steht es auch zwischen Männern und Frauen, der Unter¬
schied ist lediglich „durch verschiedne Erziehung künstlich geschaffen," und es ist
eine abscheuliche Intrigue des Mannes, „wenn er die Natur der Fran nach dem
beurteilt, was er aus ihr gemacht hat," und sich darnach erdreistet, die Phrase
„von der angebornen geistigen Inferiorität des Weibes" in die Welt zu setzen.
Die miserable Bildung der Fran, die „von den Männern verfügt" wird, ist
„ein Makel für die ganze Nation," sie führt nur zu „einer mangelhaft entwickelten
Verstaudesthätigkeit," aber „wie dünnn die Frauen auch sein mögen, so dumm
sind sie doch uicht," daß ihnen die wahre Ursache ihrer Unterdrückung verborgen
bliebe, immlich „der unbeugsame Wille des Mannes," den Frauen „die gleiche«
Menschenrechte, besonders das edelste ans höchste Bildung" vorzuenthalten.
Und so weiter.
Das vou Frau Kettler angewandte Verfahren ist ebenso bequem wie wohl-
feil. Man sertigt sich eine ausgestopfte Figur zum Angriff, dann geht es mit
eingelegter Lanze im Sturmschritt unter Hurra drauf los, und ist die Stroh¬
puppe unter den grimmigen Stichen zusammengesunken, dann blickt man
triumphirend über das Schlachtgefilde und meint einen glänzenden Sieg er¬
fochten zu habe». Ja wenn es bloß die fluchwürdigen Männer wären, aber
die Fehde richtet sich gegen die Mutter Natur, und an deren Unerschütterlichkeit
bricht sich wirkungslos der ganze hitzige Aufruhr.
Die Natur hat nun einmal, mag es gern gehört werden oder nicht, von
Anfang an einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Mann und Weib fest¬
gesetzt. Ganz abgesehen vou den Ungleichheiten, die offenkundig vorliegen, ist
es unbestreitbare Erfahrungsthatsache, daß die Durchschnittsfrau an Körper¬
größe, Körpergewicht, Festigkeit der Muskeln, Knochen und Sehnen, sowie an
Größe des Kopfes und Brustkastens dem Durchschnittsmanne nachsteht. Ebenso
bekannt ist es, daß das Nervensystem der Frau eine weit zartere Organisation
zeigt, als das des Mannes, und daß bei alleu Völkern ohne Unterschied des
Kulturzustandes das Gehirn der Frauen nicht bloß absolut, sondern auch relativ
an Gewicht und Menge hinter dem des Mannes zurückbleibt. Diese Er¬
scheinungen für eine Folge einer willkürlich differenzirten Behandlung beider
Geschlechter auszugeben, widerstreitet jeder vernünftigen Überlegung. Die
Natur sagt damit in nicht mißzuverstehender Weise, daß sie von der Frau
Nieder körperlich noch geistig die gleichen Kraftanstrengungen verlangt wie von
dem Manne, sie hat eben ein stärkeres und ein schwächeres Geschlecht hervorge¬
bracht, deren Unterschied nicht aus der Welt geschafft werden kann. Von der
Bedeutung des Körpers auch für geistige Arbeit weiß Frau Kettler nichts, ihr
gilt es gleich, ob die Elektrisirmaschine kräftig oder schwach, die Batterie groß
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