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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der Richterstand und die öffentliche Meinung

ganz entgegengesetzte Grundsätze befolgt werden. Bei. den Regierungen werden
Referendare nur in beschränkter Zahl und nur nach dein wirklichen Bedarf
angenommen, sodaß nach bestandnen Examen der junge Negieruugsassessvr
sehr bald auf festbesoldete Anstellung rechnen, auch nach fünf bis sechs Jahren
seine Ernennung zum Rate erwarten kann. Bei den Gerichten tritt gegen¬
wärtig eine feste Besoldung erst nach fünf bis sieben Jahren und die Er¬
nennung zum Rate nach Verlauf von vierzehn bis sechzehn Jahren ein. Als
Regierungsreferendar wird ferner nur angenommen, wer bei den Gerichten
zwei Jahre referirt und gute Zeugnisse beigebracht hat. Außerdem findet eine
genaue Prüfung aller persönlichen und Familienverhältnisse statt. Reichtum,
vornehme Geburt und persönliche Verbindungen wirken bei der Annahme der
Kandidaten mit, und die Erfahrung soll erst noch lehren, ob diese für die
Annahme der Regiernngsreferendare jetzt befolgte" Grundsätze - die übrigens
ihre eigentliche Begründung in dem in Preußen durch die neue Verwaltungs-
organisntion eingeführten Präfektnrsystem finden --, zur Gewinnung eines be¬
fähigten Beamtenpersonals führen und dauernd beibehalten werden können.
Die Grundsätze werden aber jetzt scharf gehandhabt, und als Folge ergiebt sich,
daß die jungen Verwaltungsbeamten, Regiernngsreferendare und Negieruugs-
assessoreu, als besonders erwählte ans einer höhern Staffel zu stehn ver¬
meinen, als die gleichaltrigen Gerichtsbeamten. Nun ist, wie schon bemerkt,
auch die Zahl der Regierungsbeamten sehr beschränkt, sie reicht kaum zur Be¬
setzung der Natsstelle" bei den Regierungen und der landrätlichen Stellen aus,
Und ans diesem Umstände folgt wieder, daß alle übrigen Verwaltungen,
namentlich die umfangreiche Eisenbahnverwaltnng, die Provinzial- und Koni-
munalverwaltungen, die großen Städte u. s. w., ihre jungen Beamten aus
dem Nichterstaude entnehmen müssen. Selbst die Ministerien, z. B. das aus¬
wärtige Ministerium bezüglich der anzustellenden Konsuln, entnehmen oft ihre
Beamten aus dem Richterstande. Von allen diesen fremden Verwaltungen
werden aber selbstverständlich immer nur tüchtige und bewährte Arbeiter aus¬
gewählt, die weniger tauglichen Kräfte bleiben der Justiz, und daß in diesem
Reste muh nnlautre Elemente anzutreffen sind, kann nicht Wunder nehmen,
da Unlauterkeit leider in allen Ständen zu finden und die Zahl des Richter-
Personals sehr bedeutend ist. Wo aber solche Unlauterkeit bei einem Richter
hervortritt -- das müssen wir hervorheben --, da wirkt sie für das Ansehen
des Einzelnen und des ganzen Standes viel nachteiliger, weil der Richter
mitten im Volke leben soll und auch wirklich lebt.

Hier haben wir nun einen in den bisherigen Erörterungen gar nicht
berührten Umstand zu erwähnen, der nicht selten Ansehen und Geltung des
Richters beeinträchtigt, und der in den Bestimmungen des deutschen Gerichts¬
verfassungsgesetzes begründet ist. Nach diesem Verfassnngsgesetze ist der Amts¬
richter -- nur bei diesem, nicht bei den Mitgliedern der Land- und Oberlandes-


Der Richterstand und die öffentliche Meinung

ganz entgegengesetzte Grundsätze befolgt werden. Bei. den Regierungen werden
Referendare nur in beschränkter Zahl und nur nach dein wirklichen Bedarf
angenommen, sodaß nach bestandnen Examen der junge Negieruugsassessvr
sehr bald auf festbesoldete Anstellung rechnen, auch nach fünf bis sechs Jahren
seine Ernennung zum Rate erwarten kann. Bei den Gerichten tritt gegen¬
wärtig eine feste Besoldung erst nach fünf bis sieben Jahren und die Er¬
nennung zum Rate nach Verlauf von vierzehn bis sechzehn Jahren ein. Als
Regierungsreferendar wird ferner nur angenommen, wer bei den Gerichten
zwei Jahre referirt und gute Zeugnisse beigebracht hat. Außerdem findet eine
genaue Prüfung aller persönlichen und Familienverhältnisse statt. Reichtum,
vornehme Geburt und persönliche Verbindungen wirken bei der Annahme der
Kandidaten mit, und die Erfahrung soll erst noch lehren, ob diese für die
Annahme der Regiernngsreferendare jetzt befolgte» Grundsätze - die übrigens
ihre eigentliche Begründung in dem in Preußen durch die neue Verwaltungs-
organisntion eingeführten Präfektnrsystem finden —, zur Gewinnung eines be¬
fähigten Beamtenpersonals führen und dauernd beibehalten werden können.
Die Grundsätze werden aber jetzt scharf gehandhabt, und als Folge ergiebt sich,
daß die jungen Verwaltungsbeamten, Regiernngsreferendare und Negieruugs-
assessoreu, als besonders erwählte ans einer höhern Staffel zu stehn ver¬
meinen, als die gleichaltrigen Gerichtsbeamten. Nun ist, wie schon bemerkt,
auch die Zahl der Regierungsbeamten sehr beschränkt, sie reicht kaum zur Be¬
setzung der Natsstelle» bei den Regierungen und der landrätlichen Stellen aus,
Und ans diesem Umstände folgt wieder, daß alle übrigen Verwaltungen,
namentlich die umfangreiche Eisenbahnverwaltnng, die Provinzial- und Koni-
munalverwaltungen, die großen Städte u. s. w., ihre jungen Beamten aus
dem Nichterstaude entnehmen müssen. Selbst die Ministerien, z. B. das aus¬
wärtige Ministerium bezüglich der anzustellenden Konsuln, entnehmen oft ihre
Beamten aus dem Richterstande. Von allen diesen fremden Verwaltungen
werden aber selbstverständlich immer nur tüchtige und bewährte Arbeiter aus¬
gewählt, die weniger tauglichen Kräfte bleiben der Justiz, und daß in diesem
Reste muh nnlautre Elemente anzutreffen sind, kann nicht Wunder nehmen,
da Unlauterkeit leider in allen Ständen zu finden und die Zahl des Richter-
Personals sehr bedeutend ist. Wo aber solche Unlauterkeit bei einem Richter
hervortritt — das müssen wir hervorheben —, da wirkt sie für das Ansehen
des Einzelnen und des ganzen Standes viel nachteiliger, weil der Richter
mitten im Volke leben soll und auch wirklich lebt.

Hier haben wir nun einen in den bisherigen Erörterungen gar nicht
berührten Umstand zu erwähnen, der nicht selten Ansehen und Geltung des
Richters beeinträchtigt, und der in den Bestimmungen des deutschen Gerichts¬
verfassungsgesetzes begründet ist. Nach diesem Verfassnngsgesetze ist der Amts¬
richter — nur bei diesem, nicht bei den Mitgliedern der Land- und Oberlandes-


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[0527] Der Richterstand und die öffentliche Meinung ganz entgegengesetzte Grundsätze befolgt werden. Bei. den Regierungen werden Referendare nur in beschränkter Zahl und nur nach dein wirklichen Bedarf angenommen, sodaß nach bestandnen Examen der junge Negieruugsassessvr sehr bald auf festbesoldete Anstellung rechnen, auch nach fünf bis sechs Jahren seine Ernennung zum Rate erwarten kann. Bei den Gerichten tritt gegen¬ wärtig eine feste Besoldung erst nach fünf bis sieben Jahren und die Er¬ nennung zum Rate nach Verlauf von vierzehn bis sechzehn Jahren ein. Als Regierungsreferendar wird ferner nur angenommen, wer bei den Gerichten zwei Jahre referirt und gute Zeugnisse beigebracht hat. Außerdem findet eine genaue Prüfung aller persönlichen und Familienverhältnisse statt. Reichtum, vornehme Geburt und persönliche Verbindungen wirken bei der Annahme der Kandidaten mit, und die Erfahrung soll erst noch lehren, ob diese für die Annahme der Regiernngsreferendare jetzt befolgte» Grundsätze - die übrigens ihre eigentliche Begründung in dem in Preußen durch die neue Verwaltungs- organisntion eingeführten Präfektnrsystem finden —, zur Gewinnung eines be¬ fähigten Beamtenpersonals führen und dauernd beibehalten werden können. Die Grundsätze werden aber jetzt scharf gehandhabt, und als Folge ergiebt sich, daß die jungen Verwaltungsbeamten, Regiernngsreferendare und Negieruugs- assessoreu, als besonders erwählte ans einer höhern Staffel zu stehn ver¬ meinen, als die gleichaltrigen Gerichtsbeamten. Nun ist, wie schon bemerkt, auch die Zahl der Regierungsbeamten sehr beschränkt, sie reicht kaum zur Be¬ setzung der Natsstelle» bei den Regierungen und der landrätlichen Stellen aus, Und ans diesem Umstände folgt wieder, daß alle übrigen Verwaltungen, namentlich die umfangreiche Eisenbahnverwaltnng, die Provinzial- und Koni- munalverwaltungen, die großen Städte u. s. w., ihre jungen Beamten aus dem Nichterstaude entnehmen müssen. Selbst die Ministerien, z. B. das aus¬ wärtige Ministerium bezüglich der anzustellenden Konsuln, entnehmen oft ihre Beamten aus dem Richterstande. Von allen diesen fremden Verwaltungen werden aber selbstverständlich immer nur tüchtige und bewährte Arbeiter aus¬ gewählt, die weniger tauglichen Kräfte bleiben der Justiz, und daß in diesem Reste muh nnlautre Elemente anzutreffen sind, kann nicht Wunder nehmen, da Unlauterkeit leider in allen Ständen zu finden und die Zahl des Richter- Personals sehr bedeutend ist. Wo aber solche Unlauterkeit bei einem Richter hervortritt — das müssen wir hervorheben —, da wirkt sie für das Ansehen des Einzelnen und des ganzen Standes viel nachteiliger, weil der Richter mitten im Volke leben soll und auch wirklich lebt. Hier haben wir nun einen in den bisherigen Erörterungen gar nicht berührten Umstand zu erwähnen, der nicht selten Ansehen und Geltung des Richters beeinträchtigt, und der in den Bestimmungen des deutschen Gerichts¬ verfassungsgesetzes begründet ist. Nach diesem Verfassnngsgesetze ist der Amts¬ richter — nur bei diesem, nicht bei den Mitgliedern der Land- und Oberlandes-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/527>, abgerufen am 23.07.2024.